Facebook von der Wiege bis zur Bahre

Mittlerweile sind wir soweit: Facebook und das Internet begleiten uns von der Geburt an bis zum Tod – und sogar darüber hinaus. Wenn glückliche Mütter Fotos von ihren Babys bei Facebook posten, ohne dass diese ihr Einverständnis dazu geben können. Oder die Facebook-Profile von Verstorbenen zu digitalen Gedenkstätten werden. Einmal im Netz – immer im Netz?

„Das kann nicht wahr sein“, dachte ich, als die Seite „If toddlers were on Facebook“ im gleichnamigen sozialen Netzwerk sah. „Wenn Kleinkinder bei Facebook wären.“ Ach, soweit sind wir mittlerweile? Auf den falschen Profilen tauschen sich die digitalen Kinder darüber aus, wie man seine Mutter am effektivsten in den Wahnsinn treibt: „Es macht Spaß, ‚Keine Blubberblasen!‘ zu rufen, sobald mein Schaumbad eingelaufen ist“, schreibt einer der imaginären Knirpse.

Kleinkinder bei Facebook – und das wäre süß? Mal abgesehen davon, dass sie noch nicht lesen und schreiben können: Wie früh soll Facebook denn schon anfangen, unsere Daten zu speichern? Und wieso können Kleinkinder nicht einfach mit Gleichaltrigen spielen statt zu chatten? Sind Bauklötze out? Es gibt wahrscheinlich kein Kind, das sich über „Türmchen bauen“ beschweren würde. Warum sollten es dann Mamas iPad und Papas Laptop sein?

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Ein Dreijähriger, der die "Wisch"-Bewegung auf dem iPad perfekt beherrscht? Total unnötig! Teaserbild: flickr.com / Tom & Katrien Foto: flickr.com / cmm08f

Erst iPad, dann laufen

Dreijährige müssen die Wisch-Bewegung auf dem iPad noch nicht beherrschen, bevor sie laufen können. Denn das bringt sie wohl kaum in ihrer kindlichen Entwicklung voran. Spielen mit anderen Kindern hingegen schon. Und dabei sollte es auch bleiben – digitale Freunde brauchen sie dazu sicher nicht.

Klar, viele Eltern wollen bei Facebook zeigen, wie stolz sie auf ihren Nachwuchs sind. Aber müssen sie deswegen Fotos von ihren Kindern in Badesachen ins Internet stellen? Wohl kaum! Fotoalben gibt es auch heute noch. So können Eltern Freunden und Verwandten einfach beim nächsten Treffen das Album mit den Urlaubsbildern in die Hand drücken, anstatt die Fotos bei Facebook zu posten. Kleinkinder, die bei Facebook präsent sind, bevor sie überhaupt lesen und schreiben können – das halte ich für ziemlich überflüssig.

Der Zwang, „cool“ zu sein

Laut einer Studie des Magazins  „Consumer Report“ sind 7,5 Millionen Facebook-Nutzer in den USA jünger als 13 Jahre – was eigentlich gegen die Regeln des sozialen Netzwerks verstößt. Denn dort dürfen Minderjährige sich offiziell erst ab 13 Jahren registrieren. Diese elf- und zwölfjährigen Facebook-Nutzer, das sind noch Kinder. Es sind Kinder, die oft ohne zu zögern Fotos von sich selbst im Bikini ins Netz stellen – und es später vielleicht bereuen. Natürlich kann Facebook nicht überprüfen, ob jemand wirklich schon 13 Jahre alt ist. Denn beim Geburtsdatum, das bei der Registrierung angegeben werden muss, kann jeder leicht schummeln. Und eine Geburtsurkunde zu Facebook schicken, das wäre dann doch zu viel des Guten. Viel wichtiger sind die Eltern. Also liebe Mütter und Väter, bitte passt ein wenig auf, wenn sich eure Kinder im Internet herumtreiben! Aber von Eltern, die das Leben ihrer Kleinen seit der Geburt online dokumentieren, kann man so viel Weitsicht wohl kaum erwarten.

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Virtuelle Freunde bei Facebook suchen anstatt im echten Leben? Gerade bei Minderjährigen sollte das noch keine Rolle spielen. Foto: flickr.com / Mehfuz Hossain

Es mag durchaus Dreizehnjährige geben, die für ihr Alter mit den Weiten des Internets gut zurecht kommen. Doch mit 13 Jahren machen viele eher das, was ihre Freunde tun oder was „cool“ ist. Und wenn dann ein offenes Profil gerade „in“ ist, dann werden Privatsphäre-Einstellungen, wie es sie bei Facebook durchaus gibt, einfach ignoriert.

So landen Fotos im Netz, die der Arbeitgeber bei einer späteren Bewerbung lieber nicht sehen sollte. Das alles sind Fehler, die meistens durch mangelnde Reife entstehen. Natürlich, Eltern können und sollten ihre Kinder nicht ständig bei allem beobachten. Aber sie sollten zumindest versuchen, ihren Kindern ein gesundes Misstrauen gegenüber dem Internet mit auf den Weg zu geben. Und was ist schon dabei, wenn Elfjährige noch mit Puppen spielen statt im Internet virtuelle Freunde zu sammeln?

Der neue Grabstein Facebook

Kindheit und Pubertät – das sind nicht die einzigen Lebensstationen, in die Facebook eingreift. Denn auch der Umgang der älteren Generationen mit sozialen Netzwerken ist oft fragwürdig. Stichwort: Vererben 2.0. Denn was passiert mit dem Wust von Nutzernamen und Passwörtern, die ein Verstorbener hinterlässt? Wenn er vorher niemandem seine Login-Daten genannt hat, dann existiert sein Facebook-Profil weiterhin. Facebook verlangt nach eigenen Angaben eine Sterbeurkunde, die Angehörige an das Unternehmen im Silicon Valley schicken sollen, bevor ein Profil gelöscht wird. Für die Angehörigen kann es eine Qual sein, wenn das Profil des Verstorbenen weiterhin über Monate abrufbar ist. Denn ich glaube kaum, dass Facebook sich bei diesen Aufträgen beeilt.

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Ist trauern an Grabsteinen bald out? Dabei sollte es weiterhin privat sein! Foto: flickr.com / AnneMZ

Manche Profile allerdings werden nach dem Tod des Nutzers einfach umfunktioniert. „Ich vermisse dich“ bei einem Toten auf die Pinnwand posten? Das klingt makaber. Ist es aber anscheinend nicht, denn bei Facebook können Angehörige für einen Verstorbenen eine solche Rest-In-Peace-Seite einrichten. Vorbei mit Trauer am Grab oder in unseren Gedanken. Müssen wir heute wirklich unsere Trauer im Internet öffentlich machen? Nein, sicherlich nicht!

Über soziale Netzwerke erfahren wir oft genug etwas über die Gefühle, Sehnsüchte oder Schmerzen unserer Mitmenschen. Und dabei gibt es nicht allzu selten Dinge, die wir gar nicht so genau wissen wollten. Also liebe Leute: Manchmal ist weniger mehr. Wieso nicht im Stillen trauern?

Datenhunger von Facebook

Facebook ist ein großer, datenhungriger Internetkonzern. Die Daten, die man dort hochlädt, bekommt man kaum wieder aus dem Netz. Erst wenn man sich darüber bewusst ist, kann man das Netzwerk verantwortungsvoll benutzen. Und Zwölfjährige sind meiner Meinung nach dafür schlicht noch nicht reif genug. Aber auch das Mindestalter von dreizehn Jahren ist zu niedrig. Es gibt Lebensphasen und Lebensbereiche, die sollten privat bleiben: Dazu gehört die Kindheit – und auch der Tod. Verstorbenen sollte man die letzte Ehre erweisen, indem sie endgültig „offline“ in Frieden ruhen können.

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