Wissenswert: BC-Waffen

Barack Obama hat Syrien vor dem Einsatz chemischer Waffen gewarnt. Der US-Präsident will eine militärische Intervention nicht mehr ausschließen, sollte Diktator Baschar al-Assad auf sein Chemiewaffenarsenal zurückgreifen. Dabei schien die Zeit der biologischen und chemischen Kriegsführung vorbei: Internationale Abkommen ächten sie, selbst Großmächte vernichten ihre Bestände. Eine kurze Geschichte der BC-Waffen.

Foto: flickr.com/Karen Roe, Rafael Robles L, Lars Kasper, NASA Goddard Photo and Video; Montage: Marc Patzwald, Teaserfoto: flickr.com/poniblog

Foto: flickr.com/Karen Roe, Rafael Robles L, Lars Kasper, NASA Goddard Photo and Video; Montage: Marc Patzwald, Teaserfoto: flickr.com / Anthony D'Onofrio

Pfeilspitzen, mit Froschgift getränkt. Krankes Vieh, ins Feindesland geschickt. Pesttote, über Stadtmauern katapultiert. Die Idee, sich in der Kriegsführung bei der Natur zu bedienen, ist wohl fast so alt wie der Mensch selbst. Doch erst im 20. Jahrhundert boten neuartige Träger wie Bomben, Raketen und Granaten die Möglichkeit, chemische und biologische Waffen effektiv einzusetzen. Gemeinsam mit den Atomwaffen zählen B- und C-Waffen zu den Massenvernichtungswaffen.

Chemische Waffen in den beiden Weltkriegen

Der Erste Weltkrieg war für viele Militärs die lang ersehnte Feuerprobe. Endlich konnten sie die fieberhaft entwickelten chemischen Kampfstoffe testen, künstlich hergestellte Gifte, die die gegnerischen Soldaten töten oder schwächen sollten.

Die deutsche Armee setzte im Ersten Weltkrieg Senfgas ein, ein schwefelhaltiges Gemisch, dass zu Verätzungen führt. Ein weiteres Giftgas, das im Ersten Weltkrieg auf beiden Seiten zum Einsatz kam, war Phosgen. Der süßlich faule Geruch blieb vielen Überlebenden in grauenhafter Erinnerung. Phosgen führt zu Lungenödemen – und langsam zum Tod.

Die chemischen Waffen richteten nicht nur unter den feindlichen Truppen, sondern auch unter der Zivilbevölkerung unvorstellbares Leid an. 90.000 Menschen sollen im Ersten Weltkrieg durch den Einsatz von Giftgasen gestorben sein.

Ein solches Szenario könnte in Syrien drohen: Das Land verfügt über ein großes Arsenal chemischer Waffen. Foto: flickr.com/Incinerator

Obwohl auf beiden Seiten enorme Vorräte vorhanden waren, wurden im Zweiten Weltkrieg keine chemischen Waffen eingesetzt. Einige Jahre vor Kriegsbeginn hatte der deutsche Chemiker Gerhard Schrader bei der Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln zufällig zwei Kampfstoffe entdeckt, die das Nervensystem lahmlegen: Tabun und Sarin. Die Nazis ließen die Stoffe in großen Mengen herstellen und in Bomben füllen, setzten sie jedoch nie ein. Warum, konnte nie ganz geklärt werden. Vermutlich war die Angst vor einem Gegenangriff zu groß. Beide Seiten überschätzten die Vorräte der Gegner.

Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg versenkten die Allierten alle deutschen C-Waffen in Nord- und Ostsee. Dort liegen sie immer noch. Wie gefährlich sie noch sind, weiß niemand so genau. Taucher wagten sich bis jetzt nicht in die Nähe der Munitionsreste. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes besitzt Deutschland keine chemischen Waffen mehr. Manchmal werden jedoch Chemie-Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, die in einer speziellen Anlage im niedersächsischen Munster vernichtet werden.

Außerhalb Deutschlands ging nach dem Zweiten Weltkrieg das chemische Wettrüsten weiter, auch wenn sich der Schwerpunkt immer mehr auf Atom-Projekte verlagerte.

Die USA und ihre südvietnamesischen Verbündeten setzten im Vietnamkrieg Giftgas ein und forschten über den Einsatz bakteriologischer Waffen. Entlaubungsmittel wie „Agent Orange“ legten die Verstecke der Gegner im Regenwald frei. „Agent Orange“ ist so resistent, dass bis heute noch viele Vietnamesen unter den Nachwirkungen leiden. Es führt zu Unfruchtbarkeit, Missbildungen bei Neugeborenen und Krebs. Die USA bestreiten, dass „Agent Orange“ als chemische Waffe gedacht war. Bis heute weigert sich die US-Regierung, betroffenen Vietnamesen Schadensersatz zu zahlen.

Vor allem kleinere Länder, die nicht über die Mittel verfügten, eine Atombombe zu bauen, stellten weiterhin chemische Waffen her, denn Herstellung und Einsatz sind vergleichsweise günstig. Senfgas etwa blieb eine verbreitete Waffe. Eingesetzt wurde es unter anderem 1988 beim Giftgasangriff auf die irakische Stadt Halabdscha, die in der Mehrheit von Kurden bewohnt wurde. Neben Senfgas setzten die Militärs im ersten Golfkrieg – ob irakisch oder iranisch, konnte nie eindeutig geklärt werden – noch andere chemische Kampfstoffe ein, etwa die Nervengifte Tabun und Sarin.

Ein solches Szenario droht nun auch in Syrien: Dort lagert das größte Arsenal chemischer Waffen im Nahen Osten. Das Land besitzt Senfgas, Sarin und VX, ein Gift, dass schon in geringsten Dosen zum schnellen Tod führt. VX lähmt das Nervensystem. Zunächst zucken die Muskeln, Schweißausbrüche folgen. Schließlich wird das Atemsystem lahmgelegt, das Opfer erstickt.

Die Machthaber könnten diese Waffen gegen die Aufständischen einsetzen. Es bestehen die Befürchtungen, dass die Waffen nach einem Sturz des Regime in die falschen Hände fallen. Terrormilizen von Hisbollah und Al-Quaida sollen im Land unterwegs sein. Manche der Raketen, die die Waffen tragen, könnten bis nach Israel fliegen.

Biologische Waffen

Biologische Waffen verwenden Bakterien, Viren oder natürliche Gifte als Kampfstoffe. Obwohl zwischen den Weltkriegen und im Kalten Krieg aufwändige Forschungsprogramme existieren, wurden B-Waffen bislang nur sehr selten eingesetzt. Militärisch gelten sie als ineffektiv, weil Krankheitserreger nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden. Ein besonders grausames Forschungsprogramm entwickelte die südafrikanische Apartheidregierung in den 80er-Jahren: Die so genannten „ethnischen Waffen“ sollten genetisch so kodiert sein, dass sie nur die schwarze Bevölkerung des Landes trafen. Bislang sind ethnische Waffen nicht zum Einsatz gekommen – ob sie überhaupt funktionieren würden, ist unklar. Vermutlich hat das Apartheid-Regime die genetischen Unterschiede überschätzt.

Gefährlich sind Biowaffen in den Händen von Terroristen. Die wohl bekannteste Biowaffe ist  das Bakterium Bacillus anthracis, dass Milzbrand auslöst. 2001 starben in den USA fünf Menschen bei Briefanschlägen. Die Briefe waren mit Milzbrand-Sporen verseucht.

Ob das syrische Regime biologische Waffen hat, ist umstritten. Unter Experten gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Verbot von BC-Waffen

Der Einsatz der meisten B- und C-Waffen war schon illegal, bevor sie massenhaft hergestellt wurden. Schon die Haager Landkriegsordnung von 1899 verbot den Einsatz giftiger Substanzen. Das Deutsche Reich wie auch seine späteren Kriegsgegner hatten die Landkriegsordnung unterzeichnet. Die Giftgasattacken im Ersten Weltkrieg waren damit Vertragsbruch.

1925 verbot das Genfer Protokoll den Einsatz biologischer und chemischer Waffen ausrücklich.

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Nach den Erfahrungen des ersten Weltkriegs wurde ein gassicherer Kinderwagen getestet. Foto: flickr.com/ Nationalarchiv der Niederlande

1971 wurde die Biowaffenkonvention der Vereinten Nationen verabschiedet. Sie verbietet neben dem Einsatz auch die Entwicklung, Herstellung und Lagerung von Biowaffen. Bislang haben 165 Staaten die Biowaffenkonvention unterzeichnet. Ob die Konvention auch eingehalten wird, wird allerdings von niemandem kontrolliert. Die Konvention sieht keine Möglichkeiten zur Sanktion vor. Nach wie vor dürfen Staaten Mittel gegen eine B-Waffen-Angriff erforschen. Kritiker sehen darin ein Schlupfloch für die Entwicklung von Biowaffen.

Nach jahrzehntelangen Vorverhandlungen wurde 1997  eine Chemiewaffenkonvention auf den Weg gebracht. Die Konvention verbietet die Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Einsatz chemischer Waffen. Die Unterzeichner verpflichteten sich außerdem, ihre Bestände an C-Waffen bis April 2012 zu vernichten. Die ernüchternde Bilanz im August 2012: Nur Albanien und Indien geben an, keine C-Waffen mehr zu besitzen. Die USA haben nach eigenen Angaben 90 Prozent ihrer Waffen vernichtet.

Immerhin wurde durch die Chemiewaffenkonvention eine unabhängige Organisation geschaffen, die die Einhaltung der Konvention überwacht: Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW). Ihre Kontrolleure testen stichprobenartig, wie gut die Vernichtung vorankommt.

Weltweit sind nur sechs Staaten der Konvention nicht beigetreten, darunter Nordkorea und Syrien. Vermutlich betreiben jedoch auch Unterzeichnerstaaten geheime Chemiewaffenprogramme, zum Beispiel China, Iran, Israel und Russland.

Kritiker sagen, die Chemiewaffenkonvention böte zu viele Schlupflöcher. So schließt die Definition der Konvention zum Beispiel Phosphorbomben nicht ein. Diese Brandbomben werden unter anderem von den USA und Israel eingesetzt. Sie führen nicht nur zu starken Verbrennungen. Beim Abwurf werden auch giftige Gase freigesetzt, die ebenfalls tödlich sein können. Menschenrechtsorganisationen fordern daher, Phosphor- und andere Brandbomben mit in die Chemiewaffenkonvention aufzunehmen.

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