DJ mit 70: Ruud van Laar

Ein 70-jähriger Holländer in der Disco und dann auch noch als DJ? Klingt lustig, für Ruud van Laar ist das jedoch Alltag. Dabei treibt ihn seine ganz eigene Philosophie an – das bescheidene Ziel, den Weltfrieden zu erreichen. Pflichtlektüre hat den Ausnahme-DJ, der seit über 40 Jahren in Dortmunder Clubs auflegt, auf seiner Mission getroffen.

Bruce Springsteens „I’m on Fire“ tönt uns aus dem Partykeller des Dietrich-Keuning-Hauses in der Dortmunder Nordstadt entgegen. Vor dem Eingang steht eine kleine, rauchende Gruppe, die aussieht als ob sie gerade noch beim Woodstock-Festival mitgefeiert hätte: bunte Kleidung aus Batik und Schlaghosen lassen einen an die Hippie-Kultur erinnern. Wenige Meter entfernt steht ein Mann in schwarzer Lederhose und drückt den Neuankömmlingen einen Stempel – ein Totenkopf mit gekreuzten Schwertern – auf die Hand. Drinnen drängen sich etwa 30 Leute mittleren Alters an der Bar – darunter auch ein Transvestit. Auf der Tanzfläche bewegt sich eine Frau im knallroten Ganzkörper Jogginganzug verträumt zur Musik. Für den gewöhnlichen Disco-Besucher ein so ungewöhnlicher Anblick, dass einem der ältere Mann hinter dem DJ-Pult zunächst gar nicht auffällt: Er hat kurze graue Haare, eine Brille und trägt ein graues T-Shirt.

Ruud van Laar steht hinter seinem DJ-Pult und bereitet sich auf die Veranstaltung vor. Fotos: Paloma Lozano Gallego

Ruud van Laar steht hinter seinem DJ-Pult und bereitet sich auf die Veranstaltung vor. Fotos: Paloma Lozano Gallego

Ein Laptop? Nicht mit Ruud

Ruud van Laar ist 70 Jahre alt und sicherlich nicht mit den typischen DJs aus der Wochenend-Disco zu vergleichen. Statt eines Laptops ist Ruud von über 500 CDs umgeben: „Ich lege immer noch auf, was ich wirklich einmal gekauft habe“, erklärt er. Normalerweise bringt der 70-Jährige zu seinen Veranstaltungen außer CDs auch noch Schallplatten mit. Charts bekommt man deswegen bei ihm kaum zu hören. Ruud van Laar selbst bezeichnet die Musik, die er auflegt, als „zeitlos“ und als „Substream“ (das Gegenteil vom englischen Begriff „Mainstream“). Für ihn sind nicht die Mixing-Qualitäten eines Discojockeys ausschlaggebend, sondern, dass man – abgesehen von der Liebe zum Tanzen und zur Musik – gerne mit Menschen umgeht, tolerant ist und verschiedene Leute zusammenbringen kann.

Der Weltfrieden ist seine Philosophie und sein Antrieb

Dennoch stellt sich die Frage: „Was treibt einen 70-Jährigen dazu an regelmäßig als DJ aufzulegen?“ Zunächst sind das natürlich die wirtschaftlichen Faktoren. Für Ruud van Laar ist der Job als DJ das einzige, woran er wirklich Freude hat – auch noch im hohen Alter. Der bedeutsamere Antrieb für Ruud ist jedoch seine Philosophie und diese ist „im Großen und Ganzen der Weltfrieden“. Kein sehr bescheidenes Ziel, doch Ruud ist von seinem Ansatz überzeugt. Der erste Schritt auf dem Weg dahin ist seiner Meinung nach „den Menschen beizubringen […] wie leicht es ist den Mut zu haben einen fremden Menschen anzusprechen.“ Dabei soll mehr Toleranz für einander entwickelt werden. Mithilfe seiner Musik und seinem Tun möchte Ruud dieses Ziel erreichen. „Ich habe festgestellt, dass Musik mehr bei und mit Menschen anstellen kann, als alles andere.“

„Ich bin mindestens 40 Mal pleite gegangen“

Ruud van Laar legt seit über 40 Jahren in Dortmunder Clubs auf. Darunter auch in zahlreichen eigenen Discos und Kneipen wie in „Die Pille“ (als Reaktion auf das Verbot der Pille durch den Papst), im „Fantasio“, in dem auch Rockbands wie „Yes“ spielten, oder im „The Sun is Rising in Your Brain“, das wie ein Gehirn eingerichtet war. Auch der „Keller“, der bis heute noch Bestand hat, gehörte ursprünglich Ruud van Laar. Seine Clubs musste Ruud jedoch immer bereits nach kurzer Zeit wieder schließen: „Ich bin mindestens 40 Mal pleite gegangen. Was mich aber nicht davon abgehalten hat, immer weiter zu probieren.“

Ruud hat schon einen langen Weg hinter sich: Über zwölf erfolgreiche Club hat er in Dortmund betrieben.

Ruud hat schon einen langen Weg hinter sich: Über zwölf erfolgreiche Club hat er in Dortmund betrieben.

Nach Dortmund ist der gebürtige Holländer 1965 gekommen. Ursprünglich wollte er mit einem Freund die erste Wasserski-Schule in Lloret de Mar an der Costa Brava aufmachen, doch sein Freund verliebte sich in eine Deutsche und zog nach Dortmund. Ruud van Laar folgte ihm und arbeitete daraufhin als Kraftfahrer, Auslieferungsfahrer und Vertreter für Süßwaren, bis er 1967 schließlich seinen ersten DJ-Job bekam. Sein Publikum waren damals vor allem Studenten und Anhänger der 68er-Bewegung. „Ein Teil dieser Leute, die 1970/1969 junger Gast bei mir waren, kommen jetzt immer noch von Zeit zu Zeit“, sagt Ruud. „Die meisten Leute die kommen sind im Laufe der Jahre irgendwann als junger Spund in meinen Clubs gewesen“, fügt er noch hinzu. Eine Aussage, die die bunte und für eine Disco eher untypische Zusammensetzung des Publikums ein wenig erklärt.

Gleichzeitig erfüllen Ruuds treue Gäste mit ihrer Anwesenheit auch einen kleinen Traum von ihm: „In meinen Anfangsjahren habe ich mir als größten Wunsch vorgenommen die jungen Menschen, die ich damals als Gast hatte, in ihrem Leben als ihren DJ begleiten zu dürfen – solange ich könnte.“ Und wenn es nach Ruud geht, dann wird das noch eine ganze Weile sein.

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