Viele Wege führen zur Polizei. Matthias-Maximilian Hartmann (25) hat Architektur studiert und geht jetzt auf Streife. Sein Kollege Lars Korspeter (28) begann direkt nach dem Abitur die Ausbildung und steht jetzt als Bereitschaftspolizist bei Fußballspielen und Demonstrationen zwischen den Fronten. Freund und Helfer oder ungeliebte Ordnungshüter? Die beiden jungen Polizisten sprechen über Ausbildung, Emotionen und die Macht der Medien.

Unterschiedliche Wege: Matthias-Maximilian Hartmann hat zuerst Architektur studiert. Sein Kollege Lars Korspeter hat seine Ausbildung direkt nach dem Abitur begonnen. Foto: Matthis Dierkes.
pflichtlektüre: Herr Hartmann, Sie haben zunächst drei Jahre Architektur studiert, bevor Sie sich für eine Ausbildung bei der Polizei entschieden haben. Ist das der richtige Weg?
Hartmann: Das ist ganz individuell. Manch einer hat mit 18 Jahren schon einen so gefestigten Charakter, dass er jede Aufgabe bei der Polizei meistern kann. Anderen tut es gut, wenn sie zuerst noch ein bisschen reifer werden.
pflichtlektüre: Hat denn jeder das Zeug zum Polizisten?
Korspeter: Ein ganz normaler Mensch sein, das reicht vollkommen. Man muss fit sein, und in Nordrhein-Westfalen braucht man für den gehobenen Dienst Abitur. Das heißt aber nicht, dass man in der Schule ein Überflieger sein muss. Wichtig ist, dass man mit Menschen umgehen kann, kommunikativ ist und ein Werteverständnis hat. Wer am Ende nicht genommen wird, muss sich aber keine Vorwürfe machen. Dann passt man einfach nicht in das „Raster“.
pflichtlektüre: Im Einsatz stehen Sie oft zwischen zwei Lagern. Kann man da immer neutral bleiben?
Korspeter: Wenn ich die Uniform trage, schaue ich durch eine neutrale Brille. Ich merke das immer wieder im Stadion. Wenn ich da selbst als Fan hingehe, fiebere ich mit. Sobald ich im Dienst bin und mein Verein spielt, jubel ich bei Toren nicht mit. Dann konzentriere ich mich auf die Tribüne und behalte die Situation im Auge. Egal, ob beim Fußball, bei linken oder rechten Demonstrationen: Als Polizist muss ich mich immer im Griff haben.

2010 wurden in Nordrhein-Westfalen knapp 15 % der Bewerber in den Polizeidienst übernommen. Grafik: Fabian Karl.
pflichtlektüre: Ist es für einen jungen Menschen nicht unglaublich schwierig, diese Professionalität zu erlernen?
Korspeter: Das ist es. Aber man lernt mit jedem Einsatz dazu. Und ich glaube, dass auf diese Eigenschaft auch bei den Auswahlverfahren geachtet wird. Dass Typen eingestellt werden, bei denen man davon ausgeht, dass sie jeder Situation gewachsen sind.
pflichtlektüre: Stuttgart 21 oder die jüngsten Castor-Transporte haben ordentlich am Bild des Freund und Helfers gekratzt. Merken Sie, dass sich die Einstellung der Bevölkerung Ihnen gegenüber verändert hat?
Korspeter: Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich glaube, dass die Polizei bei älteren Menschen nach wie vor ein sehr hohes Ansehen genießt. Bei den Einsätzen der Bereitschaftspolizei haben wir es mittlerweile aber mit sehr vielen jungen Menschen zu tun. Viele gehen gemeinsam zu Fußballspielen und engagieren sich bei politischen Veranstaltungen. Falls das Ansehen der Polizei bei einer Gesellschaftsgruppe derzeit nicht ganz so gut ist, dann sicherlich bei der jüngeren Generation.
pflichtlektüre: Erleben Sie das im Streifendienst auch so?
Hartmann: Nein, nicht ganz. Denn wir werden sehr häufig gerufen, um den Menschen in Gefahrsituationen zur Seite zu stehen. Mit der Streifenpolizei wird daher viel häufiger der „Freund und Helfer“ in Verbindung gebracht.

Stuttgart 21 oder Gorleben: In letzter Zeit steht die Polizei häufig in den Schlagzeilen. Collage: Matthis Dierkes
pflichtlektüre: Die Polizei wurde bei den Einsätzen um Stuttgart 21 und die Castor-Transporte heftig kritisiert. Auch in den Medien. Zurecht?
Korspeter: Wir verfolgen die Berichterstattung über diese Ereignisse ganz bewusst und interessiert. Und wir fragen uns auch häufig: Warum werden jetzt gerade diese Bilder gezeigt und vielleicht andere nicht? Dann werden einfach nur die spektakulären Bilder gezeigt, einschreitende Polizisten, die gegen Demonstranten vorgehen müssen.
Wir würden uns freuen, wenn die Berichterstattung manchmal objektiver wäre und ersichtlich würde, warum die Polizei etwas macht.
Wir resignieren aber auch nicht. Die Medien sind nun mal die Medien und machen ihre Berichterstattung. Uns ist wichtig, dass wir gute Arbeit leisten.
Ein Interview von Fabian Karl und Matthis Dierkes.
Das „Raster“ bei der Polizei-Ausbildung
„Ein ganz normaler Mensch“ zu sein, reicht nicht ganz aus. Wer nicht durch das Raster fallen will, der muss einige Auflagen erfüllen: So sind Vorstrafen tabu, man muss aus „polizeiärztlicher“ Sicht als „diensttauglich“ befunden werden, sowohl das Sport- als auch ein Rettungsschwimmabzeichen gemacht haben, und man braucht Abitur oder Fachhochschulreife. Hinzu kommen körperliche Mindestvoraussetzungen. Frauen dürfen nicht kleiner als 1,63 Meter sein. Männer müssen mindestens 1,68 Meter groß sein. Und zudem sollte der Body-Mass-Index irgendwo zwischen 20 und 25 liegen. Der Weg zur Ausbildung im Detail steht auf den Internet-Seiten der Polizei Nordrhein-Westfalen:
Grundvoraussetzungen
Intelligenztest, Fitnesstest und Assessment-Center
Duales Studium (PDF)
Gewalt gegen Polizeibeamte
Eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) aus dem vergangenen Jahr untersuchte die Gewalt gegen Polizisten in Deutschland. Danach ist die Zahl der im Dienst schwer verletzten Polizisten in den letzten fünf Jahren um 60 Prozent gestiegen. 87 Prozent der 22.500 befragten Beamten gaben an, 2009 bedroht oder beleidigt worden zu sein, mehr als ein Viertel wurde im Dienst getreten oder geschlagen, und jeder 50. Polizist (2%) wurde mit einer Schusswaffe bedroht. Die Täter seien dabei jünger als noch vor einigen Jahren und bei ihren Angriffen immer öfter betrunken.
Unglaublich: Um Polizist zu werden reicht es nicht „ein ganz normaler Mensch” zu sein – „Vorstrafen sind tabu“.
Coole Idee! : )