Kino-Tipp: Das Schmuckstück

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Von der hübschen Vase zur Politikerin: In François Ozons neuer Komödie „Das Schmuckstück“, die jetzt auch in den deutschen Kinos zu sehen ist, zeigt Catherine Deneuve, dass Emanzipation auch mit sechzig noch geht. Und sieht dabei trotz Lockenwicklern und Jogginganzug blendend aus.


Bitte keine Meinung, sondern an den Herd: Zwischen Suzanne Pujol und ihrem Mann Robert sind die Rollen klar verteilt. Foto: Concorde Film

Bitte keine Meinung, sondern an den Herd: Zwischen Suzanne Pujol und ihrem Mann Robert sind die Rollen klar verteilt. Foto: Concorde Film

Eigentlich ist das Leben von Suzanne Pujol (Catherine Deneuve) wunderbar: Sie hat zwei erwachsene Kinder, ist die Chefin am Herd und hat jeden Morgen, wenn sie im roten Jogginganzug elegant trippelnd ihre Runde gedreht hat, genug Zeit, in ihrem Notizbüchlein einzutragen, wie schön doch die Natur ist: „Mein Freund das Eichhörnchen war heute morgen hier. Es hat mir zugezwinkert, und ich sagte: Dann bis morgen“, schreibt sie. Einfaltspoesie eines Schmuckstückes (der Originaltitel des Films „Potiche“ bezeichnet eine hübsche, aber nutzlose Vase), das sie, wenn es nach ihrem Mann Robert geht, auch bitteschön bleiben soll. Nicht dass sie noch anfinge, „eine Meinung“ zu entwickeln.

Robert (wundervoll miesepetrig: Fabrice Luchini) leitet die Pujol’sche Regenschirmfabrik, die Suzanne einst von ihrem Vater erbte, und hat für Zärtlichkeiten in seiner Ehe wenig Sinn: Nicht nur weil er neben seiner knapp kostümierten Sekretärin (Karin Viard), die er allmorgendlich gern in den Po kneift, genügend Liebhaberinnen hat, sondern auch weil seine Fabrikarbeiter sich gerade im Streik befinden. Durch einen Herzinfarkt wird der Firmenchef jedoch kurzfristig ausgeschaltet und die Karten damit neu gemischt.

Familienkrise: Als sein Erzfeind, der Gewerkschafter Maurice Babin bei ihm zu Hause auftaucht, macht Roberts Herz schlapp. Foto: Concorde Film

Familienkrise: Als sein Erzfeind, der Gewerkschafter Maurice Babin bei ihm zu Hause auftaucht, macht Roberts Herz schlapp. Foto: Concorde Film

Ausgerechnet seine Frau Suzanne, die bisher nur ein nutzloses „Schmuckstück“ war, übernimmt die Geschicke der Firma sowie die Streikverhandlungen und spürt damit auch den Wind der Frauenbewegung der Siebzigerjahre, in die François Ozon die Geschichte verlegt. Suzanne trifft ihren Ex-Liebhaber, den Gewerkschafter Maurice Babin (Gérard Depardieu), nach langen Jahren wieder; geht mit ihm ausgerechnet da tanzen, wo ihr Mann sonst seine Liebhaberinnen verführt und erklärt sogar ihrem Mann, als der von seiner Reha-Kreuzfahrt zurückkommt, schließlich sogar den Kampf um den Chefsessel.

In Francois Ozons Leinwandadaption der gleichnamigen Bühnen-Boulevardkomödie aus den Achtzigern trieft es nur so von Übertreibungen, Knallfarben und üppiger Retro-Ausstattung. Doch das schadet nicht: „Das Schmuckstück“ geht nämlich über die schöne Geschichte von Emanzipation in den Siebzigern hinaus und ist auch eine augenzwinkernde Satire auf die Gegenwart. Von Anspielungen auf Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, dessen berühmter Satz „Verzieh dich, du Blödmann“, mit dem er im Jahr 2008 einen Bauern auf einer Landwirtschaftsschau angegangen war, und der hier dem bösen Robert Pujol in den Mund gelegt wird, bis hin zu dem geradezu ironisch wirkenden Konservatismus der Tochter (Judith Godrèche), die ihrer spät emanzipierten Mutter plötzlich in den Rücken fällt.

Frauenpower für die Fabrik: Suzanne Pujol (Mitte) motiviert Sekretärin Nadège, Tochter Joëlle (rechts) ist skeptisch. Foto: Concorde Film

Frauenpower für die Fabrik: Suzanne Pujol (Mitte) motiviert Sekretärin Nadège, Tochter Joëlle (rechts) ist skeptisch. Foto: Concorde Film

Ein Meister wie François Ozon („8 Frauen“, „Swimming Pool“) weiß außerdem, was er an seinen Darstellern hat: Für Catherine Deneuve, die ihre Rolle zwischen gutmütiger Ehefrau, Liebhaberin, und schließlich politischer Kämpferin einfach brilliant verkörpert, wählte er ausgerechnet Gerard Depardieu als Filmpartner: Mit ihm war sie bereits sechsmal zusammen auf der Leinwand zu sehen, ein altgedientes Traumpaar also. Und wenn die beiden im Nachtclub „Badaboum“ auf der Tanzfläche ganz unerwartet direkt in die Kamera schauen und die Menschen im Kinosaal scheinbar fixieren, dann erwacht man kurz aus dem schönen Emanzipationsmärchen. Dann muss man den beiden großen Stars des französischen Films einfach zuzwinkern.

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