Der Versuchung widerstehen

Verzicht, Disziplin und Motivation. Drei Begriffe, mit denen ein Genussmensch wie ich auf Kriegsfuß steht. Fastenzeit fand für mich bis jetzt nicht statt, mochten die Vorsätze auch noch so vielversprechend sein, am Ende siegte der innere Schweinehund. Alles eine Charakterfrage oder kann man Disziplin auch lernen? Von einem Genussmensch, der einen Entschluss fasst.

Ich liebe Cocktails, ich stehe total auf das Prickeln von Prosecco in meinem Mund und ein tolles Essen wird für mich durch ein Glas Wein erst richtig zum Hochgenuss. Ich bin nicht abhängig, aber ein Genussmensch – und Alkohol in den verschiedensten Formen ist für mich ein echtes Genussmittel. Ein bisschen so, wie für andere eine Tafel Schokolade. Das Problem mit diesen Genussmitteln ist nur: es fällt so furchtbar schwer wieder aufzuhören, wenn man einmal angefangen hat. „Nur ein kleines Schlückchen“, sage ich mir immer und dann ist doch irgendwann die Flasche leer und ich bin beschwippst. Furchtbar ist das und ich könnte mir dann immer in den Hintern beißen.

Chocoholic - macht Schokolade abhängig? Foto: heike/pixelio.de

Chocoholic - macht Schokolade abhängig? Foto: heike/pixelio.de

Alkohol spricht das Belohnungssystem im Gehirn an. Dieses schüttet Endorphine aus, die uns glücklich machen, uns im extremen Fall in einen Rausch versetzen. Dass Alkohol diesen Effekt hervorruft ist lange bekannt. Eine Forschergruppe an der Universität Princeton konnte in Versuchen mit Ratten auch nachweisen, dass Zucker einen ähnlichen Effekt hat. Nach einer intensiven Fütterung mit Zuckerwasser über einen Zeitraum von vier Wochen wurden die Tiere „zuckerabhängig“ und zeigten bei einem anschließenden Zuckerentzug Reaktionen wie ein Alkoholabhängiger. Für den Menschen ist das wissenschaftlich noch nicht nachgewiesen und auch über die Menge, die ein Mensch zu sich nehmen müsste, um abhängig zu werden, lässt sich noch nichts sagen. Fest steht aber, dass es einen gewissen Effekt auf das Belohnungssystem im Gehirn gibt, was das Verzichten schwerer macht.

Bilder machen Appetit

Ablenkung ist eine gute Hilfe. Im Supermartkt sollte man möglichst nicht vor dem entsprechenden Regal stehen bleiben und sich vorstellen, wie es wäre, jetzt etwas hiervon oder davon zu naschen. Das Gleiche gilt für Fernsehwerbung: lieber umschalten und sich nicht der Verlockung der Bilder aussetzen. Denn wie eine Studie von Professor Axel Steiger am Max-Planck-Institut für Psychiatrie nachwies, können schon allein Bilder von Nahrungsmitteln Prozesse im Körper in Gang setzten die den Appetit anregen. Ein Effekt, den jeder schon an sich selbst beobachtet hat, ist damit auch wissenschaftlich bestätigt.

Natürlich spielt bei allem Verzicht Disziplin eine ganz entscheidende Rolle. Um ehrlich zu sein, ist es um meine Disziplin nicht allzu gut bestellt. Mein Genussverhalten lässt sich relativ gut in mein alltägliches Verhalten übertragen. Ich setze einfach nicht das in die Tat um, was ich mir vornehme. „Was ich heut‘ nicht muss besorgen, das verschieb ich gern auf morgen“ lautet dann mein, von der ursprünglichen Weisheit etwas abgewandeltes Motto.

Die wohl größte süße Versuchung. Foto: birgith/pixelio.de

Die wohl größte süße Versuchung. Foto: birgith/pixelio.de

Da bewundere ich immer Menschen, die es schaffen, in der jetzt auch wieder anbrechenden Fastenzeit 40 Tage auf etwas Bestimmtes ganz zu verzichten – und sei es nur Schokolade. Meist konnte ich dann feststellen, dass diese Menschen auch in anderen Lebenslagen mehr Disziplin haben und ihre Pläne zielstrebiger verfolgen als ich.

Disziplin lernt man schon als Kind

Aber woher kommt das? Warum sind manche Menschen so unglaublich diszipliniert und andere eher weniger? Professor Julius Kuhl von der Universität Osnabrück hat sich mit genau dieser Frage beschäftigt. „Wem als Kind größtmögliche Selbstständigkeit abverlangt wurde, der entwickelt eine starke Leistungsmotivation“, sagt Kuhl. Aber auch wer häufig Kränkung und Frustration erfahren musste, kann eine solche Motivation entwickeln. Hier ist der Motor dann die Suche nach Anerkennung und Bestätigung.

Neben der Motivation ist auch der Durchhaltewille entscheidend. Das ist die Fähigkeit sich von Rückschlägen nicht abschrecken zu lassen, statt Trübsal zu blasen weiter zu machen und aus seinen Fehlern zu lernen. Dieses Verhalten kann man beeinflussen und antrainieren, sagt Kuhl. Lob und Ermutigung sind dafür ganz entscheidend. Wer durch Eltern, Freunde oder Professoren positive Rückmeldungen und Belohnungen erhält, hat mehr Durchhaltevermögen als andere.

Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch auch, dass Talent eine gewisse Rolle spielt. Beschäftige ich mich mit Aufgaben, die mir leichter von der Hand gehen, ist es um einiges leichter, sich für diese zu motivieren und sie bis zum Ende durchzuziehen.

Das Gehirn verhindert,  Pläne durchzuziehen

Nun sind aber leider nicht alle Aufgaben, die ich angehen möchte, Königsdisziplinen meiner Talente. Dass es mir nicht immer gelingt, all meine Pläne in die Tat umzusetzen, heißt aber nicht sofort, dass ich eine miese Kindheit ohne Lob und ohne die Chance auf Selbstständigkeit erlebt habe. Noch ein anderes Phänomen in der Struktur unseres Gehirns legt uns Steine in den Weg. Der „Antagonismus zwischen Intentionsgedächtnis und Verhaltenssteuerung“ nennt Kuhl das in der Fachsprache. Im Klartext bedeutet das: der Bereich unseres Gehirns, der Pläne schmiedet, ist mit dem Bereich, der uns handeln lässt, nur mäßig verknüpft. Das hat den Vorteil, dass wir in komplexen Situationen nicht vorschnell aus einem Affekt heraus handeln, was durchaus sinnvoll ist. Das hat aber eben auch den Nachteil, dass es uns schwer fällt, Pläne nachhaltig in die Tat umzusetzen.

Im Gegensatz zu Tieren, die ihren Trieben relativ hilflos ausgesetzt sind, hat der Mensch zumindest theoretisch einen Vorteil, erklärt Kuhl: die Fähigkeit zur Verhaltenskontrolle. Ein Mensch kann sich seiner Gefühle bewusst werden und somit Einfluss auf sein Verhalten nehmen. Klar das ist anstrengender, als sich einfach nur seinem Gefühl, beispielsweise der Lust auf Schokolade, hinzugeben und deshalb machen wir nicht immer von dieser Fähigkeit Gebrauch.

Verhaltenskontrolle durch ungewöhnliche Gedanken

Ein guter Trick ist, sich mit ungewöhnlichen Gedanken von seinen Gefühlen abzuschirmen. Man kann zum Beispiel versuchen, sich die Tafel Schokolade im Schweinestall auf dem Fußboden vorzustellen, möglicherweise vergeht einem dann der Appetit. Oder man denkt an die hässlichen Fettpolster an seinem Hintern, die man unbedingt loswerden will. Tabu sind hingegen sinnliche Gedanken wie zum Beispiel der Geschmack von Schokolade, wie er sich auf der Zunge ausbreitet.

Fassen wir zusammen: auch wenn es einem das Belohnungssystem gerne schwer macht, ist Verzicht mit ein paar Tricks durchaus machbar und die benötigte Disziplin lässt sich zumindest teilweise üben. Entscheidend ist vor allem die richtige Motivation und Lob von anderen.

Genuss im Glas, ein Fruchtcocktail. Foto: chris-beck/pixelio.de

Genuss im Glas, ein Fruchtcocktail. Foto: chris-beck/pixelio.de

Mein Entschluss

Ich will mir unbedingt beweisen, dass ich ein disziplinierter Mensch sein kann und da meine Versuche, mein Zeitmanagement für die Uni, Aufgaben wie frühzeitiges Lernen vor Klausuren und pünktliches Aufstehen am Morgen in den Griff zu kriegen, bis jetzt immer gescheitert sind, habe ich mir überlegt, das Problem von der anderen Seite anzugehen. Ich versuche es mit Verzicht auf mein liebstes Genussmittel, „Alkohol-Fasten“ sozusagen. 365 Tage lang, das ganze Jahr 2012. Wenn ich es schaffe, mir dort die Bestätigung und das Glücksgefühl eines Erfolges zu holen, dann lässt sich das vielleicht auch auf meinen Alltag übertragen und ich kann insgesamt disziplinierter sein.

Bis jetzt habe ich brav durchgehalten –  aber es sind ja auch erst 50 Tage rum. Schwer wird es im Sommer, wenn die Beachbars mit ihren Cocktails locken. Dann werde ich mir Cocktails vor Güllegruben vorstellen, das vertreibt dann hoffentlich den Durst.


1 Comment

  • Berlin Blog sagt:

    Also ich kann dich wirklich verstehen, aber das Wort „Alkohol-Fasten“ tut mir irgendwie richtig in der Seele weh!
    Ich drück dir die Daumen, dass du es durchhältst ; )

    Grüße aus Berlin.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert