Warum ist Lachen ansteckend?

Ein gewöhnlicher Tag: Ich sitze in der wie immer überfüllten S-Bahn zur Uni. Mir gegenüber sitzt ein Kommilitone und liest Zeitung. Plötzlich verfällt er in einen Lachanfall und fängt an, loszuprusten. Obwohl ich nicht weiß, was der Kommilitone da Lustiges in der Zeitung entdeckt hat, dauert es nicht mehr lange, bis ich selbst grinsen muss. Warum ist das so – warum ist Lachen ansteckend?

Foto: flickr.com/Andreas Peter Köhler

Das Gehirn des Affen spiegelt die Bewegung des Menschen wider. Foto: flickr.com/Andreas Peter Köhler; Teaserbild: Katrin Ewert (abgebildet: Pola Badorrek und Anke Kirberg (v.l.)

Grund dafür sind Spiegelneuronen, besondere Nervenzellen in unserem Gehirn. Wenn ich selbst lachen muss, wird erst einmal das Nervensystem angeworfen und bestimme Neuronen, also Nervenzellen im Gehirn werden aktiv. Wenn nun mein Gegenüber anfängt, zu lachen, werden genau die selben Neuronen angeworfen, als würde ich selbst losprusten.

Dieses Phänomen nennen Forscher Spiegelneuronen: „Diese besonderen Neuronen spiegeln die gesehene Handlung in das eigene Gehirn hinein“, erklärt Monika von Düring, Professorin für Neuroanatomie an der Ruhr-Universität Bochum. Die Mimik des Gegenübers wird also durch die Spiegelneuronen interpretiert und im Gehirn simuliert. In den meisten Fällen wird das Simulierte dann auch ausgeführt – wir lachen mit.

Deswegen empfinden wir Mitgefühl

Die Spiegelneuronen werden aber nicht nur bei Lachen und Freude angeworfen. Auch bei Trauer oder Schmerz des Gegenübers kommen die besonderen Neuronen ins Spiel. Fällt jemand auf der Straße hin und verzieht schmerzhaft das Gesicht, empfinden wir Mitgefühl und versuchen zu helfen. „Auch hier spiegeln die Neuronen das Hinfallen in unser Gehirn hinein“, erläutert Prof. Monika von Düring.

Foto: flickr.com/SimplyScience

So sehen Neuronen im Gehirn aus. Foto: flickr.com/SimplyScience

Die speziellen Neuronen spielen also eine ganz wichtige Rolle für das soziale Miteinander, das Verständnis und unsere Intuition anderen gegenüber. „Wenn man jemanden zum Beispiel sehr attraktiv oder sympathisch findet“, erklärt die Professorin für Neuroanatomie, „übernehmen wir die Mimik und Gestik des anderen unbewusst.“ Das passiert, weil die Spiegelneuronen dann besonders aktiv sind.

Und dieses Wissen hat eine große Bedeutung für die Medizin. Denn die Wissenschaftler können nicht nur erklären, warum lachen ansteckend ist und warum man Mitgefühl entwickelt: „Wenn man die Zusammenhänge kennt, kann man das in der Medizin therapeutisch anwenden“, sagt Prof. Monika von Düring. Ein Beispiel sei laut der Professorin der Autismus. Denn wenn die Spiegelneurone nicht vollständig ausgebildet sind, gibt es große Defizite: Dann hat man Schwierigkeiten, Empathie zu zeigen und die Emotionen anderer zu verstehen.

Wenn das Netzwerk der Spiegelneuronen gestört ist

Und genau dieses Problem haben Autisten. Der Grund für diese Erkrankung ist höchstwahrscheinlich eine Störung im Netzwerk der Spiegelneuronen. Wissenschaftler haben nämlich in Studien herausgefunden, dass die Spiegelneuronen von Autisten bereits beim Beobachten einer Handlung weniger aktiv sind als bei gesunden Menschen. „Dieses Wissen kann man sich dann in der Therapie zu Nutze machen“, erläutert Prof. Monika von Düring. So werden Autisten behandelt, indem man ihnen wieder und wieder eine Mimik oder Gestik beobachten lässt, bis sie diese erkannt haben – also ihre Spiegelneuronen aktiv geworden sind.

Auch in anderen Bereichen versucht man, das Wissen anzuwenden: Für Schlaganfallpatienten gibt es zum Beispiel die sogenannte Spiegeltherapie, bei der die Spiegelneuronen der Patienten ausgetrickst werden. Dabei sollen die Erkrankten Bewegungen im Spiegel beobachten – und so bestimmte Areale im Gehirn anregen, die durch den Schlaganfall verloren gegangen sind.

Spiegeltherapie nach dem Schlaganfall

Foto: flickr.com/handlungs:plan

Bei der Spiegeltherapie beobachtet der Patient seine gesunde Hand. Foto: flickr.com/handlungs:plan

Hat der Patient zum Beispiel eine Lähmung am linken Arm, erledigt er Aufgaben mit dem gesunden rechten Arm, wie zum Beispiel Murmeln von einem Gefäß ins andere legen. Dabei beobachtet er im Spiegel genau seinen gesunden Arm. Nun werden die Spiegelneuronen optisch getäuscht: Denn die besonderen Neuronen fassen das Beobachtete so auf, als würde das Gegenüber seinen linken Arm bewegen – also der gelähmte Arm. Diese Illusion aktiviert wiederrum die bestimmte Region, die durch den Schlaganfall verloren gegangen ist.

Ob der Patient seinen Arm wieder bewegen kann, ist natürlich nicht zu hundert Prozent sicher. Und wenn er es schaffen sollte, ist es ein langer Prozess. Der Schlaganfallpatient hat aber auf jeden Fall mehr Möglichkeiten, wieder gesund zu werden. Und damit hat das Wissen über die besonderen Neuronen in unserem Gehirn auf jeden Fall Potenzial –  und das in mehreren Bereichen der Medizin.

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