Wenn der Hirsch ruft

Wer hat sich als kleines Kind nicht gewünscht, er könnte mit seinen Haustieren sprechen? Ganz wie Doktor Doolittle. Tatsächlich gibt es Menschen, die mit Tieren kommunizieren können. Tasso Wolzenburg und Immo Ortlepp gehören zu dieser Gruppe von Menschen. Beide können perfekt die Laute eines Hirsches imitieren. So perfekt, dass sie ihr Können professionell auf einer Hirschrufer-Meisterschaft unter Beweis stellen. Tasso Wolzenburg belegte in diesem Jahr sogar den ersten Platz.

Tasso Wolzenburg war in diesem Jahr unschlagbar. Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion WILD UND HUND.

Tasso Wolzenburg war in diesem Jahr unschlagbar. Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion WILD UND HUND. Teaserbild: Immo Ortlepp/privat.

Wenn Tasso Wolzenburg (46) aus Bad Berleburg (NRW) in den Wald geht, um Hirschlaute zu imitieren, könnte man meinen ein echter Hirsch ruft da. Doch Wolzenburg ist ein Zweibeiner. Wie kommt es also, dass sein Hirschrufen so echt klingt? Seit seiner Kindheit ist er von der Natur, den Hirschen geprägt. Schon sein Vater und Großvater nahmen ihn mit in die Wälder und brachten ihm die Natur näher. Dort hat sich Wolzenburg auch alles abgeguckt. Durch intensives Selbststudium erlernte er die Imitation vom Klang der Hirsche.

Seit sechs Jahren arbeitet Wolzenburg am „Forsthaus Hohenroth“. Dort macht er Hirschbrunftführungen, erklärt Besuchern die Natur und gibt den Zuschauern Kostproben von seinen Imitationskünsten. Highlight seiner Führungen ist, wenn er, nach eigenen Aussagen, seinen besten Hirschfreund im Wald herbeiruft: „Mein vierbeiniger Freund heißt Manni. Er ist schon ziemlich alt, nämlich 14 Jahre und immer wenn ich ihn rufe, kommt er sofort zu mir“, so Wolzenburg.

Hirschrufer-Meisterschaft wird in den Westfalenhallen ausgerichtet

Unter Jägern und Förstern ist die Nachahmung von Tierlauten ganz normal, um Tiere anzulocken. Doch was für Wolzenburg und seine Kollegen natürlich erscheint, lässt so manchen ahnungslosen Zuschauer sprachlos. Bei der sogenannten Hirschrufer-Meisterschaft können Natur- und Jagdfreunde ihr außergewöhnliches Talent vor Publikum und einer Jury präsentieren.

Seit nun mehr als 30 Jahren findet die JAGD & HUND Messe in den Westfalenhallen in Dortmund statt. In diesem Jahr vom 1. Januar bis zum 5. Februar. Im Rahmen der Messe wird auch die deutsche Meisterschaft im Hirschrufen ausgerichtet. Dieses Jahr meldeten sich insgesamt 19 Teilnehmer aus allen 16 Bundesländern an. Die Hirschrufer-Meisterschaft gibt es in Deutschland bereits seit 1998.

Die drei Erstplatzierten röhren um die Wette: v.l. Andreas Töpfer (3.), Immo Ortlepp (2.), Tasso Wolzenburg (1.). Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion WILD UND HUND

Die Sieger der Plätze eins bis drei röhren um die Wette: v.l. Andreas Töpfer (3.), Immo Ortlepp (2.), Tasso Wolzenburg (1.). Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion WILD UND HUND.

Drei verschiedene Rufarten müssen die Teilnehmer hier vorführen. Dabei werden die Laute von einer dreiköpfigen Jury bewertet; wobei diese hinter einer verdeckten Kabine sitzt, um sich ganz auf die Laute konzentrieren zu können. Präsentiert werden musste in diesem Jahr ein junger Beihirsch, der sich am Rande des Brunftplatzes aufhält, ein alter Hirsch, der etwas abseits mit nur wenig Kahlwild (weibliches Wild) steht und der Ruf eines Hirsches, der aus einem Zweikampf als Sieger hervorgeht. Als Hilfsmittel verwenden die Teilnehmer ganz unterschiedliche „Instrumente“: Beispielsweise speziell bearbeitete Ochsenhörner, Glaszylinder oder Faulhaber (Röhren, die sich auseinander ziehen lassen).

Richtige Hilfsmittel sind wichtig

Der diesjährige Vizemeister Immo Ortlepp (53) aus Wedemark (Niedersachen) weiß, dass das richtige Instrument, der richtige Klangkörper, entscheidend für das Gelingen des Hirschrufes ist. Nur die Hände als “Instrument“ zu benutzen sei in seinen Augen dilettantisch. Damit erreiche kein Teilnehmer eine gute Platzierung. Schließlich haben Hirsche eine Luftröhre von 30 bis zu 40 Zentimetern Länge. Im Vergleich dazu ist die Luftröhre von uns Menschen gerade einmal sieben bis neun Zentimeter lang. Die Klangkörper dienen also dazu die eigene Luftröhre künstlich zu verlängern.

Der Berufsjäger Immo Ortlepp in seinem Element. Foto: privat.

Der Berufsjäger Immo Ortlepp in seinem Element. Foto: privat.

Wie Wolzenburg ist auch Ortlepp mit der Natur und Jagd aufgewachsen. Seit 1970 ist Ortlepp Berufsjäger und findet es „hochinteressant sich mit Tieren zu unterhalten“. Manchmal empfände er es sogar angenehmer mit Tieren als mit Menschen zu kommunizieren. Genau wie Wolzenburg hat auch Ortlepp sich die Imitation von Tiergeräuschen selbst beigebracht: „Man muss das üben, üben, üben. Wenn die Jagdfreunde noch lachen, wenn man ihnen seine Laute vorführt, weiß man, dass man weiter üben muss“, erzählt er. Zu Beginn habe er auch in einem Tierpark geübt, um die Reaktion der Tiere live miterleben zu können.

Plaudern mit dem König der Wälder

Die beiden erwachsenen Männern imitieren also Hirsche, einer von ihnen hat sogar einen Hirschfreund namens Manni. Da drängt sich die Frage auf, wie Außenstehende dieses „Hobby“ bewerten. Skurril ist die Imitation von Hirschlauten schon; selbst wenn es in Jagdkreisen als normal gilt. „In größeren Städten, wo es nicht so viele Wälder gibt und die Jagd nicht wirklich präsent, schmunzeln und belächeln einen die Leute schon. Aber ich stehe dazu. Mich scherrt das nicht“, sagt Wolzenburg schlicht. In seinen Augen sei das Hirschrufen die Königsdisziplin für Jäger. Wer sowas beherrsche sei oberklasse. Schließlich gebe es nicht viele Leute, die perfekt Hirsche imitieren könnten.
Ortlepp merkt noch zusätzlich an, dass die Teilnahme an der Hirschrufer-Meisterschaft nicht nur Anerkennung brächte, sondern auch ein „absoluter eye-catcher oder ear-catcher“ sei. „Damit erreichen wir Leute, die sonst nichts mit der Jagd zu tun haben wollen“, sagt er.

EM findet in Litauen statt

Es ist also nicht nur der berufliche Aspekt, der die Teilnehmer der Hirschrufer-Meisterschaft dazu bewegt Hirsche zu imitieren, sondern auch die Faszination am König der Wälder. Ortlepp, Wolzenburg und der Drittplatzierte haben sich mit ihren Platzierungen für die Europameisterschaft in Litauen qualifiziert, die noch diesen September stattfinden wird. Bleibt zu hoffen, dass die drei auch dort gute Plätze erreichen können. Ob sie denn schon mal Bambi herbeigerufen hätten, haben der Erst- und Zweitplatzierte leider nicht verraten.

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