Als Kay Voges im letzten Jahr als neuer Direktor des Dortmunder Schauspielhauses vorgestellt wurde, war die Überraschung groß. Kay wer? Als bekannt wurde, dass der 38-jährige Regisseur und Dramaturg das hiesige Ensemble nicht übernehmen werde, schallte es Kritik aus allen Kulturteilen der Region. Wir treffen den gebürtigen Düsseldorfer kurz vor Beginn der neuen Spielzeit. Er ist inmitten der Endproben und bietet uns sofort das „Du“ an.
Hast du dich schon eingelebt in Dortmund?

Der jüngste Schauspieldirektor im Ruhrgebiet: Kay Voges. Foto: Theater Dortmund
Ja, in der Stadt lebe ich ja schon seit einem Jahr. Das Schauspielhaus hab ich allerdings erst seit sechs Wochen. Das ist das Neue für mich. Aber so langsam lerne ich mich in den ganzen verschlungenen Treppen und Katakomben zurechtzufinden.
Wie hast du reagiert, als man dich fragte, ob du als Schauspieldirektor nach Dortmund kommen willst?
Ich fand, das ist eine Herausforderung, der ich mich stellen möchte. Ich habe mich unglaublich gefreut und gleichzeitig gesehen, was das für eine Verantwortung ist, die da an mich übertragen wird. Jetzt heißt es kämpfen, dass man dem entgegengebrachten Vertrauen auch gerecht wird.
Wann wurde dir bewusst, wie es um die finanzielle Lage des Theater Dortmund bestellt ist?
Im August letzten Jahres, das war vier Monate nach Vertragsunterzeichnung, kam das Haushaltsloch der Stadt Dortmund zum Vorschein. So habe ich als ersten Arbeitsschritt mit weiteren Intendanten aus NRW versucht, eine Mehrbeteiligung des Landes für die Theater der Region zu erstreiten. Dieser Kampf setzt sich bis heute fort. Ich muss mit weniger Mitteln als mein Vorgänger auskommen. Es ist knapp an allen Ecken und Enden und die Gefahr von weiteren Kürzungen ist, in eine Arbeitsunfähigkeit zu gelangen.
Was hast du dir vorgenommen in Dortmund zu erreichen?
Hier soll nicht nur die hohe Muse von der Bühne runterschwappen. Meine Zielsetzung ist es, das Theater als Ort der städtischen Gemeinschaft zu etablieren, als Ort für Diskussion und Austausch, gemeinsames Streiten und Feiern. Ein Ort des Lebens, an dem Stadt und Menschsein gemeinsam verhandelt wird.
Was kannst du zum aktuellen Spielplan sagen?
Ich habe eine Inszenierung von mir mitgebracht, die seit zwei Jahren äußerst erfolgreich in Kassel läuft. „Die 39 Stufen“ nach Alfred Hitchcock. Darin wird alles auf die Bühne gepackt, was das Theater eigentlich nicht kann: Verfolgungsjagden, 40 Ortswechsel, 150 Rollen getragen von vier Schauspielern. All das gelingt durch die Kunst des Spiels und der Phantasie. Die weiteren Stücke im Spielplan sind mit dem neuen Ensemble frisch für diese Stadt inszeniert.

Kay Voges setzte auf Verjüngung. Der älteste Schauspieler in seinem neuen Ensemble ist 49 Jahre alt. Foto: Theater Dortmund
Darunter sind Klassiker wie „Die Dreigroschenoper“ und „Macbeth“, aber auch provokantes Theater wie „Publikumsbeschimpfung“ von Peter Weiss.
Ich wünsche mir leidenschaftliches Theater für alle Zuschauer. Daher haben wir neben Regisseuren, die man als alte Haudegen der Theaterwelt bezeichnen könnte, auch viele junge Shootingstars nach Dortmund geholt. So ist das gesamte Spektrum von altem Handwerk bis innovativem Neuem in dieser Spielzeit zu sehen. Die Schauspielkunst verwandelt sich stetig. Und nur der alten Spielweise hinterherzulaufen, wäre antiquiert. Genauso dumm wäre es, aus dem Schauspiel Dortmund jetzt eine Experimentierbühne zu machen.
Nach welchen Kriterien hast du das neue Ensemble ausgesucht?
Ich habe nach einem Ensemble gesucht, das recht schamlos auf die Bühne will und sich selbst gern aufs Spiel setzt. Das Ensemble ist verjüngt. Der älteste Schauspieler ist 49. Vielleicht wird die Spielweise dadurch etwas jünger sein. Es hat mich sehr gefreut, dass die Stadt so mutig gewesen ist, mit mir den jüngsten aller Kandidaten auszusuchen. Ich habe das als Schritt der Politik verstanden, auf Erneuerung und Fortschritt zu setzen.
Wie kann man junge Menschen fürs Theater begeistern?
Über die Inhalte, die man vermittelt. Die dürfen natürlich niemanden kaltlassen. Der Zuschauer muss denken: „Es geht mich was an!“ Daher suchen wir auch nach neuen Stoffen, den „jungen Wilden“, die was zu erzählen haben aus ihrer Welt. Junge Studenten sollen auch wissen, hier laufen nicht nur tolle Premieren, sondern auch die besten Premierenpartys!
Was Theater erreicht, das lässt sich außerdem nicht im Kino oder vor der Playstation erleben. Hier wird ein Live-Erlebnis geboten, mit anderen Menschen zusammen an einer einmaligen Veranstaltung teilzunehmen.