Blutige Märchenstunde

Grausige Morde geschehen in Dortmund. Im Verborgenen, auf dem Friedhof, im Westfalenpark oder sogar vor der Haustür. Mal geht’s dabei laut und blutig zu, mal ganz still und heimlich. Manchmal merkt das Opfer sogar viel zu spät, was mit ihm geschieht. Diese Spannung entspringt den Federn von sechs Dortmunder Autorinnen, die sich Bloody Marys nennen.

Die "Bloody Marys":

Die "Bloody Marys": E. Encke, C. Füssmann, S. Deitmer, S. Ludwigs, A.-K. Koppetsch, S. Rieckmann, H. Wulf (v.l.n.r.) Foto: A. Ossadnik

Die Stille im Raum ist fast greifbar. Kein Hüsteln ist zu hören, kein Stuhl wird verrückt. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Das Publikum im Studio B der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund wartet am Abend gebannt auf die Lesung der „Bloody Marys“. Die sechs Krimiautorinnen präsentierten am 19. September ihr erstes gemeinsames Buch „Das Leben birgt ein tödliches Risiko“ mit grausig-spannenden Krimi-Kurzgeschichten.

Die Bloody Marys morden in der Stadtbibliothek

Die Bloody Marys, das sind die Dortmunder Autorinnen Heike Wulf, Sabine Ludwigs, Sabine Deitmer, Eva Encke, Christine Füssmann und Anne-Kathrin Koppetsch. Die Damen kleiden sich zu ihren Lesungen immer in den Farben rot und schwarz, womit sie optisch aus der Menge herausstechen. Gemeinsam standen die Krimiladys an diesem Abend in ihren abgestimmten Outfits lächelnd an der Eingangstür des Studio B und begrüßten ihr Publikum. Besonders auffällig: eine sehr junge Frau in rotem Strick-Pullover mit breitem Fließkragen und schwarzer Hose, die sich an diesem Abend zu den Damen hinzugesellte. Optisch angepasst an das Erscheinungsbild der Krimiautorinnen, sticht sie mit ihrer Jugendlichkeit und der wilden Lockenmähne besonders aus der Gruppe der Damen mittleren und reiferen Alters hervor. Sonja Rieckmann heißt sie und war ein besonderer Gast bei der Lesung der Bloody Marys. Sie durfte ebenfalls eine Kurzgeschichte im Buch veröffentlichen.

Lesungen für wohltätige Zwecke

Heike Wulf (Moderatorin und Oraganisatorin) lauscht andächtig der Geschichte von Christine Füssmann

Heike Wulf (Moderatorin und Oraganisatorin) lauscht andächtig der Geschichte von Christine Füssmann Foto: A. Ossandik

Die mordenden Krimiladys werben gemeinsam mit dem Slogan: „Wir servieren Ihnen einen Cocktail aus tragischen, pikanten, komischen und spannenden Geschichten! Gnadenlos gut!“ So wollen sie Aufmerksamkeit erregen und Leute zu ihren Benefizveranstaltungen im Ruhrgebiet locken. Denn sie lesen nicht nur zum Vergnügen, sondern um zu helfen. Ihre Lesungen halten sie für gewöhnlich an eher ungewöhnlichen Orten, wie einem Schwurgerichtssaal, einem Polizeipräsidium oder sogar einem Erotikclub ab. Die Einnahmen aus diesen Veranstaltungen gehen für wohltätige Zwecke an Dortmunder Frauenprojekte wie dem Frauenhaus Dortmund, der tabu e.V. oder der. KOBER, der Kommunikations- und Beratungsstelle für Prostituierte.

„Mädels, holt mal raus, was ihr so habt!“

Umso ungewöhnlicher war es, dass die Bloody Marys am Montag in einem normalen Veranstaltungsraum der Stadt- und Landesbibliothek auftraten. Anlass war die Premiere des ersten gemeinsamen Buches der mordenden Ladys: Der Sammelband „Das Leben birgt ein tödliches Risiko“. Die Organisatorin und Gründerin der Bloody Marys, Heike Wulf, hatte die Idee zum Buch. „Ich wollte unsere Geschichten in einem Band herausbringen. Zu den Mädels sagte ich, holt mal raus, was ihr so habt.“

"Das Leben birgt ein tödliches Risiko"

"Das Leben birgt ein tödliches Risiko" Hrsg. Heike Wulf und Sabine Ludwigs Foto: A. Ossadnik

Herausgekommen ist dabei ein 214 Seiten dickes Buch mit Kurzgeschichten, die alle in Dortmund spielen. „Ich freue mich, dass unser Buch endlich fertig ist. Am meisten freut mich, dass wir dieses großartige Cover haben. Es ist toll!“ sagt Heike Wulf. So blutig wie das Cover sind auch die Geschichten. Schonungslos werden geliebte Ehemänner und verhasste Schwiegermütter um die Ecke gebracht (in „Trude“ von Eva Encke) oder pädophil veranlagte Stiefväter einfach ausgelöscht (in „Tür an Tür“ von Sabine Deitmer). Grausig-blutig geht es in Heike Wulfs „Erdhügel“-Geschichte zu. Wer die pathologischen Dokumentationen im Fernsehen verträgt, wird mit dieser Geschichte seinen Spaß haben, denn Heike Wulf schildert ganz ungeniert und detailliert den Mord an einem ihrer Geliebten – natürlich nur fiktiv.

Gymnasiastin war der besondere Gast des Abends

Bei der Premiere wurde jede einzelne Autorin von Heike Wulf vorgestellt und durfte eine ihrer Kurzgeschichten vorlesen. Mit viel Gefühl für Spannung und Dramatik trugen die Damen ihre Texte vor. Gespannt lauschte das Publikum den Gänsehaut-Schockern, die trotz ihrer Kürze mit viel schwarzem Humor und der nötigen Portion Witz gespickt waren. Auch Sonja Rieckmann durfte aufs Podium. Die 17-jährige Gymnasiastin wurde für ihre Kurzgeschichten bereits vom Dortmunder Literaturwettbewerb für Schülerinnen und Schüler ausgezeichnet. Mit kraftvoller Stimme hat sie ihre Kurzgeschichte „Wenn Rache explodiert“  dem neugierigen Publikum vorgelesen und präsentierte den Gänsehautfans eine ganz perfide und eigentümliche Art und Weise des perfekten Verbrechens. „Sonja ist eine talentierte junge Dame, die mit Vorliebe fiese Lehrer mordet. Das wollten wir unterstützen und haben sie heute eingeladen“, sagt Organisatorin Heike Wulf. Ihre Geschichte wurde ebenfalls im Sammelband der Bloody Marys veröffentlicht.

Sonja Rieckmann veröffentlichte 2008 "Die Stimme des Gewissens", ein Remake der Judenbuche

Sonja Rieckmann veröffentlichte 2008 ihr Remake des Buches "Die Stimme des Gewissens". Foto: A. Ossadnik

Nachdem Sonja Rieckmann das Podium verlassen hatte, sagte Heike Wulf zu ihr: „Wenn du weitermachst kannst du eines Abends vielleicht alleine hier oben sitzen.“ Das Talent dazu hat die Nachwuchsautorin bereits. Nicht nur die Krimiladys gingen an diesem Abend mit einem Lächeln nach Hause. Auch das Publikum strahlte, als es den Saal verließ. Am Büchertisch konnten die Neugierigen ein Exemplar des Buches kaufen und sogar von den Autorinnen signieren lassen. Und auch Sonja Rieckmann konnte nach diesem gelungenen Abend mit dem einen oder anderen Fan mehr nach Hause gehen und an ihrer Schriftstellerkarriere weiterbasteln.

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