Die Pille für den Mann – Warum eigentlich nicht?

Der Arzt

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Professor Eberhard Nieschlag forscht schon seit Jahren an der "Pille für den Mann".

Professor Eberhard Nieschlag ist Endokrinologe („Hormonspezialist“). Er forscht seit etlichen Jahren an der „Pille“ für den Mann und war lange Zeit Direktor des Instituts für Reproduktionsmedizin der Max-Planck-Gesellschaft an der Uni Münster.

Pflichtlektüre: Wie kommt es, dass Studien für die „Pille“ für den Mann wegen Nebenwirkungen abgebrochen werden, die bei Frauen bei jeder Pille auftreten?

Nieschlag: Es ist leider zu beobachten, dass die Zulassungsbehörden, die ja letztendlich solche Medikamente dann genehmigen müssen, eher Nebenwirkungen bei Frauen in Kauf nehmen als bei Männern. Genauso sieht es man es auch in anderen Gremien, wie in Ethikkomissionen oder Data Control Kommissionen. Da sieht man, dass die bei Nebenwirkungen bei Männern immer sehr empfindlich reagieren, wohingegen die Frau eher als leidensfähig akzeptiert wird (lacht).

Pflichtlektüre: Wie viele Studien sind denn schon für die hormonelle Verhütungsmethode für den Mann gelaufen?

Nieschlag: Das ist die erste Studie dieser Art die abgebrochen wurde. Insgesamt liefen über 60 Studien zur männlichen hormonellen Empfängnisverhütung, die in der Klinik gemacht wurden. Diese Studien gucken nicht nach Schwangerschaften, sondern nach Anzahl der Spermien. In diesen Studien ist das Unterdrücken der Spermienzahl das wichtigste Ziel. Spermien weg – keine Schwangerschaften. Studien, die sich damit befassen, wie viele Schwangerschaften wirklich auftreten gibt es nur sieben. Diese Diskrepanz ist beachtlich. Die WHO ist aber trotzdem immerhin noch die erste Institution, die diese Studien gemacht hat.

Pflichtlektüre: Die Pille für den Mann ist ja eigentlich der falsche Ausdruck, es handelt sich bisher noch um Spritzen. Worin liegt das besondere bei der Verhütung für den Mann?

Nieschlag: Bei der Frau müssen sie ja nur ein Ei alle vier Wochen unterdrücken, dagegen müssen sie beim Mann 20 Millionen Spermien täglich unterdrücken. Beim Mann ist das also ein konstanter Vorgang. Bei der Frau ist auch sozusagen das Wegblasen des Eisprungs relativ einfach. Man muss die Frau nur ordentlich stressen, dann ist die Ovulation weg. Dem Mann macht das überhaupt nichts. Die können im Krieg den größten Gefahren ausgesetzt sein, die Spermienproduktion läuft weiter. Der Mann hat also diesen Zyklus nicht, sodass zur Verhütung immer ein konstanter Spiegel an Hormonen da sein muss.

Pflichtlektüre: Welche Hormone enthalten die Spritzen denn?

Nieschlag: Eine Kombination aus Testosteron und Gestagenen. Testosteron alleine reicht interessanterweise nur bei ostasiatischen Männern. Bei den Kaukasiern, zu denen wir ja gehören, braucht man noch ein Gestagen. Unser System ist robuster als bei den Ostasiaten. Warum das so ist weiß man noch nicht. Wahrscheinlich ist die Rezeptorverteilung anders. Ostasiaten haben ja zum Beispiel auch weniger Körperbehaarung.

Plichtlektüre: Testosteron ist eigentlich DAS Männerhormon. Es kurbelt die Spermienproduktion an. Viele wundern sich jetzt bestimmt, warum gerade dieses Hormon jetzt zur Verhütung eingesetzt wird.

Nieschlag: Entscheidend ist das Testosteron im Hoden. Die Hypophyse im Gehirn sendet ein Hormon, das luteinisierendes Hormon (LH)  aus, das wiederrum nur im Hoden wirkt. Dort stimuliert es die Testosteronproduktion. Wird das LH unterdrückt, wird im Hoden kein Testosteron mehr gebildet. Es wird sozusagen signalisiert: Es gibt genug Testosteron, du brauchst nichts mehr zu produzieren.

Pflichtlektüre: Jetzt haben wir zu Beginn des Gesprächs schon festgestellt, dass Frauen in den Studien als leidensfähiger angesehen werden. Aber grundsätzlich muss doch auch die Lobby fehlen, wenn es so lange dauert, bis die Pille Marktfähig wird…

Nieschlag: Absolut. Erst mal ist der Mann selber kein guter Lobbyist für sich und  die Pharmaindustrie ist ein Thema für sich. Wir brauchen sie natürlich. Ohne  Pharmaindustrie bekommen wir nichts auf den Markt. Wir haben als Forscher jahrelang mit der Pharmaindustrie gearbeitet. Zum Beispiel mit „Schering“ und „Organon“, die ja mit die größten Hersteller für die Pille für die Frau sind. 2006 hatten wir sie dann soweit, dass sie bei einer großen Studie mitgemacht haben.

Pflichtlektüre: Und was passierte dann?

Nieschlag: Dann kam es dazu, dass Schering vom Bayer- Konzern geschluckt wurde und Organon wurde von Merck gekauft. Das sind Beides riesen Konzerne, die nur an großen Indikationen interessiert sind. So z.B. Krebs und Herzfunktionen. Da bei der Pille für den Mann vor allem am Anfang kein großer Umsatz steht, ist die Industrie nicht interessiert. So wurde dann alles eingestellt. Leider! Schering und Organon hätten weiter gemacht.

Pflichtlektüre: Jetzt forschen Sie schon so lange an der Pille für den Mann und haben viele Rückschläge erlebt. Glauben Sie noch an einen Erfolg?

Nieschlag: Ich persönlich glaube fest daran, dass es funktionieren wird. Wir brauchen noch die richtige Kombination und Einstellung der Hormondosis. Auch von dieser abgebrochenen WHO- Studie lernen wir und sind auf die Auswertung gespannt. Was wir aber nun unbedingt brauchen sind Protagonisten, die sich einsetzen. Die WHO- Studie war ja trotz Abbruch ansich ein Erfolg: Es gab genauso wenige Schwangerschaften wie bei der Pille für die Frau.

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