Stau auf dem Bafög-Amt

Der Doppelabiturjahrgang steht so gut wie vor der Tür. Mit bis zu 51 000 Studierenden rechnet das Studentenwerk Dortmund im kommenden Jahr. In den letzten Jahren schon ist die Zahl der Studienanfänger in NRW stetig gestiegen und damit auch die Zahl der Bafög-Anträge. Das Problem:
Es fehlen die Mittel, um der Flut an Anträgen gerecht zu werden.
Zudem werden die
Wartezeiten immer länger. Schon jetzt müssen die Studenten bis zu einem halben Jahr auf die Bewilligung ihres Antrages warten. In einem Beschwerdebrief an Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW forderten 16 Allgemeine Studierendenausschüsse (AStA) bereits im Februar zusätzliche Gelder für die Studentenwerke. Bisher ohne Wirkung.

Ein Beitrag zu den Hintergründen von Helene Seidenstücker

Lara Schwenner wartet schon seit Monaten auf eine Antwort vom Bafög-Amt. Foto: privat

Lara Schwenner wartet schon seit Monaten auf eine Antwort vom Studentenwerk. Foto: privat/Teaserbild: pflichtlektuere

Lara Schwenner ist Journalistik-Studentin an der TU Dortmund und kommt ins fünfte Semester. Seit zwei Jahren bezieht sie Bafög. Im Vorfeld jedes neuen Wintersemesters muss sie einen Folgeantrag stellen. „Es wird empfohlen, seinen neuen Antrag so früh wie möglich abzugeben, damit es keinen Stau gibt mit den Leuten, die ab Oktober ihre Erstanträge stellen. Abgegeben habe ich meinen Antrag Ende Mai, im Juni habe ich noch ein fehlendes Dokument nachgereicht“, erzählt Lara. „Eigentlich soll man nach spätestens zwei Monaten eine Rückmeldung bekommen. Jetzt, fast Ende September, habe ich immer noch nichts gehört…“, ärgert sich die Studentin.

„Es stehen Existenzen auf dem Spiel“

Im Februar forderten Studentenvertreter aus ganz NRW in einem offenen Brief an NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) mehr Verwaltungspersonal und finanzielle Aufstockungen für die Studentenwerke. Die 16 beteiligten AStA bezeichnen die aktuellen Verhältnisse als „Bafög-Skandal“. Auch die Universitäten in Dortmund, Bochum und Duisburg-Essen unterstützen den Aufruf und kritisieren darin die langen Wartezeiten von bis zu einem halben Jahr auf den Ämtern.Sie werfen dem Ministerium eine „Verzögerungstaktik“ vor. „Das Ministerium lässt die Studentenwerke und tausende Studierende im Stich“, beklagt Kai Uwe Joppich vom AStA der FH Dortmund, Initiator des offenen Briefs. „Seit 2007 haben wir 30 Prozent mehr Studierende, aber seitdem ist kein Euro mehr in die Finanzierung der Bafög-Beantragung gesteckt worden“.

Im Doppelabiturjahrgang 2013 werden rund 20 000 zusätzliche Bafög-Empfänger erwartet. Schon im Vergleich zu 2011 seien die Studierendenzahlen gestiegen. Um der Situation auf den Bafög-Ämtern überhaupt noch Herr werden zu können, müssten die Mitarbeiter Überstunden machen und zum Teil sogar am Wochenende arbeiten, so Joppich.  Er spricht von einem unhaltbaren Zustand für Betroffene und Verwaltungspersonal: „Hier stehen Existenzen von Studenten auf dem Spiel! Denn wenn die Studierenden Bafög beantragen, haben sie in der Regel keine Möglichkeit zur Unterstützung von zu Hause und werden dann in finanzielle Probleme geraten“.

2012 wurde verschlafen

Kai Uwe Joppich vom AStA der FH-Dortmund. Foto: privat

Kai Uwe Joppich vom AStA der FH-Dortmund will die Bearbeitungszeit der Bafög-Anträge verkürzen. Foto: privat

Erst für 2013 habe das Land zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Doch die effektive Einarbeitung neuer Mitarbeiter nähme einige Monate in Anspruch. Daher würde das Geld jetzt benötigt – nicht erst, wenn der Doppeljahrgang bereits da ist. „Die letzte Vereinbarung zwischen Studentenwerken und dem Land NRW ist von 2007 und sollte über fünf Jahre gelten. Aber im Haushalt 2012 war nicht ein Euro mehr als im Vorjahr vorgesehen. 2012 wurde schlichtweg verpennt“, stellt Joppich fest. Er vermutet, dass durch die Neuwahlen der Landesregierung im März und die Neuverabschiedung des Haushaltes 2012 die benötigten Gelder „im Topf des Finanzministeriums einfach mit untergegangen“ seien. Seiner Meinung nach mache Frau Schulze „eine schwache Figur gegenüber dem Finanzministerium“, weil sie sich nicht habe durchsetzen können.

Die Bafög-Probleme als Wahlkampftaktik?

Das Land und auch Svenja Schulze sehen das anders. In der Lokalzeit Dortmund des WDR äußerte sich die Ministerin zu den Vorwürfen: Landesweit würden bereits in diesem Jahr zwanzig neue Mitarbeiter für alle Studentenwerke zur Verfügung gestellt, um der vorgeschriebenen, zweimonatigen Beratungs-und Bearbeitungszeit der Anträge gerecht zu werden. Die Studierendenvertreter aber fordern bis zu 40 neue Mitarbeiter. Und das sofort.

Die Landesregierung kontert, sie habe bereits in den letzten Jahren kontinuierlich aufgestockt: „Die Studentenwerke haben bereits jetzt mehr Geld zur Verfügung, als das noch unter CDU und FDP der Fall war. Da haben wir schon vorgesorgt“. Schulze betont, dass die rot-grüne Landesregierung die Kürzungen von CDU und FDP bei den Studentenwerken rückgängig gemacht und sogar noch weiter aufgestockt habe. Dass erst Kürzungen und dann wieder Aufstockung der Gelder sich letztendlich allerdings wieder aufheben, ignoriert die SPD-Politikerin.

Für 2013 gäbe es schon einen festen Finanzierungsplan, der mit den Hochschulen vereinbart sei: „Der Etat der Hochschulen in NRW liegt in jedem Jahr bei rund vier Milliarden Euro. Alleine für den doppelten Abiturjahrgang werden wir jetzt nochmal weit über elf Milliarden Euro dazu geben“, sagt Frau Schulze dem WDR. Die Hochschulen seien darauf eingestellt, in den nächsten Jahren über 100 000 Studienanfänger aufzunehmen. „Es wird zwar nicht jeder an seinem Wunschort das Wunschfach studieren können, aber insgesamt sind wir auf diese erhöhte Nachfrage in NRW wirklich gut vorbereitet“, erklärt die Ministerin überzeugt. Auf die aktuell bestehenden Probleme auf dem BAföG-Amt geht sie nicht weiter ein.

4 Comments

  • Armestudentin sagt:

    Ich habe noch 80€ für den Rest des Monats! Zum Glück kann ich mein Konto überziehen, aber was soll ich machen, wenn diese Grenze auch erreicht ist? Meinen Vermieter fragen, ob ich einen Monat oder länger umsonst dort wohnen darf und beim Supermarkt anschreiben lassen? Es wird Zeit sich zu empören!

  • Bekanntlich stinkt jeder Fisch vom Kopf her. Mein Vorschlag: jeder Antrag, der nicht in der dafür vorausgesetzten Zeit bearbeitet ist, gilt als genehmigt. Da würden so manche Wunder wahr!

  • IRONIE AN

    Landesweit zwanzig neue Mitarbeiter für die Studentenwerke reichen doch locker. Sind ja nur 70 Hochschulen in NRW …

    IRONIE AUS

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