Wer kaufen will, muss zahlen – für Plastiktüten. Der Handelsverband Deutschland (HDE) will Kunden des Einzelhandels dazu bewegen, weniger Plastiktüten zu kaufen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und HDE-Präsident Josef Sanktjohanser haben am Dienstag eine Vereinbarung unterschrieben, nach der innerhalb der nächsten zwei Jahre 80 Prozent der Kunststofftüten im Einzelhandel kostenpflichtig werden sollen. Sie tritt am 1. Juli 2016 in Kraft.
Die Vereinbarung des HDE und Bundesumweltministeriums ist eine Selbstverpflichtung. Die Unternehmen entscheiden also selbst, ob sie Plastiktüten weiterhin gratis oder für ein paar Cents über die Theke gehen lassen wollen. Mit der Verpflichtung will der HDE eine Richtlinie der EU-Kommission umsetzen, die den Pro-Kopf-Verbrauch an Kunststoffstüten maßgeblich reduzieren soll. Wie der HDE mitteilt, beteiligen sich zum Start am 1. Juli 260 Unternehmen. Praktisch bedeutet die Teilnehmerzahl mehr als 60 Prozent der Plastiktüten im Handel, die von der Richtlinie erfasst und beim Kauf im Geschäft in den Umlauf geraten. Ausgenommen sind besonders dünne Plastiktüten für Obst oder Gemüse beispielsweise – die bleiben gratis!
Wo müsst ihr ab Juli 2016 in Dortmund und Umgebung für eine Plastiktüte bezahlen?
Bereits zum 1. April hatte der HDE eine derartige Verpflichtung der Unternehmen im Einzelhandel geplant. Das Bundesumweltministerium erachtete diese jedoch nicht als umfassend genug. Jetzt haben beide Seiten – sowohl das Bundesumweltministerium als auch der HDE – der Vereinbarung zugestimmt.
Langfristig sollen 80 Prozent der Kunststofftüten kostenpflichtig werden. Um dies zu verwirklichen, sei es notwendig, dass weitere Branchen und Unternehmen sich an der Aktion beteiligen, so HDE-Präsident Josef Sanktjohanser in einer Mitteilung. Den Preis der Plastiktüten legen die die Händler aus kartellrechtlichen Gründen selbstständig fest. Der bewegte sich laut Sanktjohanser in der Praxis zwischen 5 und 50 Cent pro Stück. Ein Teil der Einnahmen soll Umweltprojekten zugute kommen.
Hallo Einzelhandel. Wer bei euch das Plastiktüten-Bevormundungs-Wording des BMUB auch noch aktiv übernimmt, verliert mich als Kunden.
— Oliver Fraederich (@textlastig) April 27, 2016
Selbstverpflichtung ist Selbstbetrug
Die Verordnung der EU-Kommission, auf die sich die Vereinbarung bezieht, sieht vor, dass die Mitgliedstaaten den Pro-Kopf-Verbrauch an Plastiktüten bis Ende 2019 auf 90 Tüten und bis Ende 2025 auf 40 reduzieren. Der deutsche Durchschnittsbürger verbraucht aktuell aktuell 71 Tüten pro Jahr.
Umweltschützer kritisieren den Gebrauch von Plastiktüten vor allem deshalb, weil sie biologisch nicht abbaubar sind. Polyethylen, der Kunststoff in den Plastiktüten, zersetzt sich nicht. Vielmehr gelangen kleine Partikel in die Gewässer, die von Fischen oder Vögeln gefressen werden. Die Meeresverschmutzung ist jedoch nicht das einzige Problem. In Deutschland hat sich die Menge an Kunststoffabfall nach Angaben des BUND zwischen 1994 und 2013 nahezu verdoppelt. Nicht einmal die Hälfte davon werde recycelt, der Großteil verbrannt. Wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) der Tagesschau mitteilte, seien Selbstverpflichtungen immer erfolglos gewesen. Nur eine gesetzlich festgelegte, ausreichend hohe Abgabe auf alle Tüten könne den Gesamtverbrauch reduzieren.
"Plastiktüten kosten jetzt 0,15 ct."
"Ach was, echt?"
"Ja, wegen der Umwelt"
"Find ich gut. Nehm ich noch eine."— Schnörri (@Frikadelleneule) April 16, 2016
Der HDE umfasst zudem nur etwa zwei Drittel des Einzelhandels in Deutschland. Nicht nur dieser Umstand zeigt, dass die Maßnahme des HDE und der Regierung eher unzureichend ist. Hinzukommt, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen, die vom HDE vertreten werden, sich nicht zum Verkauf von Plastiktüten im Laden bereit erklärt haben. Dabei zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „YouGov“, dass 80 Prozent der befragten Kunden gegen kostenpflichtige Plastiktüten nichts einzuwenden hätten.
Zu viel Plastik – auch an der Uni?
Viele Geschäfte gibt es zwar nicht auf dem Campus der TU Dortmund, doch auch hier muss der Kunde zahlen, wenn er eine Tüte haben möchte. Der Schreibwarenladen „Fotokopien – Pro Büro & Kopier GmbH“ im Uni-Center bietet schon seit den 90ern keine Plastiktüten mehr an und Papiertüten auch nur für ein kleines Entgelt. 15 Cent müssen die Studenten bezahlen, wenn sie Textmarker, Schnellhefter oder ihre Hausarbeit sicher transportieren wollen. Die Buchhandlung „Unibuch“ im Gebäude der Mensa bietet zwar weiterhin Plastiktüten beim Kauf an, jedoch muss auch hier der Kunde zahlen: 20 Cent pro Stück.
Regierung und Handelsverband scheinen den Ernst der Lage zu begreifen und gehen das Problem „Umweltverschmutzung“ aktiv an. Auch die Verbraucher scheinen mit der Idee der kostenpflichtigen Plastiktüte einverstanden, so die Statistik. Die Fragen, die bleiben: Ist es ausreichend, was Regierung und Handelsverband tun? Und: Kommt die Hilfe nicht längst zu spät?