Dr. Gordo und die mörderischen Katzen

Seine Katzen sind nach Charakteren aus Hamlet benannt – Güldenstern und Rosenkranz. In jedes Seminar begleitet ihn sein Assistent, ein quietschgrünes Sparschwein namens Mr. Gordo. Englisch-Dozent Richard Bell. Manch Studierender findet ihn streng, die meisten einigen sich auf witzig. Aber: „Die meisten meiner Witze sind geklaut.“

Was das für eine Tonne ist? Egal - Bell ist immer für einen Spaß zu haben.  Foto: privat

Was das für eine Tonne ist? Egal - Bell ist immer für einen Spaß zu haben. Foto: privat

„Nein, eigentlich sind nicht die meisten Witze geklaut, nur manche.“ Wenn man für das Stehlen von Witzen eine obskure Quelle sucht, merkt das niemand, sagt Bell. Das ist aber kein Aufruf zum Plagiat: „Macht das bloß nicht zu Hause“, mahnt der Dozent. Denn dass niemand abschreibt, liegt ihm am Herzen: „Plagiate zu finden ist eins meiner Hobbies.“

Selbst hat Richard Bell ganz ohne Abschreiben studiert, Deutsch und Englisch. Nach dem Studium wollte der heute 36-jährige Australier unterrichten und bewarb sich an Universitäten in den USA, Australien und auch in Deutschland. „Als der erste Anruf von der Kölner Uni kam, lief gerade Akte X.“ Obwohl sich der erklärte Serienfan über die Zeit des Anrufs ein wenig geärgert hat, ging er bald darauf nach Deutschland. „Ich hatte schon vorher mal mit meiner Frau übers Auswandern gesprochen. Das war eigentlich kein Problem für uns.“

Seit dem Wintersemester 2001 lehrt Richard Bell Sprachpraxis in Dortmund und fühlt sich – nach eigener Aussage – sehr wohl. „Vorher war ich für fünf Jahre in Köln. Die Abteilung war viel größer und man kannte sich nicht untereinander. Als ich in Köln mal einem anderen Professor die Arbeit eines Studenten geben wollte, dachte er, ich sei der Student.“

Als würde die Katze mit ihm sprechen

An der TU Dortmund passieren Bell dafür ganz andere Dinge: „Dass ich Deutsch spreche, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Eine Studentin saß mal in der ersten Reihe und sagte: ´Oh mein Gott, was ist mit seinem Friseur passiert? Er sieht aus wie ein Hamster!“ Bell trug es mit Humor. In der Uni spricht der Australier nie Deutsch, zumindest nicht mit seinen Studenten: „Mit einem habe ich mal kurz auf Deutsch gesprochen. Er hat gesagt, das sei so ungewöhnlich, als würde plötzlich seine Katze mit ihm sprechen.“ Obwohl er Deutsch studiert hat, fühlt sich Bell nicht mit allen Feinheiten so vertraut. „Naja, wenn ich etwas nicht weiß, rate ich und hoffe auf das Beste.“

Kleinere sprachliche Hindernisse hin oder her, Bell lebt gern in Deutschland. „Hier gibt es keine großen Spinnen“, ist sein erstes Argument. „Sonnig ist es zwar nicht, aber dafür sind 46 Grad in Australien auch nicht immer super.“ Einer der Gründe, warum es Bell in Deutschland gefällt, ist auch das „kleine“ Europa: „Wenn man in Australien irgendwohin will, dauert es zwölf Stunden. Es sei denn, man will nach Neuseeland, aber wer will da schon hin?“ An Europa mag er die kurzen Wege: „Hier kann man sich mal eben ins Auto setzen und nach Paris fahren.“

In Deutschland könnte das Wetter manchmal besser sein, aber auf zuviel Sonne - wie in Australien - hat Bell auch nicht immer Lust. Foto: privat

In Deutschland könnte das Wetter manchmal besser sein, aber auf zuviel Sonne - wie in Australien - hat Bell auch nicht immer Lust. Foto: privat

Trotz der kurzen Wege in der spinnenfreien Zone – einige der deutschen Marotten findet der Dozent eigenartig: „Beim Anstoßen gibt es so viele Regeln. Man darf die Arme nicht kreuzen und muss sich in die Augen starren. Das ist so feindlich, dieses Starren.“ Eigentlich halte er die Deutschen für rational und nicht abergläubisch. Deshalb seien solche Sitten etwas komisch. „Meistens denke ich beim Anstoßen nicht daran. Aber wenn meine Eltern aus Australien zu Besuch kommen, achte ich auf die Regeln, um sie damit zu quälen.“

Die Sache mit dem Quälen ist übrigens ein Witz. „Die Leute sagen immer, die Deutschen hätten keinen Humor. Dabei ist der nur schwierig zu finden.“ Mittlerweile haben jedoch so einige Studenten an Bells Witzen Gefallen gefunden – auch wenn er mal wieder aus einer seiner Lieblingsserien, wie „Buffy-Die Vampirjägerin“ zitiert. Herrscht mal wieder keine Ruhe im Saal, bedient der Dozent sich aus einem Fundus von Sätzen wie: „Ich habe gerade einen Terodactyl-Saurier auf die Welt gebracht.“ Kein Wunder, dass es augenblicklich still ist.

Mörderische Pläne der Stubentiger

Und auch im Internet treibt Bell sich herum: „Früher war ich viel mehr online, heutzutage tausche ich oft mit Freunden Links aus.“ Dabei kommen dann Internetseiten heraus, wie Bell sie im iaawiki des Instituts für Anglistik und Amerikanistik empfiehlt: „How to tell if your cat is plotting to kill you“ (Wie du herausfindest, ob deine Katze plant, dich zu töten). In dem Selbst-Test auf der Seite erfährt der geneigte Leser, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die eigene Katze einen mörderischen Plan schmiedet.

Bells Stubentiger – laut ihm selbst ebenfalls höchst gefährlich – sind nach Shakespeare benannt: Rosenkranz und Güldenstern. Jedenfalls sind das die Namen zweier Charaktere aus Hamlet: „Bei den Namen ging es mir eigentlich um den Film von Tom Stoppard, darin spielen Rosenkranz und Güldenstern die Hauptrolle.“ Bells Tiere haben die Namen geerbt, weil sie sich sehr ähnlich sehen: „Rosenkranz und Güldenstern verwechseln sich gegenseitig in dem Stück andauernd.“

Bell findet sich nicht sonderlich fotogen. Das Bild mit dem Glas australischen Weißweins gefällt ihm aber - zumindest einigermaßen.

Bell findet sich nicht sonderlich fotogen. Das Bild mit dem Glas australischen Weißweins gefällt ihm aber - zumindest einigermaßen. Foto: privat

Bell schätzt aber auch ein anderes Tier: Mr. Gordo. Das quietschgrüne Sparschwein begleitet ihn in jedes Seminar. „Die Idee, dass die Studenten, wenn sie Deutsch sprechen, zu spät kommen oder das Handy klingelt, zehn Cent zahlen müssen, kam von einem Studenten.“ Das Geld steckt sich Bell nicht ein – es geht an Projekte des Instituts. „Die Leute denken jetzt viel mehr daran, sich an die Regeln zu halten. Und ich muss niemanden mehr anschreien.“

Das Prinzip scheint aufzugehen, sagt Studentin Sarah Sauer: „In den Seminaren bei Mr. Bell sollte man immer darauf achten, genügend Kleingeld dabei zu haben, um Mister Gordo zu füttern. Das ist gar nicht so einfach, denn Bell liefert jede Menge Gründe laut zu lachen oder zu tuscheln. Das hängt ganz davon ab, ob er wieder diese fürchterlich quietschbunt bedruckten Hemden trägt und ob sein sarkastisches Ironie-Niveau wieder alle Grenzen sprengt. Aber der Lernerfolg ist ziemlich groß – und so habe ich gelernt wie man einen Essay schreibt.“

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1 Comment

  • Jen sagt:

    Schöner Bericht,

    und absolut treffend. 😉 Die extrem lustigen und dabei lehrreichen Seminare bei Bell kann ich nur weiter empfehlen.

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