Im Teufelskreis der Angst

Konfrontation mit der Angst

Nach drei Monaten Abgeschiedenheit hat auch Jonas gemerkt, dass er etwas an seiner Situation ändern muss: „Mir war klar, dass wenn ich jetzt nichts unternehme, alles nur noch schlimmer wird. Sehr viel schlimmer.“ Also suchte er sich professionelle Hilfe bei einem Psychotherapeuten. Lange Gespräche und viele ausgefüllte Fragebögen später war die Diagnose schließlich gestellt: Sozialphobie. Doch obwohl Jonas nun endlich eine Bezeichnung für sein Problem hatte, wusste er, dass ihm eine Therapie allein nicht weiter helfen kann: „Psychotherapie ist für mich nicht unbedingt die Lösung. Ich muss selbst aktiv werden.“

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Auch Nicole Hanfland behandelt auf Basis der kognitiven Verhaltenstherapie ihre Patienten, indem diese aktiv ihren Sorgen begegnen müssen. Entsprechend werden die Betroffenen direkt mit einer Situation konfrontiert, die sie sonst meiden.

„Je öfter ein Patient ein solches Ereignis durchläuft, desto deutlicher wird ihm, dass es ja gar nicht so schlimm ist. Entsprechend wird die Furcht beim nächsten Mal auch nicht so stark und sinkt schneller“, erklärt Hanfland. 

Ziel 1: Freundeskreis aufbauen. Erreicht.

Um überhaupt aus dem Teufelskreis der Angst ausbrechen zu können, braucht es viel Kraft und Motivation. Seit knapp einem Jahr ist er Mitglied bei Sopha – der Dortmunder Selbsthilfegruppe für Menschen mit sozialen Ängsten. Ein Mal pro Woche planen die rund 50 Mitglieder der Gruppe Ausflüge und Treffen, an denen jeder freiwillig teilnehmen kann. Diese regelmäßigen Freizeitaktivitäten und der Austausch mit anderen Betroffenen helfen ihm sehr dabei, seine Ängste zu überwinden, erzählt Jonas stolz. „Im Moment stelle ich sehr große Fortschritte bei mir fest. Ich habe mittlerweile sogar so eine Art Freundeskreis an der FH und auch privat. Das war schon mal eines meiner großen Ziele.“

Seit diesem Wintersemester ist er an der Fachhochschule in Dortmund eingeschrieben. Obwohl Jonas inzwischen keine Angst mehr vor dem Studienalltag hat, fällt ihm der Gang zur FH teilweise noch sehr schwer. „In jeder Übung, in jedem Seminar und jeder Vorlesung gibt es immer andere Menschen, mit denen man zu tun hat. Das ist für mich immer noch eine große Herausforderung. Aber mittlerweile habe ich das doch ganz gut im Griff.“ In eine Disko beispielsweise will er jedoch nicht: „Das wird für mich immer eine Stresssituation bleiben.“

Ein Teil des Charakters

Ziel einer Therapie sei sowieso nicht, dass ein Patient komplett angstfrei wird, erklärt Nicole Hanfland. Betroffene sollen vielmehr ihr „Vermeidungsverhalten“ ablegen. Je nach Persönlichkeit würden die Patienten immer sensibel für bestimmte Situationen bleiben. „Das ist ja auch gut so. Schließlich ist diese Sensibilität auch ein Teil des Charakters eines Betroffenen“, sagt Hanfland.

Anstelle eines Besuchs in einer überfüllten Disko hat Jonas daher andere Hobbys. In seiner Freizeit arbeitet er als Bühnentechniker an einem Amateurtheater. Außerdem nimmt er am Hochschulsport teil. Von der Sozialphobie hat Jonas bisher Niemandem aus seinem persönlichen Umfeld erzählt. Dafür hat er noch nicht genügend Vertrauen aufbauen können. Auch sein zweites großes Ziel, eine Beziehung, hat er bisher noch nicht erreicht. Trotzdem ist Jonas zufrieden: „Im Moment fühle ich mich ganz gut. Es könnte zwar etwas besser sein, aber im Großen und Ganzen denke ich, dass ich das Schlimmste hinter mir habe.“

*Name von der Redaktion geändert

 

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