StuPa Uni DUE: Showdown vor Gericht

Von Julia Knübel und Hannah Sanders

An der Uni Duisburg-Essen herrscht weiter Chaos: Der Allgemeine Studierendenauschuss verklagt Rektorat und Kanzler. Zusätzlich ermittelt die Staatsanwaltschaft Essen gegen Mitglieder der Studentenvertretung. Der Vorwurf: Korruption und Veruntreuung von Studentengeldern.

Bernd Thunemeyer wurde als Vermittler eingesetzt. Fotos: Florian Hückelheim

Bernd Thunemeyer wurde im Mai 2011 als Moderator eingesetzt. Fotos: Florian Hückelheim

Das Chaos rund um das Studierendenparlament (StuPa) an der Universität Duisburg-Essen (UDE) verschärft sich. Es handelt sich dabei nicht mehr nur um Meinungsverschiedenheiten. Die Konflikte haben sich zu juristischen Auseinandersetzungen entwickelt.

Was war passiert? Im StuPa Duisburg-Essen gibt es seit mehr als einem Jahr Probleme. In den vergangenen Monaten blockierten endlose Streitigkeiten zwischen den Fraktionen die Arbeit der Studentenvertreter. Wie die Sitzungsprotokolle zeigen, endeten die Diskussionen regelmäßig in gegenseitigen Beschimpfungen: „Nur weil der B. noch keine Frau angefasst hat, darf er ihr doch nicht das Wort verbieten“ oder auch „L. hält C.s Demokratieverständnis für pervers und empfiehlt ihm, in einen diktatorischen Staat zu ziehen.“ Das Arbeitsklima war vergiftet. Schließlich musste sogar der Wahltermin verschoben werden. In dieser verfahrenen Situation wandte sich der Vorsitz des Allgemeinen Studierendenauschusses (AStA) an die Hochschulleitung.

Hilfe von Außen war früher undenkbar

Als Dr. Bernd Thunemeyer, der Vertreter der Hochschulleitung, davon hörte, konnte er sich zunächst ein Lachen nicht verkneifen. Studentenvertreter, die das Rektorat um Hilfe bitten müssen? „Früher wäre das undenkbar gewesen.“ Er war zu seiner Studienzeit selbst in Fachschaftsgremien aktiv. „Wir hatten ganz ähnliche Konflikte. Aber wir mussten nicht das Rektorat in Anspruch nehmen. Da muss man doch mal miteinander reden.“ Diese Idee fand auch UDE-Rektor Prof. Ulrich Radtke gut, der Thunemeyer im Mai 2011 zum Moderator berief. Er sollte die zerstrittenen Parteien an einen Tisch bringen, um einen Wahltermin auszuhandeln. „Die Diskussionsrunden waren sehr konstruktiv, alle sind der Einladung gefolgt“, erklärt Thunemeyer. Für November stand dann der Wahltermin fest.

In den folgenden Monaten spitzte sich die Lage erneut zu: Der Streit wanderte vor Gericht. Da ist einmal die Klage des AStA gegen den Kanzler: Ausgangspunkt dafür sind die Genehmigungen einiger StuPa-Sitzungen. Sowohl Opposition als auch Regierung nahmen Abweichungen von der Geschäftsordnung oder den Satzungsvorschriften immer wieder zum Anlass ganze Sitzungen für ungültig zu erklären. Ob eine Einladung einen Tag zu spät verschickt wurde oder der Tagungsort kurzfristig geändert werden musste: Stets fanden die Unzufriedenen einen Grund die Sitzungen anzufechten.

Asta-Chef wollte Parlament auflösen

Entscheidend ist: Nach einer Frist von 61 Tagen ohne gültige StuPa-Sitzung muss sich das Parlament auflösen und Neuwahlen durchführen. Dazu wäre es bereits gekommen, ginge es nach dem Willen von AStA-Chef Jens Eißmann. Dieser hatte die StuPa-Sitzungen von Mai bis August aufgrund eben solcher formaler Fehler angefochten. So hätte das StuPa die vorgeschriebene Zeitspanne von 61 Tagen überschritten und wäre dadurch nur noch kommissarisch im Amt gewesen. Es hätte nur noch die Neuwahlen vorbereiten dürfen, sonst aber keine weiteren Beschlüsse fassen können.

Der Asta der Uni Duisburg-Essen ist eine der Konfliktparteien.

Der Asta der Uni Duisburg-Essen ist eine der Konfliktparteien.

Aber das StuPa kam erst gar nicht in die Situation, nur kommissarisch zu tagen. Denn auf die Klage hin, wandte sich StuPa-Präsident Felix Hesse per E-Mail an die Hochschulleitung. Hesse, als JuSo (Jungsozialisten) Mitglied der parlamentarischen Opposition, bat den Kanzler um eine Stellungnahme zu den Beanstandungen. Vom Kanzler erhielt er folgende Rückmeldung: „Nach Prüfung der uns bekannten Einwendungen teile ich Ihnen mit, dass die StuPa-Sitzung stattfinden kann. Die Beanstandungen werden vom Rektorat bzw. dessen Vertretern abgelehnt!“ Felix Hesse nahm dies als Rechtsgrundlage für die weiteren Sitzungen des StuPa bis zu den Wahlen im November. Der Beschluss des Kanzlers hatte die Beanstandungen von AStA-Chef Jens Eißmann aufgehoben. Dieser reichte anschließend zusammen mit Finanzreferent Boris Schön beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Klage ein – gegen die Universität Duisburg-Essen und gegen den Kanzler. Die Parlamentarier haben auf ihrer Sitzung im Oktober einen Antrag auf Rückzug dieser Klage gestellt. Ob Jens Eißmann die Klage tatsächlich zurückzieht, bleibt abzuwarten. Er wollte trotz mehrfacher Anfragen keine Stellung zu den Vorfällen nehmen.

Verwaltungsgericht und Staatsanwaltschaft eingeschaltet

Doch nicht nur das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen befasst sich mit den Querelen um StuPa und AStA, auch die Staatsanwaltschaft Essen hat sich mittlerweile eingeschaltet: Sie hat ein anonymes Schreiben erhalten, das der pflichtlektüre vorliegt. Der Verfasser des sechsseitigen Dokuments erhebt unter dem Pseudonym „Sumpfgeist“ schwere Vorwürfe, die teilweise bis ins Jahr 2004 zurückreichen. Er bezichtigt einige AStA-Mitglieder der Korruption und der Veruntreuung von Studentengeldern. So sollen diese beispielsweise AStA-Mittel für private Zwecke genutzt haben, die dann im Haushalt „kreativ verbucht“ wurden. Die Staatsanwaltschaft Essen hat der pflichtlektüre bestätigt, dass sie ermittelt, wollte zum derzeitigen Stand jedoch keine weiteren Auskunft geben.

Einer der Hauptbeschuldigten im „Sumpfgeist“-Schreiben ist Boris Schön. Der anonyme Verfasser klagt an, Schön sei kein Student mehr und arbeite trotzdem für ein studentisches Gremium. Schön ist Finanzreferent des AStA und gleichzeitig Geschäftsführer der AStA Service GmbH, die im Auftrag des AStA das KKC (Kunst- und Kulturcafé) auf dem Campus der UDE betreibt. Diese Doppelbesetzung bezeichnet „Sumpfgeist“ als „bedenklich“, da Gelder zwischen AStA Service GmbH und AStA hin und her geschoben würden – ohne jegliche unabhängige Kontrolle. ‚Sumpfgeist‘ behauptet weiter, Schön habe Gelder der Studierendenschaft für eigene Zwecke genutzt. So hätte er mehrere GmbHs gegründet und wäre mittlerweile sogar Besitzer eines Hotels an der Ostsee. Auf der Internetseite von besagtem Hotel wird Boris Schön als Verantwortlicher genannt. „Pension Mira“ besteht im Übrigen aus „9 gemütlichen Doppelzimmern, sowie 2 kuscheligen Einzelzimmern“ – einige sogar mit „herrlichem Balkon“.

Diskussion um Boris Schön

Inwieweit die Vorwürfe des „Sumpfgeist-Schreibens“ zutreffend sind, muss nun die Staatsanwaltschaft überprüfen. Eines zumindest ist Fakt: Wie aus den Sitzungsprotokollen hervorgeht, war Boris Schön im StuPa kaum anwesend. Während der Recherchen der pflichtlektüre war er außerdem weder telefonisch noch per E-Mail für eine Stellungnahme zu erreichen. Als er letztendlich doch auf die wiederholten Anfragen reagierte, verwies er auf seinen vollen Terminkalender und darauf, dass die pflichtlektüre ohnehin eine „journalistisch nicht ausgewogene Berichterstattung“ betreibe. Wie er zu dieser Einschätzung kommt, bleibt allerdings sein Geheimnis, da er weiter schrieb: „Ich habe Ihr Blatt bislang vermieden zu lesen.“

Der anonyme Hinweisgeber schickte das „Sumpfgeist-Schreiben“ außer an die Staatsanwaltschaft auch an verschiedene Medien, unter anderem an die Süddeutsche Zeitung, die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) und den Westdeutschen Rundfunk (WDR). Auch die Landespressestellen von CDU, SPD, FDP und Grünen erhielten eine Kopie. Die Staatsanwaltschaft hat indessen Ermittlungen gegen den ‚Sumpfgeist‘-Autor aufgenommen, wegen falscher Verdächtigungen.

An der Universität Duisburg-Essen ist der Streit um die StuPa-Wahö verhärtet.

An der Universität Duisburg-Essen ist der Streit um die StuPa-Wahl verhärtet.

Studenten wissen nicht viel über den Fall

Derweil geht das Leben am UDE-Campus weiter, ohne dass einer größeren Anzahl der Studenten der Fall bekannt wäre: Die pflichtlektüre hat Studenten nach ihrer Meinung zu den Konflikten um StuPa und AStA gefragt. Fazit: Von den Vorwürfen und der juristischen Auseinandersetzung wusste niemand etwas. Dennoch fiel das Urteil über die Studenten-Vertretung nicht gerade positiv aus. „Vom AStA habe ich noch nie etwas bemerkt. Wenn der nicht da wäre, wäre das wahrscheinlich auch kein Unterschied“, meinte beispielsweise Martin, Lehramtsstudent im 9. Semester. Und Jason, 1. Semester Mathe, sagte: „Mit Hochschulpolitik habe ich mich noch nie auseinandergesetzt. Ich weiß gar nicht, was da los ist.“ Und die Wahl? „Ich gehe nicht wählen, ich wüsste gar nicht, wen“, so Julian, 3. Semester Anglistik.

Ein Ende der Querelen hatte sich Bernd Thunemeyer durch die Neuwahlen im November erhofft, die jedoch auch eine Woche später noch für gültig erklärt sind. Vom Sumpfgeist-Schreiben hält Thunemeyer persönlich nicht viel. „Da sieht man ja, wie so was eskaliert. Wenn die Vorwürfe zutreffen, muss das natürlich entsprechend verfolgt werden. Aber wir leben in einem Rechtsstaat und bis zum Urteil gilt die Unschuldsvermutung.“ Das Hauptproblem seien die endlosen Diskussionen im StuPa, die eine konstruktive Arbeit verhindern. „Wir reden ja auch über viel Geld, und zwar studentisches Geld!“ Mit dem Taschenrechner rechnet er vor: „Es geht um fast eine Million Euro jährlich. Da kann ich doch die legitime Erwartung haben, dass ich dafür auch gute Arbeit kriege.“ Er setzt darauf, dass bei den Neuwahlen neue Gesichter ins StuPa kommen und die persönlichen Fehden ein für alle Mal beendet werden. Dann könnten die Studentenvertreter wieder das tun, wofür sie eigentlich da sind: Die Studenten zu vertreten.