Freundinnen des guten Geschmacks

Ein Beitrag von Lara Enste

Lauwarmes Essen in Dortmund, dekadente Deko in Düsseldorf, zuckriges Dressing in Wuppertal -alles Fälle für die „Mensafreunde“. Für einen Blog haben Johanne Luzyn und Susanne Pahl alle Mensen in Nordrhein-Westfalen getestet. Ihre Lieblingsmensa steht jetzt fest: Es ist die der Uni in Paderborn. Ein Mensabesuch mit zwei Freundinnen des guten Geschmacks.

In der Essener Mensa ist es recht leer. Um kurz vor zwölf steht man keine Minute für sein Essen an, die Bleche mit Pizza sind noch voll, die Nachtischauswahl ist groß. Susanne Pahl wählt die Thunfischizza mit einem kleinen Salat, Johanne Luzyn ordert den veganen Kartoffeleintopf. Nach dem ersten Bissen ist Johanne klar: „Vegan kriegt einfach kaum eine Mensa hin. Immer total ungewürzt und schlaff.“
Was sich anhört wie die ganz normalen Mensa-Kommentare von zwei Studentinnen, ist bei den beiden viel mehr: Johanne und Susanne testen alle Mensen in Nordrhein-Westfalen. Darüber schreiben sie seit November einen Blog, sie nennen sich die „Mensafreunde“. 13 staatliche Unis in Nordrhein-Westfalen betreiben eine Mensa, die beiden haben alle besucht. Ob Bielefeld oder Siegen, Münster oder Bonn – von ihrem Heimatort Essen aus haben die Studentinnen in den letzten Wochen viele Ausflüge unternommen.

 Johanne Luzyn testet am liebsten veganes und vegetarisches Essen - hier einen Kartoffeleintopf. Foto: Lara Enste

Johanne Luzyn testet am liebsten veganes und vegetarisches Essen - hier einen Kartoffeleintopf. Foto: Lara Enste

Jeden Dienstag ist eine NRW-Mensa dran


Der Dienstag ist ihr gemeinsamer freier Tag und somit Mensa-Tag gewesen. Susanne Pahl ist 25, schreibt gerade ihre Masterarbeit in Anglistik und ist bekennende Allesesserin. Johanne Luzyn ist 28, studiert Religion und Anglistik auf Lehramt und ist Vegetarierin. Sie mochten das Essen an der Uni schon immer.

„Kurz vor Ende des Studiums wollten wir das NRW-Ticket noch einmal voll nutzen“, sagt Susanne.
Auf die Idee sind sie mit einem Freund gekommen – in der Mensa. Alles hing am Anfang an einem Wort:  „Komponenten“. Für die Kulturwissenschaftlerinnen Susanne und Johanne war das eine Art Initialzündung: Wenn schon sprachlich ein Unterschied besteht – ob Beilagen, Komponenten oder Teile – welche Unterschiede gibt es von Mensa zu Mensa? Wie prägt eine Mensa das Lebensgefühl einer Uni? Ihnen geht es nicht um kulinarische Bewertungen. Keine Gourmet-Kritik, kein „Guide Michelin“ der NRW-Mensen. Stattdessen: Eine fast ethnologische Betrachtung der Speisestätten. Denn, sagt Susanne: „Wenn man in die Mensa geht, ist man ja per se kein Gourmet. Für uns steht deshalb das Leben in der Mensa im Vordergrund. Und das, was man vielleicht an Kultur in der Mensa entdecken kann.“ Johanne ergänzt kauend: „Wir sind ja eben Mensa-Freunde.“

Susanne und Johanne (r.) sind die "Mensafreunde". Foto: Lara Enste

Susanne und Johanne (r.) sind die "Mensafreunde". Foto: Lara Enste

Zeige mir deine Mensa und ich sage dir, wer du bist


In ihrer Heimatmensa in Essen treffen sich die beiden drei bis vier Mal die Woche. Für den Blog haben die beiden dann einmal pro Woche die Stadt gewechselt. Ohne viel Recherche ging es jedes Mal los. Auch ein Test-Schema hatten Johanne und Susanne nicht, jede konnte essen, worauf sie Lust hatte. Danach noch ein bisschen Sightseeing, dann ging‘s zurück in die Heimat. Zu Hause schreiben sie dann ihre Einträge: Mal lustig-launisch und gespickt mit Metaphern, mal poetisch in Form eines Haikus. Die festen Kategorien: „Mensation“, „das Haar in der Suppe“ und „Sursalzsprise“.

Susanne Pahl nennt sich selbst "Allesesserin". Foto: Lara Enste

Susanne Pahl nennt sich selbst "Allesesserin". Foto: Lara Enste

Ihre wichtigste Erkenntnis dabei kann Susanne schnell nennen: „Klischees bestätigen sich. Auch wenn wir das gar nicht so wollten. Düsseldorf zum Beispiel hat gratis Petersiliendeko ausliegen – der Inbegriff von ‚schöner Schein‘. Und solche Dinge finden wir eben immer.“ Da hat die Aachener Mensa schon mal „Pommesbudenästehtik“ oder die beiden erkennen Luhmanns Systemtheorie in der Bielefelder Mensa wieder. Zeige mir meine Mensa, und ich sage dir, wer du bist – nach diesem Prinzip analysieren die beiden mit den Mensen gleich noch die Uni-Städte. Und Johanne ist sich sicher: „Eine Mensa sagt sehr viel über eine Uni aus, da lohnt sich immer vorher ein Besuch. Auch wenn ich darüber nicht unbedingt meinen Studienort auswählen würde.“

Über den Tellerrand hinaus

Ihren Lesern gefällt das. „Erst dachten wir nicht, dass das außer unseren Freunden noch jemand den Blog liest“, erzählt Johanne. Mittlerweile haben die beiden in sozialen Netzwerken aber Fans über den Bekanntenkreis hinaus. Als Rückmeldung gibt es schon mal eigene Erfahrungen – zuletzt schickte ein Freund im Auslandssemester Fotos einer tschechischen Mensa.

Ein typisches Mensa-Essen. Mit der Pizza war Susanne zufrieden. Foto: Lara Enste

Ein typisches Mensa-Essen. Mit der Pizza war Susanne zufrieden. Foto: Lara Enste

Darüber freuen sich die beiden besonders:  „Das ist einfach eine witzige Idee. Wir blicken im wahrsten Sinne des Wortes über den Tellerrand hinaus – und können das auch jedem empfehlen.“
Eine Mission haben die beiden aber nicht. Jetzt, da ihre eigene Mensa in Essen frisch renoviert ist, haben sie erst recht nichts mehr zu meckern. Aber auch für alle anderen gilt: „Wir wollen gar nicht, dass sich etwas ändert.“ Mit allen ihren Macken habe jede Mensa ihren eigenen Charme, sagt Johanne, lächelt und räumt mit Susanne ihr Tablett ab. Sie sind eben wahre Mensa-Freundinnen.

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