Pay-What-You-Want:
Was zahle ich, wenn ich nichts zahlen muss?

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Nichts kostet einen festen Preis. Jeder Kunde zahlt nur das, was ihm eine Leistung wert ist. Gibt es nicht? Doch, in Bars, Zoos und sogar Hotels. Pay-What-You-Want nennt sich dieses Prinzip. Pflichtlektüre-Autor Robert Tusch hat eine Nacht in einem solchen Hotel verbracht und verrät, ob sich dieses Bezahlmodell rentiert.

Es ist kurz nach drei, die Sonne scheint auf die grüne Wiese des Berneparks in Bottrop. Wer sich vom Süden her dem Park nähert, sieht das Hotel bereits am oberen Ende eines kleinen Hügels hervor blitzen, schattig gelegen unter mehreren Bäumen. Es ist kein normales Hotel, denn eine Rezeption oder einen Eingangsbereich sucht man hier vergeblich. Den Schlüssel holt man im Restaurant nebenan ab. Statt einem Haus voller Schlafzimmer, liegen fünf einzelne Röhren nebeneinander. Eine Röhre ist ein Hotelzimmer. Sie ist zwei Meter breit und drei Meter tief. Auf der Tür der Zimmer steht dasparkhotel.net.

Unter dieser Adresse lassen sich die Röhren reservieren, für maximal zwei Nächte. Zahlen muss man online nicht. Der Erfinder des Röhren-Hotels, der österreichische Künstler Andreas Strauss, überlässt den Gästen selbst, was und ob sie zahlen wollen. Dadurch, so sagt er gegenüber der Pflichtlektüre, könne das Projekt „als nichtkomerzielles Konzept betrieben werden“. Es ist somit nicht genehmigungspflichtig. Für die Gäste hat das einen großen Vorteil: Sie müssen erst am nächsten Morgen bezahlen. Und sie können entscheiden, wie viel Geld sie in den Briefumschlag legen, der im Zimmer ausliegt. Pay-What-You-Want heißt das in der Fachsprache.

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Doch was ist eine Nacht in einer ungenutzten Kanalröhre überhaupt wert? Jedes Zimmer bietet Platz für zwei Personen. Neben dem Bett gibt es eine Ablagemöglichkeit, eine Lampe und vier Steckdosen. Mehr passt in die Röhre nicht herein. Wer hier schläft, muss tierlieb sein. Denn das Bett und den Park trennt nur eine Tür. Spinnen und andere Insekten können ungehindert am Luftschlitz der Tür in das Zimmer krabbeln. Mit ihnen kommen nachts auch die Kälte und die Feuchtigkeit herein. Kein Hotel mit Sternecharakter also.

Aber wer will sich schon beschweren? Es gibt schließlich keinen festen Preis, der einen Standard hätte vorgeben können und damit Beschwerden rechtfertigt. Bei einem Hotel, in dem die Nacht 100 Euro kostet, sieht das anders aus. Das ist das Besondere an Pay-What-You-Want: Den Standard, den sonst der Preis vorgibt, muss nun der Gast selbst bewerten – auch preislich.

Lohnt sich für Anbieter und Gäste

Das klingt nach einem Minusgeschäft für die Anbieter. Denn warum sollten Kunden für eine Übernachtung im Hotel überhaupt etwas zahlen, wenn sie nicht einmal müssen? Hier kommt die Gerechtigkeit ins Spiel: „Wer sehr wenig oder gar nicht zahlt, verletzt soziale Tauschnormen“, sagt Monika Kukar-Kinney, Marketingprofessorin an der Universität von Richmond. Zudem sei es entscheidend, ob der Kunde anonym bleibt. Denn dann sei er eher bereit, nichts zu zahlen. Dies zeigte eine Aktion der britischen Rockband „Radiohead“ aus dem Jahr 2007. Die Gruppe stellte ihr neues Album ins Netz und ließ die Fans entscheiden, wie viel sie dafür zahlen wollen. Die meisten Kunden zahlten nichts, sie mussten dabei schließlich keinem Verkäufer ins Gesicht schauen. Dennoch hat sich Aktion für „Radiohead“ gelohnt, da die Band schlichtweg mehr CDs verkaufte und keine Abgaben an ein Label zahlen musste.

Der Marketingfaktor des Pay-What-You-Want-Modells ist entscheidend für seinen Erfolg. Oft kommen durch die Aufmerksamkeit, die ein Unternehmen mit dem Prinzip generiert, deutlich mehr Leute als üblich. So ist auch das Parkhotel in Bottrop bis nächstes Jahr fast ausgebucht. Die große Zahl an Besuchern gleicht den Verlust, den das Modell mit sich bringt, aus. „Oft zahlen die Kunden nur 40 bis 60 Prozent des normalen Preises“, sagt Kukar-Kinney. Eine ähnliche Erfahrung machte auch ein Zoo in Münster, der das Prinzip im Dezember 2012 ausprobierte. Mit 56.000 Menschen kamen in diesem Monat fünfmal so viele wie im Jahr zuvor. Verluste gab es nicht, obwohl die Gäste im Schnitt nur ein Drittel des normalen Eintrittspreises zahlten.

Kunden bewerten Qualität der Leistung

Bei Pay-What-You-Want kommt es vor allem auf die Qualität des Produkts an, wie viel und ob die Kunden zahlen. „Es ist daher nötig, die Kunden erst nach Inanspruchnahme der Leistung zur Kasse zu bitten“, erklärt Kukar-Kinney. Dass eine negative Erfahrung sich auf die Zahlungsbereitschaft auswirkt, bewies 2008 eine Pay-What-You-Want-Aktion des Fußballvereins FSV Frankfurt. Nach dem verlorenen Spiel zahlten die eigenen Fans keinen Cent in die Kassen des Vereins.

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Ganz einfach ist es aber nicht, den richtigen Preis für eine Leistung zu finden. Dies hat die Übernachtung im Parkhotel in Bottrop gezeigt. Selbst das Wetter kann den Preis letztendlich beeinflussen.

Die Spinnen und die Kälte haben die Zahlungsbereitschaft auf jeden Fall gesenkt. Dass die Duschen und Toiletten nur in einem Container zu finden waren ebenfalls. Trotzdem war die Nacht ein besonderes Erlebnis. Nichts zu zahlen wäre also schlichtweg ungerecht gegenüber denen, die das Hotel instand halten. Zum Check-out am nächsten Tag kamen deshalb zehn Euro in den Umschlag – weniger als üblich. Im Schnitt zahlen die Leute 15 bis 20 Euro für eine Übernachtung, erzählt Erfinder Andreas Strauss. Das ist eben die Crux am Pay-What-You-Want-Modell.

Beitragsbilder: Robert Tusch

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