Fast hätte ein Rechtspopulist die Präsidentenwahl in Österreich gewonnen. Eine kleine Anzahl von 31.026 Stimmen machte letzten Endes den großen Unterschied. In Berlin und Brüssel herrscht nach dem glimpflichen Ausgang große Erleichterung. Doch kollektives Durchatmen reicht nicht. Das Wahlergebnis muss endlich ein Weckruf für alle Demokraten in Europa sein. Ein Kommentar.
Es war so knapp wie nie zuvor. Mit hauchdünnem Vorsprung hat der Grünen-Politiker Alexander Van der Bellen die Wahl zum Bundespräsidenten in Österreich gewonnen. Er wird am 8. Juli den Sozialdemokraten Heinz Fischer ablösen und für die nächsten sechs Jahre an der Spitze Österreichs stehen. Das Wahlergebnis beruhigt, schließlich konnte ein rechtspopulistischer Präsident knapp abgewendet werden. Die Erleichterung hält aber nur kurz. Der knappe Wahlausgang zeigt: Das Land ist tief gespalten. Der zukünftige Bundespräsident spricht selbst von zwei Hälften, die beide zu Österreich gehörten. „Die eine Hälfte ist so wichtig wie die andere“, sagte Van der Bellen mit Blick auf den knappen Wahlausgang. Dabei darf vor allem eines nicht außer Acht gelassen werden: Die eine Hälfte der Wähler, die sich für den rechtspopulistischen FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer entschied, stehen nicht alle rechtsaußen. Vielmehr waren vor allem Frust und Protest ihre Gründe dem Rechtspopulisten ihre Stimme zu geben. Diese Stimmung bleibt gefährlich und sollte eine Warnung für Österreich sein.
Das Land ist bei der Präsidentenwahl gerade noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Doch die FPÖ wird sich nach der Niederlage nicht verstecken, sondern hat ein nächstes Ziel schon fest im Blick: Wahlsieg für das Bundeskanzleramt 2018. Und aktuelle Umfragen zeigen, dass dieses Ziel durchaus realistisch ist, denn die FPÖ ist zurzeit stärkste Partei. Zurücklehnen dürfen sich die Demokraten also noch lange nicht. Sondern müssen endlich die gefährliche Lage erkennen und handeln.
Aber nicht nur in Österreich ist spätestens jetzt die Zeit gekommen, der Realität ins Auge zu sehen. Auch in anderen europäischen Ländern zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab. Viele rechtspopulistische Parteien gewinnen an Zuspruch und gratulieren Hofer zu der knappen Niederlage. Sie sehen anhand der Zahlen schwarz auf weiß, dass sie an Kraft zulegen und sehen sich auf dem richtigen Weg.
.@f_philippot : „Je suis bien sûr un peu déçu pour l‘#Autriche, mais le chemin parcouru est immense.“ @BFMTV
— Front National (@FN_officiel) 23. Mai 2016
„Jetzt erst Recht!“, so lautet bei Facebook die Reaktion des NRW-Landesverbandes der Alternative für Deutschland auf die knappe Niederlage von Hofer in Österreich. Worte die alarmierend wirken sollten. Die rechtspopulistischen Parteien fühlen sich durch die aktuellen Ergebnisse und Umfragen gestärkt und die demokratischen Parteien werden sich weiter mit den Rechtspopulisten und Nationalisten in Europa auseinandersetzen müssen. Auch hier in NRW. Eine aktuelle Umfrage des WDR zeigt, dass die AfD ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl weiter zulegt. Wenn diesen Sonntag Wahl wäre, würde die AfD mit zwölf Prozentpunkten drittstärkste Kraft im Land sein. Im Vergleich zur letzten Umfrage im Februar zwei Prozentpunkte mehr. Die CDU und SPD kämen auf jeweils 31 Prozent. In der aktuellen Situation wäre lediglich eine große Koalition realistisch, da die anderen Parteien eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen haben.
Die Demokraten müssen endlich reagieren, sowohl auf der Landes- als auch auf der Bundesebene. Dass viele Wähler nur aus Frust und Protest den rechtspopulistischen Parteien ihre Stimme geben, sollte ein Signal sein. Es ist noch längst nichts verloren. Die Bürger warten nur auf eine Veränderung, auf das Präsentieren von Lösungen. Doch die konnten die Politiker bisher nicht vorlegen. Sie sind sich vielleicht der Gefahr, die von den Rechtspopulisten ausgehen kann, bewusst. Doch bleibt das Gefühl, dass sie selbst nicht wissen, wie es weitergehen soll. Der Wahlsieg Van der Bellens hat aber gezeigt, dass sich das Kämpfen gegen die rechtspopulistischen Parteien lohnt. Genauso verdeutlicht der mehr als knappe Sieg aber auch, dass die Situation nicht unterschätzt werden darf. Weder von Österreich, noch von Berlin und Brüssel.
Beitragsbild: Anne Schubert