Duell am Donnerstag: Wie effektiv ist der Mindestlohn?

Seit Anfang des Jahres ist der Mindestlohn von 8,50€ pro Arbeitsstunde Realität in Deutschland. Schon vor dem Gesetzbeschluss diskutierten Politiker, Wirtschaftsbosse und Arbeitnehmer darüber. Schützt der Mindestlohn bildungsferne Schichten vor Ausbeutung oder gefährdet er Minijobber? Unsere Autoren im Meinungskampf.

Mindestlohn bedeutet Respekt

findet Christina Joswig

Kevin hat einen Hauptschulabschluss. Er ist vielleicht nicht so gebildet wie ein Gymnasiast – geschweige denn ein Top-Unternehmer. Dennoch steht es ihm genauso zu, für seine Arbeit wenigstens einen Lohn zu bekommen, von dem er leben kann. Und mal ehrlich: Mit einem Stundenlohn von 8,50 Euro kommt man bei 38 Stunden pro Woche auf 1400 Euro. Reich wird man damit nicht.

Laut Kaffeereport 2013 trinken die Deutsch pro Sekunde 2315 Tassen Kaffee. Dabei ist der ein oder andere Kaffee zum Beispiel von Starbucks. Fünf Euro kann der gut und gerne kosten. Damit gibt man im Handumdrehen das aus, was ungelernte Arbeiter pro Stunde verdienen. Eine Stunde am Band, beim Regale einräumen oder hinter einer Ladentheke – für einen Kaffee.

Wer voll arbeitet, soll auch so bezahlt werden

Möchten Menschen wie die Starbucks-Gänger selbst diese Arbeit machen? Wohl eher nicht. Wieso sollte jemand, der körperlich anstrengende Arbeit verrichtet und das womöglich sein Leben lang, nicht wenigstens einen Lohn von 8,50€ bekommen, frage ich mich. Es kann nicht sein, dass jemand, der einen Vollzeitjob hat, nicht von seinem Einkommen leben kann. Das verletzt die Menschenwürde.

Viel Geschrei, viel Getöse. Eine Folge des Mindestlohns sagen Kritiker: Konsumgüter werden teurer! Das ist tatsächlich eine mögliche Konsequenz des Mindestlohns: höhere Arbeitskosten, also höhere Preise für den Endverbraucher. Diese sollten es uns wert sein. Wir sollten uns moralisch dazu verpflichtet fühlen, für unser Brötchen ein paar Cent mehr auszugeben, damit die Verkäuferin, die seit sechs Uhr hinter der Theke steht, ihren Lebensunterhalt bestreiten kann. Worum es hier letztendlich geht, ist nämlich eins: Respekt. Respekt vor unseren Mitmenschen und vor der Arbeit, die sie verrichten und von der wir letztendlich profitieren. Ja, ohne die wir überhaupt nicht leben könnten.

Mindestlohn als Schutz vor Ausbeutung

Ein weiterer Punkt: Es muss Menschen geben, die Arbeiten verrichten, für die sich anderen zu schade sind. Das kann der Mann sein, der täglich die Bahnhofstoiletten putzt, die Frau, die die Scheiben im Büro reinigt oder der Kellner, der uns das Essen serviert. Und dann gibt es wiederum Menschen, denen wegen fehlender Qualifikation nichts anderes übrig bleibt, als diese unterbezahlten Jobs anzunehmen. Das ist ein Teufelskreis! Der Mindestlohn schützt Menschen davor, von unserem Staat ausgenutzt zu werden. Das gilt vor allem für bildungsfernere Menschen und für Flüchtlinge. Die laufen nämlich sonst Gefahr, für einen unwürdigen Lohn die volle Arbeit abzuleisten.

Fakt ist: Wir müssen aufhören, nur an uns zu denken. Wie bekomme ich meine Konsumgüter möglichst günstig? Wir sollten uns lieber fragen: Was kann ich tun, damit niemand von seinem Gehalt nicht leben kann – trotz eines Vollzeitjobs? Und so schwer ist das gar nicht. Wenn ich einmal im Monat auf die teure Jeans oder den Kinobesuch verzichte, bleibt sicher was übrig, um für Konsumgüter etwas mehr Geld auszugeben.

Mindestlohn gefährdet Minijobber

findet Richard Brandt

Der Mindestlohn von 8,50 Euro war bereits vor seiner Einführung umstritten. Politiker und Bevölkerung diskutieren darüber, ob er Geringverdienenden zu höheren Gehältern verhelfen oder etwa wichtige Arbeitsplätze zerstören wird. Auch Studierende fragen sich: Ist der Mindestlohn ein Vor- oder ein Nachteil für mich? Die Politik macht es den Studierenden mit dem Mindestlohn auf jeden Fall schwieriger, auf dem Markt zu bestehen.

Die gesetzlichen 8,50 Euro gelten seit dem 1. Januar 2015 in vielen Fällen auch für Studierende. Hatten Arbeitgeber bisher lediglich ein kleines Taschengeld gezahlt, müssen diese das Gehalt jetzt aufstocken. Doch warum sollten die Arbeitgeber so viel für uns ausgeben?

Zu hohe Kosten für Minijobber

Diese Frage werden sich ab jetzt wahrscheinlich viele Unternehmen stellen und zweimal über eine Verlängerung des Arbeitsvertrags nachdenken. Dasselbe gilt für längere Praktika, die Studierende zur Orientierung absolvieren möchten. Wenn diese länger als drei Monate dauern, wird es für das jeweilige Unternehmen extrem kostspielig. Werden sie trotzdem weiterhin auf die Studierenden setzen oder ihnen dann doch lieber kündigen, um Kosten zu sparen? In den meisten Fällen wahrscheinlich Letzteres!

Darüber hinaus sind Menschen in der Qualifikationsphase oftmals nur Aushilfskräfte und keine vollwertigen Arbeitskräfte. Durch den Mindestlohn aber müssen sich Unternehmen entscheiden, ob sie zum gleichen Stundenlohn lieber auf eine Arbeitskraft mit jahrelanger Berufserfahrung oder einen Berufsanfänger setzen. Für die Unternehmen sind Berufserfahrene damit wesentlich attraktiver.

Fehlende Erfahrung mit dem Mindestlohn

Das größte Problem stellt jedoch die große Unsicherheit dar, die der Mindestlohn mit sich bringt. Denn obwohl die Grundidee gut ist, wird sich die Umsetzung meiner Meinung nach negativ auswirken. Deutschland hat noch keine Erfahrung mit dem Mindestlohn und beginnt trotzdem direkt mit 8,50 Euro pro Stunde, ohne dabei an die Wettbewerbsfähigkeit gering verdienender Gruppen zu denken.

 

das-duell-feederFoto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Brinkmann/Schweigmann 
Teaserfoto: flickr.com/Marco Verch

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