Alles nur noch Einheitsbrühe?

DSC_8987Die einstige Bierstadt ist Dortmund lange nicht mehr. Elf der 16 Dortmunder Biermarken gehören mittlerweile zur Radeberger-Gruppe, nur noch drei Brauereien sind in Dortmund übrig geblieben. Das wirft die Frage auf, wie viel Vielfalt überhaupt noch in Dortmunds Bieren steckt.

Professor Frank-Jürgen Methner, vom Fachbereich Brauwesen der TU Berlin und Gabriele Herder von der Dortmunder Actien Brauerei halten nichts von der immer populärer werdenden Meinung, das alle Biere zunehmend gleich schmecken.

Prof. Dr.-Ing. Frank-Jürgen Methner leitet das Fachgebiet Brauwesen an der TU Berlin

Prof. Dr.-Ing. Frank-Jürgen Methner leitet das Fachgebiet Brauwesen an der TU Berlin

„Durch unterschiedliche Verfahrenstechniken, unterschiedliche Hopfensorten und unterschiedliche Hefe-Stämme gibt es zwischen jeder Brauerei grundsätzliche Unterschiede“, erklärt Professor Frank-Jürgen Methner. Selbst die Tankgrößen und Geometrien könnten den Gärprozess beeinflussen und für leicht unterschiedliche Geschmacksnuancen führen.

Die Pils -Welle hat die Bierlandschaft verändert

Eine mögliche Erklärung für die Meinung, Biergeschmack würde sich kaum noch unterscheiden, hat der Experte für Brauwesen aber trotzdem: „Heute gibt es mehr Großkonzerne als früher. Die Anzahl der kleinen Brauereien nimmt ab. Vielleicht entsteht dadurch der Eindruck, dass das Bier vereinheitlicht wird.“ Auch ein anderer Faktor spielt laut Methner eine wichtige Rolle. Vor 50 Jahren seien nämlich ganz andere Biersorten populär gewesen als heute. Erst in den 80er und 90er Jahren kam die große Pils-Welle, die von Unternehmen wie Bitburger, Warsteiner und Krombacher forciert worden sei und die damit den Markt bedient hätten.

Die Vielfalt des deutschen Bieres sieht Methner auch für die Zukunft nicht gefährdet. „Es gibt eine boomende Craftbier-Szene die mit neuen Geschmäckern auf den Markt kommt. Der Trend geht hin zum individuellen Bier.“ Selbst große Unternehmen versuchten auf der Craftbier-Welle mit zu schwimmen.

27 unterschiedliche Biere, 27 unterschiedliche Rezepte

Gabriele Herder organisiert Führungen und Bierverkostungen für die Dortmunder Actien Brauerei. Diese ist für fast alle Dortmunder Biere verantwortlich, z.B. Brinkhoffs No1 oder das Dortmunder Kronen. Obwohl dort viele Biere gebraut werden, behaart Herder darauf, dass trotzdem jedes individuell sei: „Jedes Bier hat seinen eigenen Hefestamm und sein eigenes Rezept“. So gebe es auch für die 27 produzierten Biere auch 27 große Gähr- und Lagertanks. „Die Leute sehen das oft nur sehr selektiv. Die denken: ‚Es ist nur noch eine Firma da, das kann ja gar nicht mehr groß unterschiedlich schmecken“, meint Herder. Tatsächlich gebe es auch keine großen geschmacklichen Unterschiede zwischen Pils-Bieren, aber aus einem anderen Grund: „Alle Biersorten, die wir hier in Deutschland haben, werden nur mit vier Zutaten gebraut. Deswegen sind die Unterschiede so gering.“ Die vier Zutaten sind im deutschen Reinheitsgebot verankert. Nur Hopfen, Malz, Gerste und Wasser dürfen demnach in dem Getränk enthalten sein. Heutzutage gilt diese Regelung allerdings nur noch für untergärige Biere.

Eine Flasche, Zwei Geschmäcker

DSC_8994Auf der anderen Seite könnten selbst zwei Schlucke aus derselben Bierflasche unterschiedlich schmecken, weiß Herder. „Ein Brauer unterscheidet zwischen Antrunk und Nachtrunk. Der Antrunk, das sind die ersten ein bis zwei Schlucke, der Nachtrunk sind vielleicht der fünfte und sechste. Da haben sich dann die Bitterstoffe entfaltet. Das ist das, was man dann ‚im Abgang spürt‘, wie der Weintrinker immer sagt und das verändert sich oft ganz stark“, erklärt Herder.

Bilder: Lukas Arndt, Frank-Jürgen Methner

1 Comment

  • Christoph sagt:

    Hätten die Dortmunder Bierbrauer in den achzigern weiter auf die Bierstadt typische Biersorte Export gesetzt, wäre heute Dortmund noch immer eine Bierstadt mit eigener Sorte.

    Denn das Export war typisch für Dortmund. Kaum jemand hat das 20 Pfennig teurere Pils getrunken.
    Export war süffiger, schneller gezapft und erfrischte viel besser.
    Es wurde aber zugunsten des Pilsmarketings aus dem Lizenz-Ausschank verdrängt, da man mehr vedienen wollte.
    Langfristig gesehen ein Fehler der an der Identifikation der Biertrinker im östlichen Ruhrgebiet vorbei ging.

    Heute bekommt man kein Export Bier mehr vom Fass in den Dortmunder Kneipen. Nirgendwo. Ich würde hingehen.
    Unvorstellbar das es in Köln kein Kölsch und in Düsseldorf kein Alt Bier mehr im Kneipen Ausschank gäbe.
    Die Dortmunder Bierbrauer haben das durch Fehlplanung in Dortmund hingekriegt. Es gibt nur noch Pils.

    Jetzt gibt es auch keine Dortmunder Bierbrauer mehr, weil sie am Markt vorbeiproduziert und
    die Dortmunder-Bierstadt-Identifikation aufgelöst haben.
    Regionale Sorten und Marken sind nur deshalb so stark, weil die lokale Identifikation und der Geschmack da ist.
    Die Biertrinker lassen sich nicht täuschen, die allgemeine Meinung zum allgemeinen Bier Geschmack stimmt.
    Einheits-Industrie-Plörre mit unterschiedlichen Etiketten.

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