
Beitragsbild: A. Birkan Çaghan bei Flickr. Lizensiert nach Creative Commons 2.0 Generic
Jeder Buchstabe ist eine Qual. Die Haut wird langsam rot, die Finger schmerzen, selbst der Kugelschreiber scheint schwerfälliger über das Blatt zu huschen als noch zu Beginn der Vorlesung. Doch der Professor redet unermüdlich – und wer nicht mitschreibt, hat in der Klausurphase ein Problem.
Viele sind deshalb längst auf Laptop oder Tablet umgestiegen. Das geht nicht nur schneller, sondern schont auch die geschundenen Studentenhände. Und überhaupt: Wer schreibt bitteschön noch handschriftliche Briefe, notiert sich schöne Sprüche oder trägt händisch etwas in den Kalender ein? Die Handschrift scheint auszusterben, der digitale Mensch hat immer seltener Verwendung für sie.
Der National Handwriting Day, der in den USA traditionell am 23. Januar gefeiert wird, ist für Nostalgiker jedoch ein Anlass, sich die Historie des handgeschrieben Wortes noch einmal vor Augen zu führen. Im Jahr 1977 rief der amerikanische Verband für Stifte und Papier – die Writing Instrument Manufacturers Association (WIMA) – den Feiertag ins Leben. Handschrift-Liebhaber hatten wohl schon damals geahnt, dass es irgendwann einen eigenen Tag brauchen würde, um sich an den Ursprung der Handschrift zurückzuerinnern. Sie finden:
The lost art of handwriting is one of the few ways we can uniquely express ourselves. There’s something poetic about grasping a writing instrument and feeling it hit the paper as your thoughts flow through your fingers and pour into words.
Eine der wenigen Institutionen, die in Deutschland noch auf das geschrieben Wort setzen, ist der Bundestag. Er beschäftigt 30 Stenographen, die alle Reden und Diskussionen im Parlament Wort für Wort mitschreiben – per Hand. Und das in einer Rekordgeschwindigkeit: Die Stenographen schaffen bis zu 400 Silben in der Minute. Sie schreiben in einer eigenen Schrift, der Kurzschrift, die sich schneller schreiben lässt als die normale Schrift am Computer. Gerd Rölleke vom Stenografenverein Dortmund kennt ein paar Tipps, wie man in der Vorlesung beim Mitschreiben per Hand viel Zeit sparen kann.

Das Alphabet in Deutscher Einheits- kurzschrift (DEK) (Bild: Immanuel Giel/ wikipedia.de)
Häufig verwendete Worte wie „der“, „die“ oder „das“ beispielsweise können durch Striche abgekürzt werden.
Das Wort „und“ ist in der Kurzschrift ein waagerechter Strich – das funktioniert auch beim normalen Alphabet.
Vor allem aber arbeiten Stenographen mit Abkürzungen. Sie lassen beispielsweise viele Endungen weg. So wird aus „wir denken“ nur „wir denk“. Die Endung erschließt sich ohnehin von selbst. Der gleiche Trick funktioniert auch in der Mitte eines Wortes: Aus „mitgegangen“ wird „mitgang“.
Wer diese Tricks beherrscht, der kann zu Abkürzungen für ganze Worte übergehen. „Gesellschaft“ heißt dann nur noch „Gschaft“, aus „Geschäft“ wird ein einfacher, langer Strich. Die Profis verwenden übrigens einen Bleistift zum Schreiben, im Idealfall einen besonders weichen. Mit dem kann durch unterschiedlichen Druck die Bedeutung eines Wortes verstärkt werden. Bei Stenographen ist die Hälfte aller Selbstlaute nur noch durch den Druck zu erkennen.
Bis man die Kurzschrift wirklich beherrscht, können jedoch Jahre vergehen. Am Ende geht das Mitschreiben dafür drei- bis viermal so schnell. Auf der Homepage des Stenografenvereins kann man Termine für Kurzschreib-Kurse einsehen, die in der Regel zwei Mal wöchentlich stattfinden. Viele Teilnehmer kommen, um eine zusätzliche Qualifikation zu erwerben. Allerdings werden Stenographen heutzutage nur noch in Parlamenten wie dem Bundestag oder bei Rechtsanwälten eingesetzt.
National Handwriting Day zelebriert das Schreiben
Der National Handwriting Day fällt übrigens nicht zufällig auf den 23. Januar: Es ist der Geburtstag von John Hancock (*1737). Der Amerikaner unterzeichnete als Erster die Unabhängigkeitserklärung der USA am 4. Juli 1776. Unter das Originaldokument setzte er eine etwa 13 Zentimeter große Unterschrift. Auf ihn geht auch die amerikanische Redewendung“Put your John Hancock here!“ zurück: „Bitte hier unterschreiben!“
Gotta love John Hancock. If you ever sign your own death warrant, do it large and do it fancy. #respect pic.twitter.com/o4vWsLEWzd
— Mike Hansen ⛵⚓ (@MikeHansen613) July 19, 2015
Auch die Webseite WikiHow hat sich dem National Handwriting Day gewidmet und empfiehlt folgende Anleitung, um den Tag richtig zu „zelebrieren“:
Also: Heute mal Finger weg von der Tastatur und ran an den Block (auch wenn dieser Text aus logistischen Gründen am PC geschrieben werden musste).
It's #NationalHandwritingDay https://t.co/c0lfKQeZ5z
— The Artery (@thearteryshop) January 23, 2017
https://twitter.com/DeliaCazzato/status/823454860259561472
#horrorprompt
the pain is real.#nationalhandwritingday
@ MV2Studios 2017 pic.twitter.com/EFX2ngzcga— Michael van Vuuren (@mikemumbled) January 23, 2017
It's crazy how often you see people whipping out notebooks to write in, and this is just from 2004. #Antm3 #nationalhandwritingday
— AT AT (@alxxgc0) January 23, 2017