Wenn Samstagmorgens um halb 11 das Audimax der TU Dortmund aus allen Nähten platzt, muss das schon einen ganz besonderen Grund haben. Vor allem wenn es dabei um Physik geht. Doch trotz des scheinbar sehr komplexen Themas kommen regelmäßig hunderte Dortmunder aller Altersklassen „Zwischen Brötchen und Borussia“ zur Uni.
An diesem Samstag doziert Metin Tolan über den Untergang der Titanic – und was physikalisch dahinter steckt. Anhand des

In seinem Buch untersucht Professor Tolan vor allem den Kinofilm "Titanic". Sein Fazit: Überraschend realitätsnah! Bild: Piper Verlag
Kino-Blockbusters aus dem Jahr 2003 bekommen die Zuhörer die Geschichte der Titanic leicht verständlich und in kleinen Häppchen serviert. Die Filmausschnitte bieten so manchen Aufhänger für einen Exkurs in die Welt der Energie, der Kräfte, Impulse und mysteriöser Konstanten.
Doch Tolan ist, zum Glück für die Nicht-Physiker auf den Rängen, bemüht, die Physik so unauffällig wie möglich zu vermitteln: wenig Formeln, wenig Zahlen. Dafür viel Anschauungsmaterial und Filmausschnitte. Und Grafiken, die die schwierigsten Phänomene ähnlich leicht und anschaulich erklären wie die Sendung mit der Maus.
„Wann sinkt die Titanic und wie schnell?“
Grundlage für den Vortrag ist Tolans Buch „Die Titanic – mit Physik in den Untergang“. Tolan erklärt die Vorgeschichte des Buches: „Ich war von Anfang an ein großer Fan des Films. Besonders gewundert hat mich aber eins: Woher wussten die Verantwortlichen auf dem Schiff nach der Kollision so genau, wie lange es braucht, bis die Titanic sinkt? Woher wussten sie, dass sie noch mehr als zwei Stunden Zeit haben und dass das Schiff nicht innerhalb von zehn Minuten am Meeresgrund liegt?“
Dies sei quasi der Ausgangspunkt gewesen, um die Geschichte der Titanic einmal aus physikalischer Sicht auseinanderzunehmen. Und dabei kommen einige Fakten ans Licht, die der Zuhörer wohl so nicht vermutet hätte.
Drei überraschende Fakten zur Titanic
1) Das Loch in der Wand der Titanic war nur einen Quadratmeter groß. Da es aber nur zehn Zentimeter hoch war, war es relativ lang, wehalb mehrer hintereinander gelegene Abteile der Titanic voll Wasser liefen.
2) Grund für die Kollision mit dem Eisberg war keineswegs Leichtsinn oder menschliches Versagen: Der Kapitän ließ sogar extra eine längere Route fahren als geplant, um den Eisbergen auszuweichen. Und kurz vor dem Zusammenstoß führte die Besatzung ein eigentlich schulmäßiges Ausweichmanöver durch – erfolglos, da der Eisberg unter Wasser viel größer war, als man über Wasser sehen konnte.
3) Das Verhängnis der Titanic war die ruhige See. So unglaublich es auch klingen mag: Bei Nacht sind Eisberge mit bloßem Auge nur zu erkennen, wenn sich Wellen daran brechen. Da es aber windstill war in jener verhängnisvollen Aprilnacht, sah die Besatzung den Eisberg erst sehr spät – zu spät.
Quelle: Metin Tolan: Titanic – Mit Physik in den Untergang.
Dem Vorwurf, die Vorlesung sei eine bessere Promo-Veranstaltung für das Buch, entkräftet Tolan von vornherein. Alle Erlöse gingen an die Alumni-Stiftung der Fakultät für Physik. Diese Stiftung hat sich die Unterstützung der Physik-Studenten, z.B. mit Stipendien, Lehrmaterialien und Büchern zur Aufgabe gemacht.
Populärwissenschaft an der TU – Eine Erfolgsgeschichte
Bereits seit 2003 existiert die Veranstaltungsreihe „Zwischen Brötchen und Borussia – Moderne Physik für alle“ an der TU

Die Titanic war das größte Schiff ihrer Zeit - aber nicht das schnellste. Luxus hatte Priorität. Ihre erste Fahrt war auch ihre letzte: Am 14. April 1912 sank das Schiff. Foto: flickr/cliff1066
Dortmund. „Die Idee dahinter war, alle Dortmunder an die Uni zu holen, für die Wissenschaft zu interessieren. Ich finde, das gelingt uns Jahr für Jahr immer wieder richtig gut.“
Und in der Tat: Das Konzept geht auf. Bereits 20 Minuten vor Veranstaltungsbeginn ist das Audimax voll, als es losgeht sind auch die Treppenstufen restlos belegt. Ca. 800 Sitzplätze bietet der größte Dortmunder Hörsaal, ungefähr 900 Zuhörer haben die Veranstalter gezählt.
In Zeiten von überfüllten Hörsälen und Studentenflut kein Wunder, doch nur 160 der Zuhörer haben sich verpflichtet regelmäßig zu erscheinen, um Credit Points für das Studium Fundamentale zu erlangen. Die restlichen Plätze sind bunt durchgemischt: Rentner, Familien, Studenten, die freiwillig kommen und in den ersten Reihen viele Schüler, die ein „Schülerdiplom“ für die Teilnahme erhalten.
So fanden es die Zuhörer:
„Ich fand es klasse, dass es immer den Bezug zum Film hatte. Professor Tolan schafft es immer, seine Themen lustig und alltagsnah rüberzubringen, deshalb bin ich heute Morgen auch hierhin gekommen, obwohl ich es eigentlich gar nicht musste“.- Janina Schindler, Physik-Studentin TUDO
Grundsätzlich war ich wegen der Physik hier, aber mir hat der ganze Vortrag sehr gut gefallen. Metin Tolan war sehr locker und hat viele Gags eingestreut, sodass der Stoff nie zu trocken oder theoretisch wurde. – Lars Borkenstein, Biologie-Student UDE
Fotos: Philipp Ziser
Mit Borussia nichts am Hut

Tolan zeigte eine Stirling-Dampfmaschine, die von einer Kerze betrieben wird. Ähnliche Motoren trieben die Titanic an. Foto: Philipp Ziser
Besonders die magischen acht Buchstaben „Borussia“ im Veranstaltungstitel locken viele Dortmunder natürlich her – zahlreiche schwarz-gelbe Schals und Trikots sind zu sehen. Und sie kommen auf ihre Kosten. Zu Beginn wird ein Video gezeigt, wie eine Forschungsgruppe der TU vor einigen Jahren eine BVB-Flagge am Südpol hisste – und damit dem blau-weißen Lokalrivalen aus Gelsenkirchen weit voraus war, wie Physik-Professor Manfred Bayer in seiner Begrüßung betont.
Tolan selbst hält sich bei dem Thema bedeckt – nicht einmal einen Tipp für das Topspiel Dortmund gegen Bayern will der Schwabe abgeben: „Das ist mir völlig egal, Hauptsache der VFB Stuttgart gewinnt am Sonntag!“ Den anwesenden BVB-Fans wurde die Wartezeit bis zum ersehnten Topspiel trotzdem angenehm verkürzt. Und Mario Götze sorgte dann ja tatsächlich für ein schwarz-gelbes Happy End – das ließ die Titanic ja leider vermissen.
In der Vortragsreihe „Zwischen Brötchen und Borussia – Moderne Physik für alle“ finden in diesem Semester noch zwei Veranstaltungen statt:
Samstag 10. Dezember, 10:30 Uhr: Prof. Holger Wormer: Endlich Mitwisser !
Samstag 21. Januar, 10:30 Uhr: Prof. Dr. Walter Krämer: Die Angst der Woche
pflichtlektüre: Ankündigung der Veranstaltung
Scheiß physik und neutrinos