Wissenswert: Warum sind wir so zerstreut?

Foto: flickr.com/Karen Roe, Rafael Robles L, Lars Kasper, NASA Goddard Photo and Video; Montage: Marc Patzwald, Teaserfoto: flickr.com/poniblog

Foto: flickr.com/Karen Roe, Rafael Robles L, Lars Kasper, NASA Goddard Photo and Video; Montage: Marc Patzwald, Teaserfoto: flickr.com/poniblog

Wer kennt ihn nicht: den genialen Professor, der aus dem Stehgreif 50 Theorien und 20 Standardwerke rezitieren kann, aber so zerstreut ist, dass er die Kreide nicht findet oder sein Hemd auf links angezogen hat. Man selbst ist da oft nicht besser: Wer ist nicht schon in ein Zimmer gegangen, nur um dort zu vergessen, was man eigentlich wollte. Aber warum sind wir zerstreut? Und was hilft dagegen?

Um das zu verstehen, müssen wir erst verstehen, wie wir uns erinnern. Das Gehirn besteht aus etwa 100 Milliarden Nervenzellen, auch genannt Neuronen. Die sind alle zu einem großen Netzwerk verbunden. Wenn eine dieser Nervenzellen von einem Reiz angeregt wird, leitet sie einen elektrischen Impuls weiter und aktiviert andere Nervenzellen.

Zerstreutheit - sie wird noch größer, wenn wir Stress haben.

Zerstreutheit - sie wird größer, wenn wir Stress haben. Fotos: Marie Denecke/Gerd Altmann/pixelio.de

Das Netzwerk ist dabei wichtig. Denn wenn wir an etwas denken – das ist zumindest heutiger Stand der Forschung –denken wir nicht nur an diese eine Sache, sondern an viele verschiedene Dinge, die diese Sache ausmachen. Beispielsweise denken wir nicht nur an unsere Haustürschlüssel, sondern an die Haustür, den Hauseingang oder das Geräusch, das der Schlüsselbund macht. Wenn wir an unsere eigenen Schlüssel denken, wird ein anderes Netzwerk von Nervenzellen aktiviert, als wenn wir an die Schlüssel von Mutti denken.

Aber was passiert, wenn gewisse Erinnerungen komplett verschwinden – zum Beispiel die Erinnerung daran, wo die Fernbedienung ist, die man eben noch in der Hand hatte? Wie wir generell vergessen, ist nicht genau geklärt. Eine Theorie besagt etwa, dass wir vergessen, weil Erinnerungen von neuen, spannenderen oder wichtigeren Erinnerungen überlagert oder gestört werden. Der Zugang zu den alten Erinnerungen geht daher verloren, sie sind nicht mehr ans Netzwerk „angeschlossen“.

Dass wir überhaupt vergessen, ist überlebenswichtig – denn wenn unser Gehirn alle Informationen, die es allein an einem Tag bekommt, abspeichern würde, wären wir nicht mehr alltagstauglich. Dann könnten wir nicht mehr zwischen Wichtigem und Unwichtigem, Dringendem und Lange-Bank-Projekten unterscheiden.

Wo sind bloß die Schlüssel? Im Alltag sind wir oft zerstreut.

Wo sind bloß die Schlüssel? Im Alltag sind wir oft zerstreut.

Welche Information „merk-würdig“ ist und welche nicht, entscheidet unser Gehirn – genauer: der rhinale Cortex und der Hippocampus im mittleren Temporallappen. Informationen von hoher Bedeutung werden als „merk-würdig“ eingestuft, ebenso Informationen, für die es im Gedächtnis schon emotionale Anknüpfungspunkte oder Erfahrungen gibt.

Auch die aktuelle Umgebung, in der sich ein Mensch befindet, kann Einfluss auf das haben, woran wir uns erinnern. Das führt zum Beispiel dazu, dass einem der Namen eines Kommilitonen nicht einfällt, wenn man ihn nicht auf dem Campus, sondern ausnahmsweise mal in der Stadt trifft. Das kann man aber auch zu seinem Vorteil umkehren: Lernt man für eine Klausur, merkt man sich eventuell mehr, wenn man dort lernt, wo die Klausur geschrieben wird – etwa in einem Hörsaal.

Sind wir gestresst, überfordert oder übermüdet, kann unser Gedächtnis viel weniger leisten – wir werden vergesslich. Bei Stress versucht das Gedächtnis, sich mehrere Dinge, die alle erledigt werden müssen, gleichzeitig zu merken. Wenn am selben Tag um 19 Uhr eine Ausarbeitung abgeschickt werden muss, bis 17 Uhr aber die Referatsgruppe unbedingt noch Rückmeldung haben will, dann ist erst einmal nicht wichtig, darauf zu achten, dass man mit zwei gleichen Schuhen in die Vorlesung geht. Menschen, die sowieso zerstreut sind, lassen sich dabei oft auch von ihrer eigenen Zerstreutheit stressen. Und das wiederum sorgt dafür, dass die Zerstreutheit größer wird.

Wie schusselig: Das Handy im Kühlfach, das TK-Gemüse auf dem Schreibtisch.

Wie schusselig: Das Handy im Kühlfach, das TK-Gemüse auf dem Schreibtisch.

Doch es gibt Abhilfe: Gegen die Alltagszerstreutheit kann helfen, Objekte mit anderen Objekten zu verbinden, da unsere Nervenzellen so neue Verbindungen herstellen und wir weniger schnell vergessen. Beispiel: Ich gehe jetzt in den Supermarkt, weil ich noch Reis kaufen will, damit ich mir nachher eine leckere Paella kochen kann. Man kann den Gegenstand, um den es geht, auch mit einer Geschichte verknüpfen. Und je verrückter die Geschichte ist, desto besser können wir uns den Hauptgegenstand merken.

Es hilft auch, sich einen Plan zu machen: Was ist wichtig und dringend und mache ich deswegen innerhalb der nächsten drei Stunden? Der Rest muss dann einfach warten.

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