Keine falsche Bescheidenheit

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Der 22. Februar ist der amerikanische „Be Humble Day“, auf deutsch der „Sei-Bescheiden-Tag“. Sprichwörter wie „Bescheidenheit ist eine Tugend“ oder „keine falsche Bescheidenheit“ kennen vermutlich die meisten. Gerade zur Fastenzeit scheint diese Tugend sich wieder weiter zu verbreiten, schließlich wird Bescheidenheit oft mit Verzicht gleichgesetzt. Andere halten sie für das gleiche wie Demut. Aber was ist Bescheidenheit überhaupt? Und ist Bescheidenheit immer angebracht? Pflichtlektüre-Autorin Daniela Arndt hat sich mit dem Thema Bescheidenheit auseinandergesetzt. 

Bescheidenheit hat verschiedene Bedeutungen. Im Duden wird sie mit Genügsamkeit erklärt. So könnte man den Aktionstag zum Beispiel begehen, indem man auf Luxusartikel und Statussymbole verzichtet. Bescheiden ist es aber auch, die Leistungen anderer zu würdigen oder dankbar zu sein für das, was man erreicht hat. Das Oxford Dictionary definiert das Wort „humble“ – also bescheiden auf Englisch – als eine genügsame Verhaltensweise, bei der man „moderat einschätzen kann, wie wichtig man ist“.

Ganz egal, ob man Bescheidenheit nun als Tugend oder als Charaktereigenschaft bezeichnet, ganz offensichtlich muss sie ziemlich wichtig sein, wenn sie gleich einen eigene Aktionstag bekommt. An diesem Tag sollte man also bedingungslos bescheiden sein: ob mit den Finanzen, im Umgang mit anderen oder bei den eigenen Fähigkeiten. Dabei muss man allerdings aufpassen, dass Bescheidenheit nicht darin besteht, sein Licht immer nur unter den Scheffel zu stellen. 

Konsum

Was Konsum angeht, insbesondere von Luxusartikeln, ist Bescheidenheit durchaus angebracht. Sie verschafft nicht nur finanziell Erleichterung, auch der Wegwerf-Gesellschaft kann man so entgegen wirken. Gerade für diese Bescheidenheit ist ein Aktionstag, der uns daran erinnert, wohl nicht verkehrt. Hier sind die Begriffe Verzicht und Genügsamkeit passend. Ob es die teure Markenjeans ist oder sieben Tage die Woche Fleisch auf dem Teller – wenn wir bescheidener konsumieren, leben wir günstiger und gesünder. Legt man seinen Bescheidenheits-Fokus auf diesen Aspekt, dann erscheint auch das Datum des Aktionstages nicht mehr willkürlich: Der Sei-Bescheiden-Tag fällt in die 40-tägige Fastenzeit. Diejenigen, die in dieser Zeit auf Fleisch oder Süßigkeiten verzichten, leben sie gleichzeitig ein kleines Bisschen bescheidener.

Religion

Auch in der Religion ist Bescheidenheit wichtig – insbesondere in Verbindung mit der Fastenzeit. Oft wird Bescheidenheit mit der religiösen Demut gleichgesetzt. Demut bedeutet, seine eigene Wichtigkeit bescheiden einzuschätzen und zugunsten anderer auch einmal auf etwas zu verzichten. Schließlich sind ja alle Menschen gleich. Gleichzeitig ist der, der demütig ist, sich im Klaren darüber, dass er Gott untergeordnet ist. Das Wort „humble“ kann daher auch bedeuten, dass jemand eine untergeordnete Position einnimmt. 

Gesellschaft

Auf sozialer Ebene bezieht sich das bescheidene Verhalten wohl hauptsächlich darauf, sich selbst nicht über andere zu stellen. Vor allem nicht, wenn man dazu andere schlecht machen müsste. Stattdessen sollte man die Leistungen seiner Mitmenschen anerkennen. Mit den eigenen Leistungen sollte man nicht angeben – selbst dann nicht, wenn man in etwas besser ist oder von etwas mehr besitzt als andere. Dass es dafür in unserer Gesellschaft eines Aktionstages bedarf, ist jedoch bedenklich. Dieses Verhalten sollte normalerweise Standard sein. Es zeugt doch eigentlich von charakterlicher Schwäche, wenn man sich nur dann besser fühlt, wenn andere schlechter dran sind als man selbst. Doch gerade in Zeiten von zunehmendem Konkurrenzdruck und einer Ellenbogengesellschaft, scheint ein „Sei-Bescheiden-Tag“ nötig zu sein, um die Menschen daran zu erinnern. 

Selbstwert

Zu guter Letzt kann man auch bescheiden sein, indem man sich mit dem zufrieden gibt, was man hat, und mit den eigenen Fähigkeiten nicht hausieren geht. Was diese Form von Bescheidenheit angeht, sollte man allerdings auf die Dosis achten. Klar, sich an dem zu erfreuen, was man bereits erreicht hat, ist prinzipiell nicht verkehrt. Wenn diese Bescheidenheit jedoch dazu führt, dass man aufhört ehrgeizig zu sein, wird sie schädlich. Dann kann Bescheidenheit uns auch lähmen oder sogar anspruchslos machen.

Ähnliches gilt für die eigenen Leistungen und Fähigkeiten. Niemand mag Angeber, aber in bestimmten Situationen sollte man auch zeigen oder sagen, was man kann und was man hat. In diesen Fällen ist es ein schmaler Grad zwischen Bescheidenheit und „falscher Bescheidenheit“. Das beste Beispiel für eine solche Situation ist ein Bewerbungsgespräch. Wenn man sich unter Wert verkauft ist das nicht nur schlecht für das eigene Selbstbewusstsein, es kann einen auch Chancen kosten, die man kein zweites Mal bekommt. 

Was denken Studenten über Bescheidenheit?

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Was bringt der „Sei-Bescheiden-Tag“? 

Kommt Bescheidenheit in unserer Gesellschaft zu kurz? Vermutlich ja. Wird sich das durch einen „Sei-Bescheiden-Tag“ ändern? Vermutlich nein. Trotzdem kann es nicht schaden, uns ab und zu daran zu erinnern, dass Bescheidenheit eben eine Tugend ist, mit der man sich ruhig manchmal schmücken sollte. Ob man sich dabei auf den Konsum-Aspekt, das soziale Miteinander oder einfach die eigene Einstellung zu sich selbst stürzt, das muss jeder für sich entscheiden. Dennoch, wenn wir alle ein bisschen bewusster darauf achten, wofür wir unser Geld ausgeben, und wenn wir uns ein bisschen moderater bewusst machen, wie wichtig – oder eben nicht – wir eigentlich sind, dann hat der „Sei-Bescheiden-Tag“ schon etwas gebracht. In diesem Sinne: Be humble!

Be Humble Day
  • Datum: 22. Februar
  • US-amerikanischer Aktionstag
  • Herkunft und Erfinder unbekannt
  • Andere Aktionstage am 22. Februar: Koch-mit-Süßkartoffeln-Tag (Cook a Sweet Potato Day), Tag der Margarita, Gassi-Gehen-Tag (Walking the Dog Day)

 

Beitrags-/Teaserbild: Daniela Arndt

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