Hoch hinaus auf Dortmunds „Skywalk“

Foto: Tobias Schreiner„Skywalk“ – bei diesem Namen denkt man zuerst an den Grand Canyon, oder? Wenn Touristen in luftiger Höhe, nur durch eine Glasscheibe vor dem tödlichen Absturz getrennt, atemberaubende Aussicht und die Natur erleben, sollte man vor allem eins sein: schwindelfrei. Nicht ganz so schwindelerregend ist der Skywalk im Dortmunder Süden.

Hier kann man die Industriekultur des Ruhrgebiets selbst erleben. Denn der Skywalk führt direkt auf das Areal von Phoenix West  – des stillgelegten Hochofenwerks in Hörde. Früher Arbeitsplatz von tausenden Dortmundern steht heute im Hörder Westen nur noch ein rostiges Industriedenkmal. Ruhrpottromantik pur.

Wenn man also bereit ist, für eine der regelmäßig stattfindenden Führungen 15 Euro zu bezahlen, kann über 99 Stufen in 26 Metern Höhe gelangen und eine tolle Aussicht über Dortmund genießen. Bei klaren Wetterbedingungen reicht die Aussicht vom Signal Iduna-Park über den Westfalenpark und den gemütlichen Dortmunder Stadtteil Hörde.

Phoenix-Gelände soll Innovationsstandort werden

Über das ehemalige Gasrohr, auf dem der Skywalk montiert ist, gelangt man in das abgezäunte Areal der ehemaligen Kokerei. Hier wurde bis 1998 Roheisen produziert, dass im Stahlwerk Phoenix-Ost (dort liegt jetzt der Phoenix-See) zu Stahl weiterverarbeitet wurde. Die beiden knapp 100 Meter hohen Hochöfen ragen über den Phoenix Park, ein weitläufiges Gebiet von über 200 Hektar.

Hier will das Land NRW einen Technologie- und Gewerbepark bauen, der in enger Kooperation mit Universität und Fachhochschule, sowie dem Technologiezentrum, jungen Start-Up-Unternehmen einen attraktiven Standort bieten soll. Das geplante Gewerbegebiet ist als Ergänzung zum freizeit-orientierten Gebiet um den Phoenix-See geplant.

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Hoch oben auf dem Skywalk fallen einem als erstes drei Dinge auf:

  1. Wow, das Ruhrgebiet ist ja viel grüner als alle erzählen!
  2. Schwindelerregend ist der Skywalk nicht wirklich – mit den hohen Geländern und der breiten Trittfläche ist ein bombenfester Halt garantiert.
  3. Wo zum Teufel kommen die ganzen Graffiti her? Also die in 30 bis 50 Meter Höhe. Ohne irgendwelchen Halt in der Nähe.

Zur Frage mit der Sprühkunst: Das Hochofenwerk ist tatsächlich ein beliebtes Ziel von Sprayern, die hier verbotenerweise und zu später Stunde klammheimlich die Hochöfen hinaufklettern und sich per Initialen oder eigener Kunst auf dem stählernen Riesen verewigen. Ungefährlich ist das nicht – ganz im Gegenteil: In den letzten Jahren sind bereits zwei junge Sprayer bei ihren waghalsigen Aktionen abgestürzt und tödlich verunglückt. Also bitte nicht nachmachen!

Eindrucksvolle Industriegeschichte: Mitten im Hochofen

Der Höhepunkt der Führung ist (abgesehen vom Skywalk selbst) der betretbare Hochofen des Werks. Wenn man sich vorstellt, dass an der Stelle, wo man gerade steht, noch vor nicht allzu langer Zeit ca. 2000 Grad heißes Eisen gekocht wurde, bekommt man erst einen Eindruck von den widrigen Arbeitsbedingungen der Menschen, die dort ihr Tagewerk verrichteten.

Die Temperaturen waren so unglaublich heiß, dass sich sogar die stählernen Treppenstufen in der Nähe des Hochofens verformten. Selbst mit der dicksten Schutzkleidung durften die Arbeiter hier nur wenige Minuten ohne Pause malochen. Die jahrelange körperliche Belastung hatte ihre Konsequenzen: Wenige der Arbeiter wurden besonders alt. Was für den Bergmann die Staublunge ist, war hier die gesundheitliche Belastung durch die wahnsinnig hohen Temperaturen.

Nach gut 90 Minuten ist die Führung schon vorbei. Schade, denn die freundliche Skywalk-Führung hätte sicherlich noch genug Erzählstoff für die ein oder andere Stunde mehr parat gehabt.

1 Comment

  • bernadette klabes sagt:

    Hallo Herr Schreiner,

    herzlichen Dank für die wohlgewählten Blickwinkel bei den sehr gut gelungenen Fotos! Ich war auch bei der Führung dabei (die Frau mit den Seifenblasen :-)).
    Ich habe den Link bereits an Freunde weitergeleitet um sie durch Ihren unterhaltsam-informativen Bericht in knackiger Länge für diese Führung zu begeistern.

    Viele Grüße
    Bernadette Klabes

    PS: Könnten sie mir das Bild mit den Seifenblasen wohl für private Zwecke in druckfähigem Dateiformat/-größe zukommen lassen? Danke dafür.

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