Wissenswert: Hält Viagra Blumen länger frisch?

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Gibt man in Blumenwasser ein Hundertstel einer Viagra-Tablette, bleiben diese eine Woche länger haltbar. Das behaupteten zwei Wissenschaftler schon im Jahr 1998, bis heute wird das Gerücht immer wieder von Medien aufgegriffen. Rosen und sogar Erdbeeren und Brokkoli sollen von dem Wirkstoff der Potenzpille profitieren. Doch wieso gab es danach keine Untersuchungen mehr?

„Nach dem Pflücken ist die Pflanze zum Sterben verdammt“, erzählt Floristin Leonie Burgdorf vom Blumenhaus Tadema Leifeld. Entfernt man ihr nämlich die Wurzel ist das so, als hätte der Mensch plötzlich keinen Mund mehr: Er könnte keine Nahrung mehr zu sich nehmen. So kann auch die Pflanze ohne Wurzel die für sie lebenswichtigen Mineralstoffe und Wasser aus der Erde nicht mehr aufnehmen. Doch der Mensch kann über eine bestimmte Zeit ohne Nahrung überleben. Wie lange, ist jedoch von Mensch zu Mensch verschieden. Zum Beispiel sein individueller Stoffwechsel und das Gewicht beeinflussen diese Zeitspanne. Das ist auch bei Pflanzen so: Verschiedene Faktoren bestimmen die Überlebenszeit. Darüber, wie man die künstlich verlängern kann, kursieren viele Gerüchte.

Eins davon besagt, dass Viagra im Wasser Schnittblumen eine Woche länger haltbar macht. Der Effekt sei auch hier ähnlich wie beim Menschen: Viagra schützt einen Stoff, das cyklische Guanosinmonophosphat (cGMP), das in ähnlicher Form auch in der DNA vorkommt. Und das sorgt für viele positive Effekte.

So wirkt Viagra im Menschen
Ist ein Mann sexuell erregt, produziert er cGMP. Das erweitert in Verbindung mit anderen Stoffen wie dem Stickstoffmonoxid die Blutgefäße und ermöglicht so die Blutzufuhr zum Penis. Da eine dauerhafte Errektion allerdings gefährlich wäre, gibt es im Körper einen Schutzmechanismus: Nach kurzer Zeit werden Stoffe, sogenannte Enzyme, produziert, die das cGMP in kleine Teile zerlegen und somit unwirksam machen. Viagra hemmt diese zersetzenden Stoffe. Das cGMP wird nicht abgebaut, der Schwellkörper erschlafft nicht so schnell.

Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass das verschreibungspflichtige Medikament auch bei Frauen Sexualstörungen mildert, die von Antidepressiva verursacht werden.

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Macht Viagra Schnittblumen länger haltbar? Foto: Paille/flickr.com

Der Stoff, der beim Mann eine Errektion begünstigt, sorge laut den Wissenschaftlern Yaacov Leshem und Ron Wills aus Israel und Australien in Pflanzen dafür, dass deren Poren sich verschließen. Wasser könne nicht mehr austreten, die Pflanze bleibe länger frisch. Wie auch im Menschen sorge das Viagra dafür, dass das cGMP nicht so schnell abgebaut wird.

Unzureichend belegt

„Allein die Wirkung des cGMP in Pflanzen ist bislang nicht ausreichend belegt worden“, erklärt Dr. Alexander Christmann vom Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der TU München. Es sei aber möglich, dass es die Herstellung von Stickstoffmonoxid in Pflanzen begünstige. Das Stickstoffmonoxid, eine Verbindung aus einem Stickstoff- und einem Sauerstoffteilchen, hemmt einen Stoff, der den Alterungsprozess in der Pflanze verursacht, das Ethylen. Diese Wirkung wurde auch in der Studie von Lesham und Wills beobachtet und beschrieben und auch in den darauffolgenden Jahren belegt.

Die positive Wirkung des Viagras jedoch blieb bisher eine einmalige Beobachtung. „Man sollte das skeptisch betrachten“, so Christmann. Denn selbst wenn ein positiver Effekt von Viagra auf die Haltbarkeit von Schnittblumen nicht ausgeschlossen wäre, sei die Datenlage für eine klare Aussage nicht gegeben. Bei dem revolutionären Effekt, den Viagra laut Gerüchten auf Pflanzen haben soll, hätte es garantiert mehr Studien gegeben. Außerdem sei schon die „Argumentation, dass Viagra dazu beiträgt, die Pflanzenporen zu schließen, nicht sinnvoll“.

Aus der Praxis

Solange die Schnittblume noch Hormone herstellen kann, schließt sie die Poren auf ihrer Oberfläche von selbst. Das Problem sei deshalb nicht der Wasseraustritt aus der Pflanze, sondern, dass sie kein frisches Wasser mehr bekäme. „Wenn man unter Wasser nochmal zwei Zentimeter vom Stiel abschneidet und etwas Glück hat, können Schnittblumen noch welches aufnehmen“, so Christmann. Außerdem gäbe es mittlerweile effektive Mittel, die günstig und erforscht seien und somit die bessere Alternative zu Viagra bieten würden. Zum Beispiel das Gas Methylcyclopropen, das den Alterungsstoff in den Pflanzen behindert. Alles, was dazu nötig ist, wäre ein luftdichter Raum. Kommen Pflanzen mit dem Gas in Kontakt, nehmen sie den Wirkstoff über die Oberfläche auf.

„Was tatsächlich hilft, eine Schnittblume länger aufrecht zu erhalten, ist, die Pflanze vor Bakterien zu schützen“, so Floristin Leonie Burgdorf. Gerüchten zufolge kann hier ein Kupferstück im Wasser Abhilfe schaffen. Ein beliebtes Mittel, das die Floristin allerdings nicht empfiehlt, es sei ja nur ein Gerücht. Und ob das stimmt, ist eine andere Geschichte…

Teaserfoto: Anastasiya Polubotko

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