Kino-Tipp: Die Haut, in der ich wohne

Seit er seine Frau nach einem schweren Brandunfall verloren hat, will der renommierte plastische Chirurg Dr. Robert Legard (Antonio Banderas) eine künstliche Haut schaffen. Vollkommen muss sie sein, rein, schön und resistent gegen alle äußeren Einflüsse, vom Insektenstich bis zum Feuer. Für seine Ziele hält der wohlhabende Legard auf seinem Privatanwesen mit Schönheitsklinik im spanischen Toledo ein ganz besonderes Versuchskaninchen gefangen: Die junge und bildschöne Vera (Elena Anaya).

Eine Portion Opium: Dr. Robert Legard (Antonio Banderas) will seine Gefangene Vera (XX) ruhig halten. Damit ihr Körper vollkommene Formen annimmt, muss sie einen Body tragen.

Zum Abendessen Opium: Dr. Robert Legard (Antonio Banderas) will seine Gefangene Vera (Elena Anaya) ruhig halten. Damit ihr Körper vollkommene Formen annimmt, muss sie einen Body tragen. Foto: Tobis.

Mehr als sechs Jahre lang lebt Vera bereits in einem sterilen und farblosen Raum, den Legard in seiner Villa zweckmäßig hergerichtet hat. Vor der Gefangenschaft hieß sie noch nicht Vera, und sah auch noch ganz anders aus. Ihre Mahlzeiten, Kompositionen aus Pillen und Nahrungsergänzungsmitteln, schickt Legards Haushälterin über einen kleinen Aufzug ins Zimmer. Legard selbst lässt sich nur ab und an blicken, um Vera eine Dosis Opium zu verabreichen. Lieber beobachtet er sein Kunstwerk vom Wohnzimmer aus auf seinem riesigen Flachbildschirm über die Kameras, die er installiert hat. Dann zoomt er allabendlich auf ihre straffe, porenreine Haut.

Tragische Vorgeschichte

Verliebt sich in seine Schöpfung: Als Vera endlich aussieht, wie seine tote Frau, begeht Legard einen Fehler. Foto: Tobis.

Verliebt sich in seine Schöpfung: Als Vera endlich aussieht wie seine tote Frau, begeht Legard einen Fehler. Foto: Tobis.

Legard, eigentlich mit beiden Beinen mitten im Leben, hat vor Jahren seine Frau Gal verloren. Als seine Tochter Norma sich nach einer Vergewaltigung dann auch noch das Leben nimmt, bleibt Legard nur eins: Rache. Über die Forschung findet Legard einen Weg, Kontrolle über Leben und Schönheit zu gewinnen, und mutiert zum kühlen Herrscher im Laborkittel. Sein Opfer Vera fällt ihm geradezu vor die Füße, und ermöglicht ihm damit die Verwirklichung seines kühnsten Traums. Über Genmanipulation an der menschlichen Zelle schafft er Veras Körper Stück für Stück neu. Dabei wird er schließlich doch zum Opfer seiner eigenen Macht. Er tauft seine künstliche Haut ‚Gal‘ und schafft Vera nach dem Vorbild seiner toten Frau. Als er sich immer mehr zu seinem Versuchsopfer hingezogen fühlt, begeht er einen großen Fehler.

Der oscarprämierte Kultregisseur Pedro Almodóvar (Oscar für den besten fremdsprachigen Film: „Alles über meine Mutter“) lässt den Zuschauer nur scheibchenweise in die Ab- und Beweggründe seines Protagonisten blicken. Dafür wechselt er zwischen Gegenwart und Vergangenheit, und behält das letzte Puzzleteil bei all den Verschachtelungen aufregend lange für sich.

Oscar, Golden Globe, Goldene Palme: Pedro Almodóvar hat schon so manche Auszeichnung in seiner Vitrine stehen. Antonio Banderas steht ihm da in nichts nach.

Oscar, Golden Globe, Goldene Palme: Pedro Almodóvar hat schon so manche Auszeichnung in seiner Vitrine stehen. Sein Freund Antonio Banderas steht ihm da in nichts nach. Foto: Tobis.

Motive: Machtmissbrauch und Schönheitswahn

Ein wenig a là „Brave New World“ macht Regisseur Almodóvar auf die Gefahren aufmerksam, die in der Transgenese (Gentransfers) liegen. Im Vordergrund aber steht die spannende, von Machtgier und Rachsucht überbordende Schicksalsgeschichte einer gescheiterten Existenz. Antonio Banderas gelingt die Gratwanderung zwischen intellektuell-elegantem Ästheten und rachsüchtigen Monster überzeugend. Jeder Handlungsstrang ist elementar mit dem nächsten verflochten und lässt das Ende einerseits herbeisehnen. Andererseits vergeht die Zeit bis zum Ende dann doch viel zu schnell. Aufgepasst: Nicht zu früh den Kinosaal verlassen.

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Quelle: YouTube

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