Ist mein Studium das Richtige für mich?

Wenn eine Studentin mit dem Wunsch, Ärztin zu werden, kommt, und als angehende Stewardess geht, hat Josef Albers seine Finger im Spiel. In seiner Agentur Kernfindung in Köln unterstützt er Zweifler und Studienstarter bei der Entscheidungsfindung. 

Josef Albers ist Diplom-Psychologe und eröffnet Studierenden in drei Schritten neue Perspektiven Foto: Kernfindung.de, Köln

In Zeiten von G8 und Bologna stehen Abiturienten und junge Studienstarter immer mehr unter dem Druck, möglichst schnell das passende Studium zu finden und in den Beruf zu starten. Für viele endet das nach wenigen Jahren mit einem Studienabbruch und der Frage: Was will ich wirklich? 35 Prozent aller Studierenden in Deutschland brechen ihr Studium ab. Hilfe können Zweifler und Unentschlossene bei Josef Albers suchen. Seit mittlerweile über zwölf Jahren ist er in der psychologischen Berufsberatung tätig. 

Der Diplom Psychologe orientierte sich auch selbst noch einmal um: Nach seiner Lehre zum Bankkaufmann begann er mit dem Psychologiestudium. Den Berufseinstieg fand er im Bereich Personalwesen, wo er unter anderem in Bereichen wie Headhunting und Führungskräfteentwicklung gearbeitet hat. Die Form seiner Beratung, die es in dieser Art bis dahin nicht gegeben hat, hat er eigenständig entwickelt. 

Sein Angebot nutzen vor allem zwei Personenkreise: Zum einen Schüler und Studierende, bei denen es im Regelfall um die erste berufliche Qualifikation geht und zum anderen Fach- und Führungskräfte. Bei den Fach- und Führungskräften geht es um Themen wie Mobbing am Arbeitsplatz, Kündigung oder Burn-Out. Schüler und Studierende haben andere Probleme. Während Schüler meist vor der Frage stehen, wie sie nach dem Abitur weitermachen, haben die Studierenden ihr Studium entweder bereits abgebrochen oder stehen kurz davor. Im Interview mit der Pflichtlektüre erklärt Albers, wie er mit den Studenten am Scheideweg umgeht.

Wie läuft eine Beratung im Falle eines Studienabbruchs ab?

Die jüngsten Studierenden, die zu mir kommen sind meist Anfang 20, haben ein Semester BWL gemacht und merken, dass das Fach überhaupt nicht zu ihnen passt . Die ältesten sind Anfang 30, da gestaltet sich der Einstieg in den Arbeitsmarkt natürlich schwieriger, denn diese Personengruppe hat meist schon „einige Züge fahren lassen“ und es dadurch schwerer, denn im Falle einer Ausbildung wollen Arbeitgeber normalerweise jemanden haben, der jünger ist. Zunächst biete ich den Klienten an, dass sie zu einem kostenfreien, unverbindlichen Vorgespräch vorbei kommen. Die Chemie muss stimmen, sonst macht eine Beratung keinen Sinn. Im Vorgespräch geht es darum mein Gegenüber kennenzulernen: Wie bist du zu deinem Studium gekommen? Was hast du für Leistungskurse gehabt? Was sind deine Stärken? Was wünschst du dir von der Beratung? Was machen deine Geschwister oder eine Eltern?

Stärken, Motive und Eigenschaften werden so lange gefiltert bis ein Plan A, B und C entsteht
Foto: Mara Desgranges

Wie geht es dann weiter? 

Wenn gewünscht machen wir dann die Begabungsanalyse. Als erstes konzentrieren wir uns auf die Stärken und Fähigkeiten. Wir müssen den Stärken auf den Grund gehen, denn nur damit werden wir erfolgreich. Der zweite Aspekt mit dem wir uns beschäftigen, ist die Frage, was einen morgens aus dem Bett holt. Es gibt unterschiedliche Motive: Die einen möchten reich und berühmt werden, andere möchten etwas Sinnvolles machen. Werden unsere Motive nicht erfüllt, dann können wir nicht glücklich werden. Letztendlich bedeuten die Stärken: Was kann ich? Und die Motive: Was will ich eigentlich? Der dritte wesentliche Aspekt ist die Sicht von außen, z.B. Persönlichkeitseigenschaften. Geld verdienen heißt immer, dass andere Leute unsere Leistung beurteilen. Das sind unter anderem Kriterien wie Durchhaltevermögen, Extraversionen, Sorgfalt und Genauigkeit. 

Und wie finden Sie die Stärken, Motive und Persönlichkeitseigenschaften heraus? 

Wir arbeiten über verschiedene Stufen mittels unterschiedlicher Methoden. Zum Beispiel setze ich einen Bogen ein, der heißt „Deine Hilfe ist gefragt..“, den der Klient an einige Menschen weitergibt, die ihn kennen. Das können Freunde, der Trainer, Eltern oder Verwandte sein. Wir nennen das in der Psychologie „Fremdbild“. Wir zapfen das Wissen an, das in der Umgebung der Person da ist. Im weiteren Verlauf setze ich auch ein wissenschaftliches Testverfahren ein, dass aus den Bereichen Mensch, berufliche Interessen, Persönlichkeitseigentschaften und Intelligenz besteht. Ich möchte jenseits der Schulnoten mal wissen, wie mein Klient intellektuell aufgestellt ist.

Der Fremdbildfragebogen wird an vier bis sechs Personen aus dem Umfeld weitergegeben
Foto: Mara Desgranges

Wir haben dann schon sehr viel Information herausgefiltert und das, was am Ende herauskommt, nenne ich die „Erkenntniskörnchen“. Jemand, der sehr tierlieb ist, muss aber nicht unbedingt beruflich mit Tieren arbeiten wollen. Das bedeutet für uns, wir müssen die „Erkenntniskörnchen“  filtern, die eine berufliche Relevanz haben. Daraus  können wir dann einen Plan A, einen Plan B und optional auch einen Plan C aufstellen. Am Ende kann Plan A dann ein Studiengang und Plan B eine Ausbildung sein. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die große Klammer um die Begabungsanalyse bildet dann das Thema Entscheidungsfindung. Der Grund, weshalb es so schwer fällt, eine berufliche Entscheidung zu treffen, sind die Unmengen an Information, mit denen wir konfrontiert werden. Hinzu kommen die Einflüsse der Eltern und Freunde, die uns teilweise auch mit Vorurteilen konfrontieren. Bei der Entscheidungsfindung geht es darum, wie man sich in diesem komplexen Prozess selbst steuern kann. 

Mittels welcher Methode werten Sie die Ergebnisse aus? 

Im Laufe der Zusammenarrbeit beschäftigen wir uns mit verschiedenen Aspekten. Wir grenzen sozusagen über die Zeit die Bereiche, die in Frage kommen, immer weiter ein. Im Wesentlichen gibt es sechs grobe Bereiche:

1. Realistic
Das sind praktische und technische Berufe. Darunter fallen alle Handwerksberufe sowie ingenieurswissenschaftlichen Studiengänge.
2. Investigative
Wissenschaftliche oder forschende Berufe – Im Wesentlichen an der Universität, beispielsweise Naturwissenschaften. Investigative bedeutet eine vertiefte wissenschaftliche Auseinandersetzung. Nach dem Bachelor und Master promovierten in diesen Studiengängen vergleichsweise viele Absolventen.
3. Artistic
Beispielsweise Mediadesign oder Kunst. Artistic kann im sprachlichen Bereich, oder aber im gestalterischen Bereich stattfinden. Eine (angewandt) kreative Tätigkeit.
4. Social
Alle sozialen, helfenden Berufe. Vom Altenpfleger bis hin zum Psychologen.
5. Enterprising
Enterprising steht für die unternehmerischen und wirtschaftsnahe Berufe. Da ist im Regelfall etwas mit BWL dabei bzw. eine kaufmännische Ausbildung.
6. Conventional
Das bezeichnet in der Regel Berufe im öffentlichen Dienst. Die Polizei gehört dazu, die Stadtverwaltung, ebenso wie das Bibliothekswesen.

Wenn man in Dortmund Wirtschaftsingenieurwesen studiert, ist das eine Kombination aus BWL bzw. Enterprising und Realistic. So grenzen wir die Bereiche immer mehr ein, damit die Klienten sich am Schluss der Beratung darüber klar sind, auf welche Bereiche sie sich festlegen wollen. In der finalen Sitzung setzt sich der Klient mit unseren Vorschlägen auseinander und kanalisiert diese: Es gibt drei Kategorien, in die die Studiengänge eingeordnet werden:„interessant“, „mal schauen“ und „raus“. Bei diesem Vorgehen ergeben sich schließlich Plan A und PLan B. Bis dahin haben wir viele Informationen sorgfältig abgewogen – und natürlich Fragen des Klienten geklärt. 

Woran scheitern die meisten Studienabbrecher? 

Die meisten wissen gar nicht, worauf sie sich einlassen. Viele haben sich vorher noch gar nicht informiert und sind einfach mit dem Freund oder der Freundin mitgegangen, aus Angst, die Person aus den Augen zu verlieren. Häufig werden auch einfach Leistungskurse fortgeführt. Hatte man Deutsch Leistungskurs, studiert man Germanistik und wenn man Bio LK hatte, dann schreiben sich viele für Biologie oder Zoologie ein. Auf dem Arbeitsmarkt kann das aber etwas völlig anderes bedeuten. Ein weiterer Aspekt, warum Studierende abbrechen, ist eine gering ausgeprägte Strukturneigung. Jemand, der eher künstlerisch geprägt ist, tut sich meist sehr schwer mit strukturierten Vorbereitungen. Im Studium ist das allerdings extrem wichtig. 

Gibt es auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern? 

Frauen sind tatsächlich oft einfach ehrgeiziger und haben bessere Noten als Männer. Das heißt, Frauen können oft fast alle Studiengänge studieren. Immer weniger Männer schaffen den Durchschnitt von 1,0 für Medizin oder Psychologie. Deswegen haben wir bald vielleicht fast nur noch Psychologinnen, Medizinerinnen und Grundschullehrerinnen. Ich persönlich finde das ja charmant, aber wo bleiben denn die Kerle, auch im Hinblick auf Vorbilder im Bereich Schule.

Wie finde ich den richtigen Studiengang für mich?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Man kann meditieren, bis einem die Erleuchtung kommt, oder man geht ins Internet und nutzt Online Self-Assessments, von denen es etliche gibt.

Macht man diese Tests konsequent, bekommt man zumindest ein erstes Ergebnis, eine Richtung. Allerdings sollte man zu Anfang die Studientests von spezifischen Universitäten meiden. Die Tests sind nicht falsch, aber die Empfehlungen beschränken sich meist nur auf die Studiengänge, die an dieser Uni angeboten werden. Diese Online Self-Assessments brauchen Zeit und Energie. Man sollte sich intensiv mit der Auswertung beschäftigen. Wenn einem die Internettests nicht zusagen, gibt es die Möglichkeit der Berufsberatung oder der psychologischen Berufsberatung. 

 Gibt es Studiengänge in denen häufiger abgebrochen wird als in anderen ?

Anspruchsvolle Studiengänge werden häufiger abgebrochen. Die Uni-Abbruchquoten sind höher als die der Fachhochschulen. Das liegt daran, dass die Uni eher theorielastig und die FH häufig anwendungsorientiert ist. Maschinenbau und andere technische Studiengänge werden häufiger an der Universität abgebrochen, als an der FH.

Technik und Naturwissenschaften werden tendenziell eher, Sozialwissenschaften seltener abgebrochen. Ein anderes Phänomen ist Medizin: Bei einem NC von 1,0 fangen meist nur noch Leute an, die ein „Superbrain“ sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Studium abgebrochen wird, ist sehr gering, ähnlich verhält es sich im Fach Psychologie.

Welche Tipps können Sie Studierenden mit auf den Weg geben, die sich unsicher sind, ihr Studium fortzuführen?  

Zunächst würde ich erstmal schauen, wie weit man in seinem Studium schon ist. Es gibt zwei„Typen“ von Klienten: Die einen stehen noch relativ am Anfang ihres Studiums und haben dementsprechend wenig Scheine in der Tasche, die anderen sind zum Teil schon sehr weit und haben nur noch zwei, drei Semester bis zum Abschluss. Dann heißt es abwägen, ob man sich nicht doch noch bis zur Bachelorarbeit zusammenreißen kann. In bestimmten Fällen würde ich dazu raten, das Studium abzuschließen, damit man etwas in der Tasche hat und sich danach umorientieren kann. Hier gibt es aber auch Ausnahmen, zum Beispiel wenn jemand jegliche Lust verloren hat und sich jeden Tag in die Uni quält. Hier hilft nur, ehrlich zu sich selbst zu sein. 

Im Zweifel sollte man zunächst die Studienberatung an der Universität aufsuchen. Die Kollegen vor Ort kennen die Studienlandschaft bei sich sehr gut und können gezielt Alternativen anbieten, bei denen man eventuell noch Credit Points mitnehmen kann. Eine weitere Orientierungsmöglich sind Praktika. Ich rate den Studierenden, lieber ein Praktikum mehr zu machen. Vielleicht müssen sie dadurch ein Semester länger zu studieren, aber haben in der Zwischenzeit die Möglichkeit gehabt, in die Praxis rein zu schnuppern und bestenfalls schon Kontakte zu potentiellen Arbeitgebern geknüpft. 

Was ist für Sie persönlich das Wichtigste an Ihrer Arbeit?

Es sind die Feedbacks, die mich glücklich machen. Wenn ich höre, dass meine Klienten jetzt etwas machen, das ihnen gefällt und ins Tun gekommen sind. Viele sind anfangs blockiert, lassen sich durch Ängste und Zweifel „jeck“machen, wie es der Kölner zu sagen pflegt. Nichts ist schöner, als wenn die Klienten gestärkt und mit einem guten Gefühl hier aus der Beratung gehen – und ihr Ding machen. 

Beitragsbild: Mara Desgranges

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert