Die Pille für den Mann – Warum eigentlich nicht?

Die Geschlechterforscherin

Katja Sabisch ist Juniorprofessorin für Gender Studies an der Universität Bochum. Sie forscht unter anderem zum Thema „Medizin und Körpersoziologie“.

Pflichtlektüre: Frau Sabisch, was denken Sie: Warum gibt es die Pille für den Mann noch nicht?

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Pflichtlektüre: Und woran liegt das?

Sabisch: Im 18. Jahrhundert begannen die damals ausschließlich männlichen Forscher sich dem abnormen Frauenkörper zu widmen. Sie haben ihn erforscht, vermessen und gewogen – kurz: verwissenschaftlicht. Und daraus hat sich die Gynäkologie entwickelt, die als Sonderwissenschaft für das Weib galt und bis heute auch noch immer gilt.

Pflichtleküre: Das 18. Jahrhundert ist ja schon lange her. Beeinflusst das wirklich noch unser heutiges Leben?

Sabisch: Ja. Mädchenkörper sind durch diese Historie in der Medizin leichter zu erreichen. Mädchen werden schon sehr früh in gynäkologische Praktiken involviert. Der erste Besuch beim Frauenarzt findet meist kurz vor der Pubertät schon statt weil die Normalität von bestimmten Körperprozessen untersucht werden soll. Das führt dazu, dass Medikamente einfacher zu erreichen sind. Das ist ein Grund – ein logistischer, kein logischer – warum Mädchen oder Frauen eher auf solche Medikamente wie die Pille zurückgreifen als Männer.

Pflichtlektüre: Hat es sich inzwischen geändert wie Männer- und Frauenkörper in der Medizin gesehen und erforscht werden?

Sabisch: Wir haben teilweise immer noch einen männlichen ärztlichen Blick, der Frauenkörper pathologisiert. Jede Umbruchphase des weiblichen Körpers, sei es die Pubertät, sei es Schwangerschaft oder die Wechseljahre, wird immer zum medizinischen Problemfall. Man sieht das zum Beispiel auch an der Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs, die nur für Mädchen empfohlen wird, obwohl auch Jungen dieses Virus übertragen.

Pflichlektüre: Glauben Sie, dass die Frauen die Verantwortung in der Verhütung überhaupt abgeben wollen würden?

Sabisch: Wir haben in unserer Gesellschaft häufig Familienformen, die sich immer noch sehr stark auf die Frau richten – auch wenn Männer inzwischen ihre Rolle als Väter ernster nehmen. Durch die traditionellen Vorstellungen fühlen Frauen sich nach wie vor für die Kinder zuständig und deshalb natürlich auch für die Empfängnisverhütung. Ich kann es sehr gut verstehen, wenn viele Frauen nicht unbedingt dem Partner die Pille anvertrauen wollen. Da geht es dann doch zu sehr um die eigenen Rechte und die eigene Zukunft, die man nicht von einem „Oh, ich hab sie aber heute vergessen“, abhängig machen sollte.

Pflichtlektüre: Was müsste denn Ihrer Meinung nach passieren, damit die Pille für den Mann doch noch kommt?

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