Wie die „Generation Kopf unten“
ihren Körper kaputt macht

Die „Generation Kopf unten“ starrt ständig auf ihr Smartphone. Aber nicht nur das: Sie sitzt stundenlang vor dem Computer oder im unbequemen Hörsaal, schleppt schwere Taschen und bewegt sich wenig. Welche Auswirkungen hat das auf den Körper und wie kann man Schäden vorbeugen?

Es gibt heutzutage Krankheiten, die gab es vor einigen Jahren noch nicht. Ärzte diagnostizieren einen Smartphone-Nacken, Handydaumen oder Mausarm. Es wird von der „Generation Kopf unten“ gesprochen. Häufig sitzen diese Patienten kurze Zeit später im Behandlungsraum eines Physiotherapeuten. Zum Beispiel in der Praxis von Astrid Müller-Rohleder im Dortmunder Südbad. Sie habe das Gefühl, dass diese Problematik zunehme: „Man hat häufig keine klare Diagnostik, sondern eher ein Krankheitsbild.“ Das Hauptklientel seien Menschen mit Verspannungen oder anderen Problemen in den Bereichen Schultern, Nacken oder Lendenwirbelsäule. Außerdem würden die Patienten immer jünger – ihre Kollegin Anika Lange behandelt oft auch Studierende: „Am häufigsten kommen die, wenn sie lange sitzen. In der Klausurenphase oder während der Masterarbeit.“

Die Physiotherapeutinnen Anika Lange und Astrid Müller-Rohleder (v.l.) behandeln immer wieder auch Studierende mit Fehlhaltungen.

Je stärker der Kopf geneigt ist, desto größer wird die Belastung für die Wirbelsäule

Ein großes Problem sei, dass die Schmerzen durch Fehlhaltungen häufig sehr spät auftreten, sagt Rohleder: „Die Schmerzen kommen oft erst nach Jahren, der Körper kompensiert leider sehr lange.“ Und dabei sind nicht nur Nacken und Rücken betroffen, berichten die Physiotherapeutinnen, das wirke sich auf den ganzen Körper aus. Die Liste der möglichen Probleme ist lang: verkürzte Muskeln, schlechte Durchblutung, eingeschränkter Stoffwechsel, Bauchschmerzen und Abnutzungserscheinungen an den zusammengedrückten Wirbelgelenken.

Welche Kräfte bei der Smartphone-Nutzung auf den Körper wirken, veranschaulicht eine Studie des New Yorker Wirbelsäulenchirurgen Kenneth Hansraj besonders eindrücklich. Hält man den Kopf gerade, lastet auf den Halswirbeln ein Gewicht von ungefähr vier bis fünf Kilogramm. Wird er jedoch nach vorne gekippt, um auf das Smartphone zu schauen, nimmt der Druck schnell zu: Bei einer geringen Neigung von nur 15 Grad sind es schon zwölf Kilogramm, so viel wie ein gefüllter Wasserkasten. Bei 30 Grad sind es 18 Kilogramm – hier wären die Wasserflaschen aus Glas. Bei 45 Grad Neigung sind es 22 Kilogramm. Und schaut man mit einer Kopfneigung von 60 Grad auf sein Smartphone, dann lastet auf den Halswirbeln ein Gewicht von 27 Kilogramm. Das ist als würde einem ein siebenjähriges Kind im Nacken sitzen.

Bei der Smartphone-Nutzung sollte man versuchen, den Kopf möglichst gerade zu halten. Sonst leidet die Wirbelsäule.

Auch für Menschen die bereits Probleme haben, lohne es sich, die Körperhaltung zu verbessern und die Schmerzen so zu lindern, sagen Astrid Müller-Rohleder und Anika Lange. Aber besser sei es natürlich, vorzubeugen. „Der erste Schritt ist die Selbstreflexion und die Körperwahrnehmung. Was ist denn überhaupt eine gerade Haltung?“, sagt Rohleder. Dazu haben die Physiotherapeutinnen drei einfache Übungen, die jeder ohne viel Aufwand machen kann.

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Sie selbst sind diesen Belastungen natürlich auch ausgesetzt und versuchen deshalb, die Vorbeugung in ihren Alltag zu integrieren. Anika Lange: „Die Menschen wundern sich oft wenn ich ihnen erzähle, wie ich mich Zuhause bewege. Ich mache zum Beispiel Ausfallschritte beim Föhnen oder Zähneputzen.“ Und Astrid Müller-Rohleder erzählt: „Ich habe zwei Stühle am Computer stehen und wechsele oft hin- und her.“ Außerdem könnten Studierende eine Station vor der Universität aus dem Bus oder der S-Bahn aussteigen und das letzte Stück laufen. Rohleder: „Zwei Stunden Sport am Tag reichen nicht aus, um eine schlechte Haltung in den restlichen 22 Stunden auszugleichen.“

Teaser-/Titelbild: flickr, Jörg Schubert unter Verwendung der Creative-Commons-Lizenz, Zuschnitt Anne Palka. Beitragsbilder: Anne Palka.

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