Studium auf dem Rechtsweg

Klage verloren, Studienplatz gewonnen: Wie geht das?

Hat schon einigen Mandaten einen Studienplatz beschafft: Rechtsanwalt Christian Birnbaum. Foto: privat

Hat schon einigen Mandaten einen Studienplatz beschafft: Rechtsanwalt Christian Birnbaum. Foto: privat

Trotz dieser aus Klägersicht eher deprimierenden Statistik will Christian Birnbaum von geringen Siegeschancen nichts wissen: „Mit Ausnahme von Medizin haben Studienplatzklagen in aller Regel Erfolg“. Und auch sein Leipziger Kollege Frank Selbmann bestätigt: „Bei einigen Fächern mit hohen NCs, zum Beispiel Soziale Arbeit oder BWL, sind die Klagen eher erfolgreich“. Widersprüchlicher könnten die Aussagen von Universitäten und Anwälten kaum sein.
Doch welche der beiden Seiten hat nun recht?
Beim Sport würde man in dieser Situation von einem Unentschieden sprechen. Denn zwischen dem Gang vor das zuständige Gericht und der Entscheidung, doch lieber Wartesemester anzusammeln oder auf das Nachrückverfahren zu hoffen, gibt es noch eine dritte Möglichkeit: den Vergleich. Dieser funktioniert im Prinzip sehr einfach: Die Universität lässt den Kläger zum Studium zu. Dieser zieht seine Klage zurück und erhält damit die endgültige Zulassung (auf dem Klageweg würde er im Zuge des Eilverfahrens nur eine vorläufige Zulassung erhalten, bis die Kapazitäten tatsächlich überprüft sind).
Gerade wenn die Verfahrenskosten steigen oder die Erfolgschancen auf rechtlichem Weg sinken, ist der Vergleich ein gern gewählter Mittelweg. Oder wie Christian Birnbaum es ausdrückt: „Wenn es in einem Studiengang mit 100 Plätzen drei Klagen gibt, lassen die Unis die Kläger häufig lieber zu und sparen sich weiteren Aufwand“. Für Statistiker wird es aber jetzt erst interessant: Der zukünftige Student hat zwar seinen Platz sicher, zieht aber seine Klage zurück und trägt somit die Verfahrenskosten. Viele Kläger nehmen dies aber bewusst und sogar gerne in Kauf. Noch viel interessanter ist aber: In der offiziellen Klagestatistik gilt der Kläger als Verlierer, obwohl er eigentlich gewonnen hat. Die vermeintlich so niedrigen Erfolgsquoten, wie viele Universitäten unermüdlich betonen, sind in Wahrheit höher als vermutet. Das Argument der Hochschulen, die Chance, einen Platz einzuklagen, sei praktisch gleich null, verliert deshalb für viele die abschreckende Wirkung. Umgekehrt aber sollte man Anwälten, die gerne einmal von guten oder sogar hervorragenden Chancen sprechen, genauso wenig glauben. Der Grund: Die Wahrscheinlichkeit, mit einer Studienplatzklage zu scheitern, ist immer noch deutlich höher als die, erfolgreich zu sein.

Teures Vergnügen auch für die Unis

Doch abgesehen von relativ geringen Erfolgsaussichten gibt es noch weitere Gründe, die steigende Klagestatistik kritisch zu sehen. Denn durch den Aufwand, den die Hochschulen im Zuge der Klagen bewältigen müssen, leidet vor allem eine Gruppe: die Studenten, die bereits eingeschrieben sind.
„Besonders wegen der Ausuferung von Klagen im Fach Medizin lassen wir uns von einer externen Anwaltskanzlei beraten“, sagt Jochen Fandrey und spricht damit ein Problem an. Denn der finanzielle Mehraufwand, den seine Universität durch die Anwaltskosten hat, muss an anderer Stelle ausgeglichen werden. Und auch wenn Patrick Honecker in gleichem Zusammenhang weniger Probleme sieht und von „überschaubaren Kosten und Aufwand“ spricht, so muss auch er zugeben: „Zwei, drei Kollegen in der Verwaltung sind schon ausgelastet“. Und Jochen Fandrey ergänzt: „Man muss natürlich auch bedenken, dass höhere Kapazitäten mehr Personal erfordern, wenn man die Bedingungen halten will“. Selbst nach dem Klageverfahren müssen die Hochschulen also zum Teil mit Mehrkosten rechnen. Ansonsten bliebe nur eine Alternative: die Bedingungen eben nicht zu halten.
Teilweise kalkulieren die Universitäten deshalb ganz bewusst ihr Risiko; zum Beispiel, wenn sie ihre Kapazitäten bestimmen: „In kleineren Fakultäten ist die Berechnung kein Problem. Aber bei großen Studiengängen ist die Berechnung teuer. Deshalb klären wir diese Angelegenheiten lieber vor Gericht, da uns so weniger Kosten entstehen“, erklärt Patrick Honecker eine Methode, die vermehrt angewendet wird. Eine Methode, die für die Hochschulen zwar durchaus praktisch ist, jedem Studenten aber Sorgenfalten auf die Stirn treiben sollte. Denn sollte doch mal ein Verfahren verloren gehen, trägt die Universität die Kosten. Und auf wem diese Kosten im Notfall vermutlich abgewälzt werden, ist unschwer zu erraten.

Studienplatzklagen sind teilweise auch Glücksspiel: Manchmal gewinnt man, häufig verliert man. Foto: Gerd Altmann / pixelio.de

Studienplatzklagen sind auch Glücksspiel: Manchmal gewinnt man, häufig verliert man. Foto: Gerd Altmann/ pixelio.de

Der Kontostand sollte besser stimmen

Kosten haben allerdings nicht nur die Universitäten und damit letztlich die Studierenden, sondern auch die  klagenden Studenten in spe zu befürchten. „Bei einem normalen Verlauf kann man schon mit Kosten von 2800 Euro rechnen“. Pro Verfahren, versteht sich. „Das ist dann quasi so, als ob man sich seinen Studienplatz kaufte“, sagt Christian Birnbaum. Mehrfachklagen allerdings sind keine Seltenheit. Besonders in den Fächern mit den niedrigsten Erfolgsaussichten könne eine einzelne Klage nichts ausrichten. Das sieht auch Frank Selbmann so: „Gerade beim Fach Medizin darf man sich nicht auf eine Klage beschränken“. Und sein Kollege Christian Birnbaum ergänzt: „Bei solchen Studiengängen macht eine einzige Klage keinen Sinn, dann kann man es auch gleich bleiben lassen“.
Bei Medizin sind deshalb zehn Parallelklagen keine Seltenheit. Und Gesamtkosten von 20 000 Euro und mehr ebenfalls nicht. Angesichts solcher Zahlen stellt sich die Frage, ob Studienplatzklagen für zukünftige Studenten eine sinnvolle Alternative sind, an den ersehnten Platz zu kommen, oder ob es sich nicht einfach um Geldmacherei gewiefter Anwälte handelt.

Die Juristen scheinen auf den ersten Blick flexibel zu sein, was die Bonität ihrer Mandaten angeht. So verspricht das Team von studienplatz-klage.de eine Klagestrategie, die sich nach den finanziellen Möglichkeiten „preissensibler Mandaten“ richtet. Preissensibel? Wer es sich nicht leisten kann, lässt es eben bleiben. Diese Formulierung hätte irgendwie ehrlicher geklungen. Aber natürlich auch mehr potenzielle Mandaten abgeschreckt.

Doch auch ganz allgemein fragt man sich, was ein solches Portal soll. Häufig sind Portale für die Allgemeinheit nützlich: Sie helfen beispielsweise bei der Job- oder Wohnungssuche. Aber eine Beratungsstelle, um sich bei einer Studienplatzklage möglichst geschickt anzustellen? Wo genau ist da für wen der Nutzen? Auf solch kritische Fragen hat Frank Selbmann eine passende, denkbar knappe Antwort: „Transparenz“. Soll wohl heißen: Wir spielen doch mit offenen Karten. Man kann uns doch keine Vorwürfe machen, dass wir zugreifen, wenn Menschen bereit sind, für einen Studienplatz fünfstellige Summen zu zahlen.

Doch so schwer diese Argumentation auch im Magen liegt: Völlig unrecht hat Frank Selbmann nicht. Denn Schulabgänger, die in der Oberstufe vor allem im Fach „Chillen“ mit guten Noten aufgefallen sind und dies nun durch Papas dicke Brieftasche zu kompensieren versuchen, lösen bei den meisten Otto-Normal-Studenten wohl kaum positivere Gefühle aus als Anwälte mit fragwürdigen Geschäftsideen. Letzteren kann man aber eines zu Gute halten: Grenzen gibt es für sie doch noch. So warnt Frank Selbmann immerhin vor „übertriebenen Erfolgsprognosen“. Und Christian Birnbaum gibt zu: „Natürlich gibt es schwarze Schafe, vornehm ist das bei manchen Kollegen nicht. So kann man bei manchen Mehrfachklagen sagen: Eher schlaue Anwälte als schlaue Taktik. Ich halte mich da aber lieber raus“. Beide Anwälte betonen außerdem, gerade im Bereich Medizin häufig von einer Klage abzuraten, weil die Erfolgschancen „ohnehin so gering“ seien.

Klagen oder nicht klagen – das ist hier die Frage

Eines steht jedenfalls fest: Ein billiges Vergnügen sind Studienplatzklagen nicht. Nicht für die jungen Kläger und ihre Eltern und teilweise auch nicht für die Universitäten. Letztlich gibt es nur einen sicheren Gewinner: die Juristen, denn sie bekommen ihre Lohn, egal wer gewinnt und verliert. Eines sollte jeder, der eine Klage erwägt, also auf jeden Fall tun: in Ruhe darüber nachdenken, ob sich der ganze Aufwand tatsächlich lohnt. Denn ein paar Wartesemester haben bisher noch den wenigsten geschadet.

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