Duell am Donnerstag: TV-Erlöse in der Premier League – Chance oder Risiko?

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Mai 2015: Der im Prinzip schon sichere Wechsel von Mittelfeldspieler Gökhan Inler vom SSC Neapel zum FC Schalke 04 platzt in letzter Sekunde. Inler hat sich damit nicht etwa gegen das Ruhrgebiet oder die boomende Bundesliga entschieden, sondern offensichtlich schlicht für den besseren Vertrag: Den Zuschlag erhält letztlich Leicester City aus der englischen Premier League. Auf das erste Augenreiben folgt bald das große Entsetzen: Wie kann ein Klub, der in der vergangenen Saison nur knapp dem Abstieg entkommen konnte, wirtschaftlich stärker als Europapokal-Teilnehmer Schalke sein? Möglich macht’s ein für die englischen Vereine exzellent
dotierter Fernsehvertrag. Ab der kommenden Saison kassieren die englischen Klubs insgesamt annähernd sieben Milliarden Euro allein für die 
Ausstrahlung der Spiele im TV. Deutsche Fans und Vereinsvertreter fürchten jetzt um die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich.

„Wein doch nicht, geliebte Bundesliga“,

findet Henrik Wittenborn

Um die Gründe für die Diskrepanz zwischen den TV-Verträgen der deutschen und englischen Erstliga-Klubs grundsätzlich zu verstehen, reicht scheinbar schon die Hilfe eines einfachen volkswirtschaftlichen Prinzips: Konkurrenz belebt das Geschäft! So zumindest in England geschehen. Schon im Jahr 2005 zerschlug die EU-Kommission in Brüssel das Monopol des Senders Sky und legte fest, dass die Spiele der Premier League von mindestens zwei Anbietern übertragen werden muss. Auch nach dem Ende der Regelungen hielten die Vermarkter der Liga weiter am bewährten Prinzip fest. Die Rechte werden immer wieder neu ausgeschrieben, Interessenten gibt es genug. Zahlen müssen beide Unternehmen kräftig: Ein einziges Spiel kostet die übertragenen Sender umgerechnet mehr als 13 Millionen Euro. Ein Wettbewerb, bei dem sich letztlich die stärksten durchsetzen – Marktwirtschaft eben. 

Engländer sind bei Vermarktung cleverer

Dass die britischen TV-Sender immer weiter und höhere Summen für die Übertragungsrechte zahlen, kommt nicht von ungefähr. Die englische Premier League ist deutlich stärker auf finanzstarke Vermarktung ausgerichtet. Spieltage werden bereits seit Jahren stark entzerrt und die zehn Partien über das gesamte Wochenende verteilt. Während Ansetzungen am späten
Montagabend in England längst Gewohnheit sind, wird in Deutschland heftig 
über die weitere Ausdehnung der Bundesliga-Spieltage diskutiert. Die Thematisierung führt in Deutschland
derweil immer wieder zu großen Diskussionen. Fans wehren sich gegen die fanunfreundlichen Anstoßzeiten. Will man dauerhaft mit der Premier League in Sachen TV-Verträgen mithalten, kann darauf künftig wohl keine Rücksicht mehr genommen werden.

Denn dafür ist der Rückstand in Sachen Vermarktung schlicht zu groß. Nicht erst mit dem unterzeichneten TV-Vertrag über sieben Milliarden Euro ist klar, dass ein beträchtlicher Teil des Geldes nicht in England oder Europa, sondern auf dem asiatischen Markt zu verdienen ist. Die Vermarkter haben dieses Potenzial schlicht zuerst erkannt und sich wichtige First-Mover-Vorteile verschafft – womit wir von der Volkswirtschaft ins Marketing springen. 

Chance für den deutschen Fußball
 
Derweil bekämpft man sich in Deutschland offenbar gegenseitig: Erst in dieser Woche forderten die nimmermüden Revoluzzer vom FC St. Pauli, dass Werksklubs wie Bayer Leverkusen oder der VfL Wolfsburg künftig keinerlei Fernsehgelder mehr erhalten. Der Kampf tobt gegen- und nicht etwa miteinander. Bei allem Ärger über das finanzielle Ungleichgewicht gerät das eigene Potenzial der deutschen Vereine fast schon in Vergessenheit: Wer an den deutschen Fußball glaubt, kann im finanziellen Überfluss der Briten, mit denen teure Stars in die Premier League geholt werden, sogar eine erstklassige Chance sehen: Deutsche Talente bekommen so unter Umständen regelmäßiger die Möglichkeit, sich in der Bundesliga zu beweisen und sich zu entwickeln. Und das kann nicht nur der Nationalmannschaft auf dem Weg zu weiteren Titeln nach der Weltmeisterschaft helfen.
Und mal ernsthaft: Völlig egal, in welche jetzt noch ungeahnten Höhen die englischen TV-Verträge in den kommenden Jahren noch schießen mögen, am Ende greift kein Gesetz der Volkswirtschaft und kein Prinzip des Marketings. Entscheidend bleibt auf dem Platz und da gilt immer noch: Geld allein schießt keine Tore!

 

„Es geht immer nur ums liebe Geld“,

findet Henning Barth

Der deutsche Profi-Fußball steht an einem Scheideweg. Was tun, um nicht in einer Bedeutungslosigkeit zu versinken? Mit den astronomisch gewordenen Fernsehgeldern in der Premier League droht der Bundesliga die Wettbewerbsunfähigkeit. „Eine der besten Ligen“ in Europa könnte dann nur einer der vielen, eher unbedeutenden Ligen, weit hinter Englands höchster Spielklasse werden.

Wahnwitzige Ablösesummen und verrückte Gehälter – der Profifußball rückt von der ehemals schönsten Nebensache der Welt ab, hin zu einer gigantischen Geschäftswelt. Durch den neuen Fernsehvertrag der Premier League droht diese Entwicklung noch schnellere Züge anzunehmen und in einer Perversion zu enden, die jedem „wahren“ Fußball-Fan und den oft beschriebenen Fußball-Romantikern widersagt. Weg von Taktik und Training – hin zum reinen Managerspiel. Jeder englische Mittelklasse-Club wird einen deutschen Mitbewerber locker überbieten, wenn es um begehrte Spieler geht. Macht der Engländer sein Portemonnaie auf, können die deutschen Clubs gleich mit der nächsten Bahn von den Vertragsgesprächen nach Hause fahren.

Leere Stadien für volle Kassen

Doch wie soll man darauf reagieren? Schon kurz nach der Bekanntgabe wurde fleißig an Szenarien gefeilt, die man vorantreiben könnte, um mitzuhalten. Der Ligaverband DFL kündigt als Folge dieser Entwicklung gerne „unpopuläre Maßnahmen“ an, um Schritt zu halten. Heißt – egal was aufgrund dieser Vorgänge entschieden wird, es wird nicht auf hundertprozentige Gegenliebe stoßen. Wie die Umverteilung der Spiel-Ansetzungen. Für den Geschäftsführer des VfL Wolfsburg, Klaus Allofs, ist die weitere Aufsplittung der Spieltage in der Bundesliga eine Möglichkeit, höhere Fernsehgelder zu generieren und so finanziell Anschluss zu halten. Zurzeit werden die neun Partien an jedem Wochenende zu fünf verschiedenen Terminen angepfiffen. Bei einer Neuausrichtung kämen Spiele um 12 Uhr mittags oder gar am Montag-Abend hinzu. Termine, die für Zuschauer in den Stadien höchst unattraktiv sind. Leere Stadien für volle Kassen? Eifern wir England nach, ist der einzige Leidtragende der Fan. Der, der den Fußball erst zu dem macht, was er ist. Denn überteuerte Ticketpreise in den Stadien, zerrüttete Spieltage und eine nicht sehr erfolgreiche Nationalmannschaft will keiner. Das könnte böse enden.

Erst im Sommer ist der Star der letzten Bundesliga-Saison für über 75 Millionen Euro auf die Insel gewechselt. Nicht nur das. Nach Informationen der „Sun“ soll Kevin de Bruyne rund 380.000 Euro verdienen. Nicht etwa im Monat – in der Woche! Im Doppelpass auf Sport1 hat sich der Sportvorstand des VfB Stuttgart, Robin Dutt kritisch geäußert: „Er weiß doch gar nicht mehr, was er entscheidet. Irgendwann platzt die Blase.“ Er fordert, wie viele, Obergrenzen bei Transfersummen und bei den Gehältern. Zum einen würde dann kein Spieler mehr auf andere schauen und vergleichen. Zum anderen könnten sich die Gehälter nicht so einfach hochschaukeln.

Schlechtes Vorbild England

England hat Geld, ja. Bald haben sie noch viel mehr Geld. Das bringt ihnen in jeglichen Verhandlungen die bestmögliche Ausgangssituation. Doch neben dieser sportlichen Gefahr für die Bundesliga besteht ebenfalls die des Nacheiferns des englischen Turbo-Kapitalismus. Geht man dort mit, muss man auch die etlichen negativen Begleiterscheinungen beachten – und mit ihnen leben. Egal wie die Zukunft aussieht, für den Fan kann es nur schlimmer werden!

das-duell-feederFoto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Brinkmann/Schweigmann 
Teaserfoto: flickr.com/Marco Verch

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