Ob Zoos helfen oder schaden

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Jeden Tag sterben  70 bis 200 größtenteils unerforschte Tier- und Pflanzenarten einfach so aus.  Auf ein Jahr gerechnet sind das etwa 50.000. Laut Living Planet Index  hat sich seit 1970 der Bestand an Tieren halbiert. Das ist dramatisch, denn die Natur als komplexes System aus Tier- und Pflanzenarten, Lebensräumen und genetischer Unterschiede innerhalb der verschiedenen Arten funktioniert nur durch das Zusammenspiel dieser Faktoren. Die Aussterberate für Tier- und Pflanzenarten liegt zu unserer Zeit Angaben der Artenschutzorganisation WWF zufolge 100- bis 1000-fach höher als zu jeder anderen Epoche in der geologischen Geschichte der Erde.

Seit im Jahr 1992 190 Staaten das UN-Abkommen über den Schutz der biologischen Vielfalt unterschrieben haben, erinnert der Internationale Tag der Artenvielfalt genau daran. Er soll darauf aufmerksam machen, dass biologische Vielfalt und Lebensräume zu schützen sind und ruft dazu auf, sich dafür einzusetzen. Anlässlich dieses Tages ist die pflichtlektüre der umstrittenen Frage nachgegangen, welchen Beitrag Zoos eigentlich zur Artenvielfalt leisten und wie der Dortmunder Zoo dieser Aufgabe konkret nachkommt.

„Man schützt nur, was man auch kennt“

„Zoos haben mehrere wichtige Aufgaben, der Artenschutz ist eine von ihnen“, sagt Stephanie Zech, Biologin und wissenschaftliche Assistentin im Dortmunder Zoo. Außerdem seien sie dafür zuständig, Besuchern Tiere nahezubringen. Das bedinge sich allerdings gegenseitig: „Gerade im städtischen Raum haben Viele kaum noch mit der Natur zu tun. Das Erlebnis im Zoo kann einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Artenvielfalt leisten, denn man schützt nur, was man auch kennt“, sagt sie.

Foto: Christina Gerstenmaier

Hinweistafel nahe des Leoparden-Käfigs. Foto: Kristina Gerstenmaier

Wichtig sei jedoch auch, auf Probleme hinzuweisen. Deshalb stehen im Zoo Dortmund viele Hinweistafeln, die darauf aufmerksam machen, welche Tiere akut vom Aussterben bedroht sind und warum das der Fall ist. Die zunehmende Vereinnahmung der Lebensräume durch den Menschen, die Nutzung als Agrarflächen und übermäßige Jagd und Wilderei sind die wichtigsten Gründe dafür.

Ein Beispiel sind die Orang Utans. Durch den zunehmenden Anbau von Ölpalmen würde deren Lebensraum immer weiter eingeschränkt. „Wenn ich erzähle, dass Produkte wie Nutella und Kinderschokolade Palmöl enthalten, kann ich Aufklärung betreiben, jeden Einzelnen dazu anstoßen sein Verhalten zu ändern und auch so einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten“, sagt die Biologin.

Neben den Menschenaffen leben im Dortmunder Zoo noch eine Reihe anderer Arten, die der WWF auf seine Liste der „Akut vom Aussterben bedrohter Tiere“ gesetzt hat. Welche das sind, zeigt unsere Fotostrecke.

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Als Mitglied der World Association of Zoos and Aquariums (WAZA) will der Dortmunder Zoo einen Beitrag zur koordinierten Züchtung dieser Tierarten leisten. Dazu wird für jede Tierart ein bestimmtes Zuchtbuch geführt, das die Nachzucht dokumentiert. Der Dortmunder Zoo ist dabei weltweit führender Verwalter des Zuchtbuches für den Großen Ameisenbären, der allerdings nicht auf der WWF-Liste steht. Seit 1976 sind im Dortmunder Zoo 60 Ameisenbären zur Welt gekommen, die inzwischen in Zoos auf der ganzen Welt leben, unter anderem in Brasilien, Portugal, Südafrika und Ungarn. 

Außerdem kümmert sich der Zoo um die koordinierte Nachzucht der Riesenotter und des südamerikanischen Seebären. Wie das funktioniert? Man schaut, welches Tier mit welchem gepaart werden sollte und welcher Zoo Bedarf an Nachwuchs hat. Außerdem züchtet der Zoo Dortmund in Zusammenarbeit mit der Naturschutzorganisation Nabu Schleiereulen, die im Dortmunder Raum ausgewildert werden. 

Als weiteren Beitrag zur Artenvielfalt unterstützt der Zoo verschiedene Projekte, die zum Artenschutz bestimmter Tiere wie Tiger, Pandas oder Humboldt-Pinguine, in ihren angestammten Lebensräumen beitragen sollen. „Natürlich kann man das Artensterben nicht aufhalten“, sagt Stephanie Zech. „Aber man kann ohne erhobenen Zeigefinger darauf aufmerksam machen, einen Anstoß geben und so seinen Teil dazu beitragen“

Praktiken der Zoos sind umstritten

Unterstützt werden die Zoos in ihren Programmen vom WWF. In einer ihrer Hintergrundinformationen schreibt die Artenschutzorganisation: „Der WWF befürwortet die Aufgaben, die von zahlreichen Zoologischen Gärten und Tiergärten im Bereich Artenschutz, Bildung und Forschung wahrgenommen werden. Gut geführte und international anerkannte Zuchtprogramme bedrohter Tierarten von Zoos können einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz leisten.“

Die Tierschutzorganisation Peta e.V. hingegen übt scharfe Kritik. „Zoos sind nichts anderes als Gefängnisse, in denen es den Tieren schlecht geht“, sagt Peter Höffken, Fachreferent zum Thema Tiere in der Unterhaltungsindustrie. „Selbst wenn Zoos zum Artenschutz beitragen würden, wiegt das nicht mehr als der Tierschutz.“ Im Grunde sei der Artenschutz daher eine Fehldefinition.

Nach Ansicht der Peta wird nur dann ein Beitrag zum Artenschutz geleistet, wenn dort unterstützt wird, wo Tiere wirklich vom Aussterben bedroht sind, nämlich innerhalb ihrer natürlichen Lebensräume. Die von den Zoos nachgezüchteten Tiere könnten nur in seltenen Fällen wieder ausgewildert und in die freie Wildbahn zurückgeführt werden. Der Grund: In Zoos geborene Tiere bilden für das Leben in freier Wildbahn wichtige Instinkte nicht aus, darunter Fortpflanzungsrituale und die Sorge um den Nachwuchs. „In Zoos ist alles künstlich“, sagt Höffken. „Vor allem bei Giraffen und Raubtieren ist die Haltung in Zoos eine Einbahnstraße. Selbst wenn es einzelne Auswilderungserfolge gibt, rechtfertigt das nicht die Haltung aller anderen Tiere.“

Auch die finanzielle Unterstützung von Artenschutzprojekten vor Ort sei nicht zielführend.  In den meisten Fällen seien Zoos städtisch geführt, sodass sie mit Steuergeldern bezuschusst würden. Würde man dieses Geld, etwa im Rahmen von Artenschutzprojekten, vor Ort einsetzen sei viel mehr geholfen, argumentiert die Peta.

Auch das Argument, die Menschen durch Zoobesuche für Artenschutz zu begeistern, kontert der Peta-Mitarbeiter. Dafür verweist er auf eine Studie aus dem Jahr 2010 (Quelle 4), die belegt, dass ein steter Rückgang der Artenvielfalt und auch der im Zoo lebende Tiere zu verbuchen ist – seit es Zoos gibt. Als Beispiel nennt die Studie die Tiger, von denen vor 150 Jahren noch geschätzt 100.000 Exemplare lebte, deren Bestand nach WWF-Angaben aber auf aktuell 3200 Exemplare zurückgegangen ist. Die Peta-These dazu: „Wenn die Menschen von den Zoos immer wieder Artenschutz vorgekaut bekommen, muss vor Ort nichts mehr getan werden.“

Hinzu komme, dass Zoo-Besucher die fremden Lebenswelten nicht einmal gezeigt bekommen würden, da die Tiere im Zoo verkümmerten, depressiv und verhaltensgestört seien. Eingeengt auf einem Bruchteil ihres natürlichen Lebensraumes entwickelten sie Apathie, Aggressivität – Verhaltensweisen, die sie zum Beispiel ihren eigenen Nachwuchs abstoßen lassen würden oder zu artfremdem Verhalten, wie immer gleichen Bewegungsabläufen, führen würden. Der Vorfall im Dortmunder Zoo, bei dem am Donnerstag ein Löwe seiner Mutter die Kehle durchbiss, zeugt für den Tierschützer genau davon.

Stephanie Zech, die Biologin des Dortmunder Zoos, widerspricht: „Unsere Tiere sind gut versorgt, ihnen geht es hier gut. Wir gestalten das Leben so angenehm wie möglich. Nicht die Größe der Gehege, sondern deren Struktur ist wichtig. Was für uns schön ist, ist es für ein Tier noch lange nicht.“ Das war allerdings vor dem Zwischenfall im Löwengehege.

Teaserfoto: Kristina Gerstenmaier

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