Girl’s Day an der TU

Eigentlich geht Ann-Kathrin Buderus in die sechste Klasse der Engelberg-Schule in Bochum – eigentlich. Heute macht sie Radio. Grund dafür ist der bundesweite Girl’s Day. Unter dem Motto „Entdecke die TU Dortmund“ schnuppern Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren auch an der Dortmunder Uni in technische Berufe rein. So sollen sie Berührungsängste gegenüber „typischen Männerberufen“ verlieren.

Ann-Kathrin Buderus und eldoradio*-Moderatorin Christin Neumann bereiten sich auf das Kollegengespräch vor. Foto: Jonas Strohschein.

Ann-Kathrin Buderus und eldoradio*-Moderatorin Christin Neumann bereiten sich auf das Kollegengespräch vor. Foto: Jonas Strohschein.

Ann-Kathrin ist neugierig und schon immer fasziniert vom Hörfunk. Sie will wissen, „wie die Musik ins Radio kommt“ und was hinter den Kulissen einer Sendung passiert. Was liegt da näher, als einen Tag beim Campussender eldoradio* mitzuarbeiten? Ann-Kathrin macht ihre Sache gut, und so geht sie direkt live on air. In einem Kollegengespräch erklärt sie den Hörern, wie sie und ihre Freundinnen den Girl’s Day nutzen: „Die anderen Mädchen aus meiner Klasse sind heute bei der Polizei oder in Kfz-Werkstätten, ich bin halt beim Radio.“  Außerdem spricht sie den Mensa-Speiseplan ein. Von Aufregung keine Spur.

Ungefähr 500 Meter Luftlinie von Ann-Kathrin und dem Radio-Studio befindet sich die Fakultät für Bio- und Chemieingenieurwesen. Hier beherrschen Naturwissenschaften, Kunststoffe und komplexe Nano-Beschichtungen das Geschehen. Nicht besonders spannend für junge Mädchen, sollte man meinen. Viele von ihnen sehen das anders. Die meisten sind in der achten Klasse, sie kommen von Realschulen und Gymnasien aus der Dortmunder Umgebung. Dr. Paul Kerzel erklärt ihnen am Girl’s Day, was Bio- und Chemieingenieurwesen überhaupt in der Praxis bedeuten. Und vor allem, wie das Leben als Studentin aussieht.

Beeindruckende Resonanz auf den Girl’s Day

Kamelia Hallmann organisiert den Girl's Day der TU Dortmund seit vier Jahren. Foto: Jonas Strohschein.

Kamelia Hallmann organisiert den Girl's Day der TU Dortmund seit vier Jahren. Foto: Jonas Strohschein.

Insgesamt haben rund 150 Mädchen den Weg an die TU Dortmund gefunden, dafür haben sie einen Tag schulfrei bekommen. Das Ziel der Uni ist dabei klar: Die Mädchen sollen erkennen, wie attraktiv technische und naturwissenschaftliche Studiengänge und Ausbildungsberufe für Frauen sind. Kamelya Hallmann arbeitet im Gleichstellungsbüro der TU Dortmund. Für sie ist der Girl’s Day ein voller Erfolg: „Wir wollen Potenziale fördern, den Mädchen die Angst nehmen und ihnen Vorbilder präsentieren“, sagt sie. Das Angebot werde super angenommen. Innerhalb von zwei Wochen seien alle 150 Plätze reserviert gewesen, sagt Hallmann. Besonders gut kommen nach ihrer Erfahrung die Angebote an, in denen die Mädchen auch praktisch aktiv werden können. „In der Glasbläserei fertigen die Mädchen zum Beispiel ihre eigenen Gläser an, die können sie am Ende des Tages dann auch mit nach Hause nehmen.“ Außerdem bekommen sie in einer Abschlussveranstaltung ein Zertifikat über die Teilnahme am Girl’s Day überreicht.

DR. Paul Kerzel versucht den Mädchen ein Ingenieursstudium näher zu bringen. Foto: Jonas Strohschein.

Dr. Paul Kerzel versucht den Mädchen ein Ingenieursstudium näher zu bringen. Foto: Jonas Strohschein.

Bundesweit nehmen über 100.000 junge Mädchen am Girl’s Day teil. 2001 wurde er zum ersten Mal veranstaltet, um so dem Fachkräftemangel in der Industrie entgegenzuwirken. Seitdem findet er jährlich im April statt. Offenbar erfolgreich: Über 20.000 Frauen begannen zuletzt ein Studium in den Ingenieurwissenschaften – so viele wie noch nie. Die Quote der Chemie-Studentinnen an der TU Dortmund liegt inzwischen sogar bei rund 50 Prozent. Aber auch Arbeitgeber wie die Bundeswehr versuchen durch den Girl’s Day zukünftige Arbeitnehmerinnen zu gewinnen. Sie ist inzwischen sogar der größte Veranstalter am Girl’s Day.

Im Kampf gegen die Rollenklischees

Der Girl’s Day wurde in den vergangenen Jahren aber nicht nur positiv gesehen. Immer wieder wurde Kritik laut, dass Jungs benachteiligt würden und ein alternatives Angebot fehle. Das Familienministerium reagierte darauf, und schuf im vergangenen Jahr das männliche Äquivalent zum Tag der Mädchen – den Boy’s Day. Hier sollen Jungs für einen Tag in Krankenhäusern, Kindergärten oder Kosmetikstudios mitarbeiten. Das Ziel bleibt dabei gleich: Ein Ende der klassischen Rollenklischees.

Ann-Kathrin Buderus wird sicherlich ihren Weg gehen. Sie will zum Radio und hat heute einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht. Ob der Girl’s Day ihr dabei geholfen hat? Bestimmt – auch wenn Mädchen wie sie keine Angst vor Technik kennen. Und Rollenklischees schon mal gar nicht: Eigentlich wird Ann-Kathrin nämlich lieber Andi genannt.

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