Erfolgreich Scheitern

Von Verena Hilbert

Mit dem Scheitern hat jeder so seine eigenen Erfahrungen. Wir scheitern in Beziehungen, im Job, an Abgabefristen und immer wieder an den Erwartungen, die andere und wir selbst an uns stellen. Aber was bedeutet das? Ein Ausflug in die Philosophie.

Niemand scheitert besonders gern. Kein Wunder, schließlich ist es viel angenehmer, wenn alles so läuft, wie man es sich ausgedacht hat. Das Scheitern dagegen wirft zurück und konfrontiert uns mit falschen Vorstellungen, eigenen Schwächen und dem Selbst. Gerade darin aber sieht der Philosoph Karl Jaspers die große Chance. Denn erst im Scheitern, sagt er, beginnt der Mensch zu existieren.

Laut Duden kommt das Wort „scheitern“ aus dem 17. Jahrhundert, aus der Landwirtschaft und ist abgeleitet von Scheiten, etwa aus Holz. Demnach bedeutet scheitern in Stücke, in Scheite, gehen.

Scheitern kann wie eine Mauer sein, die man nicht überblickt. Foto: Janusz Klosowski/pixelio.de

Scheitern kann wie eine Mauer sein, die man nicht überblickt. Foto: Janusz Klosowski/pixelio.de, Teaserbild: Joerg Trampert/pixelio

Das ist eine Möglichkeit, das Phänomen scheitern zu bezeichnen. Pläne, Erwartungen und feste Vorstellungen brechen auseinander. Karl Jaspers beschreibt solche Grenzsituationen als „Wand, an die wir stoßen, an der wir scheitern“. An anderer Stelle spricht er davon, dass einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Das kann passieren, weil man sich selbst schuldig gemacht hat oder auch, wenn einem die Situation entgleitet, man sich vollkommen hilflos fühlt. Dann entpuppen sich Sicherheiten wie etwa Beziehungen oder feste Annahmen als Illusion. Obwohl und gerade weil solche Erfahrungen den Menschen an seine Grenzen bringen, sieht Jaspers im Scheitern eine große Chance. Denn was bleibt übrig, wenn vermeintliche Sicherheiten, Wahrheiten und Bindungen in die Brüche gehen? Der Kern, das Selbst. „Wir werden wir selbst, indem wir in die Grenzsituation offenen Auges eintreten“, schreibt er. In der Ausweglosigkeit des Scheiterns beginne der Mensch zu existieren und er lerne sich selbst wirklich kennen. Auch der Struktur des Lebens kommt man im Scheitern nahe. Laut Jaspers besteht es aus  unüberwindbaren Widersprüchen. Es gibt also keine Lösungen, die ewig bestehen und keine Sicherheiten, auf die wir uns voll und ganz verlassen können.

Um sich selbst im Scheitern zu begegnen und, wie Jaspers sagt, zu existieren, muss man sich dem Scheitern stellen. Da stimmen ihm auch Psychologen zu. Sie raten, die Möglichkeit zu nutzen, die eigenen Schwächen kennenzulernen. Man solle sich bewusst machen, welche falschen Annahmen und Sicherheiten zu der Situation geführt haben. So könne man ähnliche Fehler in Zukunft vermeiden. Diesen sicherlich oft schwierigen Weg zu gehen lohnt sich aber in vielerlei Hinsicht. Denn hinter dem Scheitern verstecken sich viele Chancen.

Scheitern und Kreativität gehören zusammen

Jaspers ist sogar der Meinung: „Die Wahrheit des Glücks entsteht auf dem Grunde des Scheiterns.“ Das Glück muss demnach erst in Gefahr sein, damit wir es richtig schätzen können. Zudem werden im Scheitern alte Muster aufgebrochen und falsche Annahmen aufgedeckt.

Diese Neuorientierung und Offenheit schafft Platz für neue Ideen. So liegen Scheitern und Kreativität eng beieinander und sind wichtige Voraussetzungen für Wissenschaft und Kunst. Nur wer bereit ist umzudenken und es trotz erfolgloser Erfahrungen immer wieder zu versuchen, kann neue Entdeckungen machen. Der irische Schriftsteller Samuel Beckett sagte einst: „Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better“. Mit dieser Methode schaffte er es immerhin den Literaturnobelpreis zu gewinnen. Und auch im privaten Leben bietet das Scheitern die Möglichkeit aus alten Routinen auszubrechen und ganz neue Wege zu gehen, die man vorher womöglich gar nicht gesehen hat.

Dennoch sind Grenzsituationen unangenehm, herausfordernd und angsteinflößend. Dem Scheitern auszuweichen oder die Augen davor zu verschließen, hilft aber nicht weiter, da sind sich Psychologen und Karl Jaspers einig. Man werde sonst zum Zuschauer in seinem eigenen Leben, sagt Jaspers, statt wirklich zu existieren.

Ob Käse, ein neuer Kontinent oder Klebstoff: Manchmal muss man erst scheitern, um etwas Außergewöhnliches zu entdecken. Klickt euch durch die Galerie der erfolgreich Gescheiterten!

 

 

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