Martin Schulz: Frischer Wind aus Brüssel

Foto: Martin Schulz bei Flickr. Lizensiert nach Creative Commons 2.0 Generic

Sigmar Gabriel hat Platz gemacht, Platz für seinen Parteikollegen Martin Schulz. Eine bessere Entscheidung hätte der SPD-Chef nicht treffen können: Mit Schulz steigt endlich ein Kanzlerkandidat in den Wahlkampf-Ring, der Merkel die Stirn bieten kann. Ein Kommentar.

Wenn morgen Bundestagswahl wäre, würden gerade einmal 21 Prozent der Deutschen die SPD wählen. So zumindest geht es aus den aktuellen Zahlen des ZDF-Politbarometers hervor. 21 Prozent – das sind Welten hinter dem Wahlergebnis von 2013 (25,7 Prozent) und noch größere Welten hinter der Union mit derzeit etwa 36 Prozent.

Viel Zeit bleibt der SPD nicht mehr, um das zu ändern: In genau acht Monaten, am 24. September, wird in Deutschland gewählt. Der Wendepunkt im Vorwahlkampf könnte genau jetzt gekommen sein: Denn der ehemalige Europaparlamentspräsident Schulz bringt endlich frischen Wind und vor allem ein sympathisches Gesicht in die Parteispitze. Schulz ist wortgewandt, hält emotionale Reden. Ein klarer Kontrast zum sachlichen Ton der Kanzlerin. 

Auch in Sachen Beliebtheit kann er mit Merkel mithalten: Laut ARD-Deutschlandtrend von Dezember kommen beide Kanzlerkandidaten auf 57 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung. Gabriel liegt mit nur 43 Prozent deutlich abgeschlagen. Und insbesondere für jene, die nach zwölf Jahren Angela Merkel eine Veränderung herbeisehnen, gibt es mit Schulz nun eine echte Alternative.

Martin Schulz: Wer er ist, woher er kommt

Bekannt ist Martin Schulz vor allem als SPD-Politiker in Brüssel. Doch ein Blick in seine Biografie lohnt sich, denn sie ist alles andere als typisch für einen Spitzenpolitiker.

Schulz wurde 1955 in Würselen bei Aachen geboren. Er besuchte dort auch das Gymnasium, jedoch ohne abschließend sein Abitur zu machen: Wegen schlechter Leistungen schaffte er die Zulassung nicht. Er wurde, wie er später in Interviews erzählte, alkoholabhängig. Nach einem Jahr der Arbeitslosigkeit begann er eine Lehre zum Buchhändler und bekam nach und nach sein Alkoholproblem in den Griff. Schließlich machte er sich mit einer eigenen Buchhandlung selbstständig.

In den 80er-Jahren startete Schulz dann auch politisch durch: Er ist schon seit 1974 Mitglied in der SPD und wurde 1986 im Alter von 31 Jahren zum Bürgermeister seiner Heimatstadt Würselen gewählt. Er war damit der jüngste Bürgermeister Nordrhein-Westfalens.

Seine Laufbahn als EU-Politiker startete Schulz 20 Jahre nach seinem Parteieintritt: 1994 zog er ins EU-Parlament ein. Das erste Mal fiel er dort im Jahr 2003 auf: In einem Schlagabtausch warf er dem damaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit vor.

Ein Jahr später übernahm er den Vorsitz der sozialistischen Fraktion im EU-Parlament. 2012 folgte der Höhepunkt seiner bisherigen politischen Laufbahn: Die Wahl zum Präsidenten des EU-Parlaments. Im November 2016 gab er nach zwei Amtszeiten seinen Wechsel in die Bundespolitik bekannt. Nun tritt er bei der Bundestagswahl als Kanzlerkandidat für die SPD an.

Hinzu kommt: In Zeiten von Trump und Brexit ist eine umsichtige und überlegte Außenpolitik, wie sie Merkel in der Vergangenheit pflegte, besonders wichtig. Sicher, die Kanzlerin hat Deutschland unter anderem souverän durch die Eurokrise geführt und sich stets besonnen gegenüber Russland gezeigt. Aber auch Schulz kann hier auf viele Erfahrungen zurückgreifen – anders als der politische Raufbold Sigmar Gabriel.

Als ehemaliger Präsident des Europaparlaments besitzt Schulz nicht nur exzellente internationale Kontakte, sondern kennt sich auch bestens in der internationalen Diplomatie und Kompromissfindung aus. Mehr als 20 Jahre Erfahrung in der EU-Politik kann sich der Rheinländer in seine Biografie schreiben. „Martin Schulz ist jemand, der Brücken bauen kann, der Menschen zusammenführen kann“, sagte auch der nun Platz machende Gabriel über seinen Parteikollegen.

Als Nachteil wird Schulz häufig seine Unerfahrenheit in der Bundespolitik angelastet. Dabei bietet sie einen entscheidenden Vorteil: Er ist nicht Teil der Großen Koalition und kann nach Belieben gegen die Unionsparteien schießen – schließlich hat er keinen innenpolitischen Beschluss der letzten Jahre mitgetragen.

Mit Martin Schulz als direkten Kontrahenten dürfte der Wahlkampf für Merkel also deutlich unbequemer werden als bislang erwartet. Die SPD stellt mit ihm einen Kandidaten auf, der der Kanzlerin nicht nur außenpolitisch und in Sachen Beliebtheit das Wasser reichen kann, sondern vor allem für eins steht: Frischer Wind nach zwölf Jahren Kontinuität.

 

Beitragsbild: Martin Schulz bei Flickr. Lizensiert nach Creative Commons 2.0 Generic

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