Opel-Schließung: Zorn, Mut und Resignation

Bochum. In zwei Wochen werden die Bänder im Bochumer Opel-Werk für immer still stehen. Das Aus nach 52 Jahren Produktion mit über 13 Millionen Autos. Einer der Hauptarbeitgeber des Ruhrgebiets geht. Neben dem Verlust der Arbeitsplätze befürchten viele eine starke Veränderung im Pott. Im alten Bahnhof Langendreer trafen sich deshalb am 20.11.2014 viele Betroffene und Experten zu einer Podiumsdiskussion. Ein Einblick in ein Gespräch voller Verzweiflung:

„Als ich bei Opel angefangen habe, dachte ich noch, das geht bis zum Ende gut. Die einzige Alternative, die wir jetzt noch haben, sind Löhne, von denen man nicht leben kann. Oder wir müssen das Ruhrgebiet verlassen, obwohl wir hier familiär verwurzelt sind.“, sagt Dirk Grützner. 40 Jahre lang hat er bei Opel in Bochum gearbeitet und wird in wenigen Wochen seinen Job verlieren. So wie viele andere Anwesende im alten Bahnhof Langendreer. Die Alterspanne in der Bochumer Kneipe bewegt sich an diesem Donnerstag Abend zwischen 20 und 70 Jahren- also zwischen Opel-Azubis und Opel-Rentnern. Normalerweise finden im Bahnhof Langendreer Jazz-Konzerte, politisches Kabarett und Lesungen statt. An diesem Abend geht es weniger um Unterhaltung. Bei der Podiumsdiskussion geht es um die Schließung des Opelwerks und somit um die Zukunft vieler Bochumer. Dementsprechend aufgeheizt ist die Luft in der Kneipe. Ein Zwischenruf aus dem Publikum fasst die Gefühlslage der Betroffenen zusammen: „Zorn, Mut, Verzweiflung und Resignation!“

Was passiert mit den Menschen?

Wenn am 5. Dezember die Produktionsbänder in den Bochumer Opel-Werken ein für alle mal ausgeschaltet werden, verlieren rund 3.300 Menschen ihren Job. 2.500 davon wandern in eine Transfergesellschaft. Dadurch werden die Menschen nicht als Arbeitslose registriert. Sie bekommen alle eine Qualifikationsmaßnahme, d.h sie werden auf einen anderen Beruf vorbereitet. Luidger Wolterhoff, Leiter der Arbeitsagentur in Bochum und einer der Experten auf dem Podium, verspricht, dass die finanziellen Mittel für Fort- und Weiterbildungen vorhanden sein werden. Voraussetzung dafür: Die Menschen müssen flexibel sein. Sie müssen für den neuen Job pendeln oder sogar umziehen. Das kommt für die meisten aber nicht in Frage. Viele sehen keine Perspektive in den Umschulungsmaßnahmen, weil sie im Durchschnitt 50 Jahre alt sind. Rainer Einenkel, der Betriebsratsvorsitzende von Opel in Bochum, hat Angst vor einer Abwanderung der Fachkräfte, weil viele Menschen in den Süden Deutschlands ziehen, um dort Arbeit zu finden. Das Ruhrgebiet soll aber stark bleiben, man müsse Arbeit hier hin holen. 

Was wird aus Bochum-Langendreer?

Auch die Frage, ob auf dem Opel-Gelände bald neue Arbeitsplätze für die Opelaner entstehen könnten, beschäftigt die Menschen beim Stadtgespräch. Neben einem geplanten DHL-Zentrum mit rund 100 neuen Arbeitsplätzen, soll auch das Opel-Warenverteillager mit rund 700 Arbeitsplätzen bestehen bleiben. Dennoch: Ein großer Teil des 1,6 Millionen Quadratmeter großen Geländes steht nach der Schließung leer. Die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) verspricht den anwesenden Bochumern, dass die Fläche nicht zum Brachland werde. „Momentan läuft die Produktion noch, deshalb kann man noch nicht aktiv weitermachen. Die Planungen für die weitere Nutzung des Werkes gehen aber schneller voran, als in vielen anderen Fällen“, so Scholz. 

Trotz der Erklärungs- und Beschwichtigungsversuche bei dem Stadtgespräch, fühlen sich viele Opelaner von der Politik und den Gewerkschaften im Stich gelassen. „Es wurde viel polemisiert, aber nichts ist passiert.“, lautet einer von vielen wütenden Zwischenrufen aus dem Publikum. Die Menschen haben Angst. Ein Einblick:

 

Yunus Emre Yildirim, Jugendvertretung Opel Bochum.

DSC_0027Der 25-Jährige Jugendvertreter von Opel warnt besonders vor der Abwanderung der jungen Leute aus dem Ruhrgebiet. Die 150 Auszubildenden von Opel Bochum haben allerdings noch die Möglichkeit ihre Ausbildung in dem Werk bis 2020 zu beenden. Wie es danach weiter geht ist noch unklar.

Roland Pöttger, wohnt in  Bochum-Langendreer.

DSC_0030Er fordert ein massives Investitionsprogramm von 30 bis 50 Milliarden Euro für die Region. Ansonsten befürchtet er einen schleichenden Verfall der Kultur und des Ruhrgebiets.

Frank Stark, Architekt und Stadtplaner.

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Der Bochumer weiß, dass der Umgang mit der 1,6 Millionen Quadratmeter großen Opel-Fläche für die Stadt keine einfache Aufgabe ist. Allerdings sieht er auch gute Beispiele in anderen Ruhrgebietsstädten. So zum Beispiel die Fläche der Westfalenhütte in Dortmund. 

Harald Feldmann, Soziologe.

DSC_0029Die Standards, die die Arbeiterschaft sich über ein Jahrhundert erkämpft hat, sind für ihn eine kulturelle Errungenschaft des Ruhrgebiets. Durch Managemententscheidungen wird diese Errungenschaft zerstört und so auch die Kultur und die Toleranz im Revier abgebaut. 

Fotos: Carla Sommer/pflichtlektüre, Beitragsbild Startseite: pixelio.de/friese1962

 

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