Nach Loveparade: Kultur bleibt auf der Strecke

Die Loveparade-Katastrophe hat eines gezeigt: Bei vielen Veranstaltungen ist vernünftige Planung Fehlanzeige. Als wäre die Politik wachgerüttelt worden, beschloss man nach dem Duisburger Fiasko schnellstmöglich neue Auflagen für allerlei Veranstaltungen. Es folgten aber zahlreiche Absagen, sei es vom alteingesessenen Essener Pfingst Open-Air, einem Umsonst-und-Draußen Festival in Werden, oder von zahlreichen Karnevalsumzügen. Klar, eine Absage fällt immer leicht, aber sind die neuen Auflagen womöglich gar nicht zu erfüllen gewesen?

Ein Kommentar von Paul Crone

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NRW-Innenminister Ralf Jäger war gerade neun Tage im Amt, als es zur Duisburger Katastrophe kam. Foto: flickr.com/xtranews

Um diese Frage zu beantworten, muss man wahrscheinlich Festivalveranstalter sein. Was aber jedem normalen Bürger sauer aufstoßen sollte, ist die Art und Weise, wie das Land und im Zuge dessen auch die Kommunen die Absagen eigentlich „ermöglicht“ haben. Denn das Versprechen, schnell auf die angeblichen Missstände, die nach der Loveparade auf jede Veranstaltung übertragen wurden, zu reagieren, wurde leider nicht eingehalten.

Zu späte Reaktionen

Zwar reagierte das Innenministerium von NRW, respektive Minister Ralf Jäger, bereits einen Monat nach der Katastrophe wie folgt:
„Eine Kommune darf eine Genehmigung ab sofort nur noch erteilen, wenn alle betroffenen Sicherheitsbehörden mit dem Sicherheitskonzept einverstanden sind“.

So weit alles plausibel. Die Kommunen ließen sich aber Zeit. Zeit, die Festivalveranstalter sicherlich nicht haben. Es mussten, als die Kommunen schließlich ihre neuen Auflagen präsentierten, abhängig von Besucherzahl und anderen Faktoren, verschiedene neue Gutachten eingeholt werden. Und diese kosten Zeit und Geld. Das Ende vom Lied: Ein erheblicher Mehraufwand für Veranstalter, der oft zu Absagen führte. Ist die politische Verzögerung allein nicht schon ein guter Grund sich zu empören, ist es spätestens die panikhaschende Legitimation.

Nicht überall wie in Duisburg

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Nicht die Menschenansammlung an sich birgt Gefahrenpotential, sondern Engstellen mit unkontrolliertem Zuschauerfluss. Foto: flickr.com/globovisión

Denn nicht jede größere Menschenansammlung ist einfach so mit der Loveparade gleichzusetzen! In Duisburg, das kann niemand bestreiten, wurden eklatante Fehler gemacht. Und zwar nicht nur bei der Planung, sondern auch bei der Durchführung. Deswegen scheint es auch sehr willkürlich, welche Veranstaltungen auf der Welle der Loveparade-Panik abgesagt wurden, denn nicht jeder Karnevalszug birgt das gleiche Gefahrenpotential wie der alte Güterbahnhof in Duisburg.

Wer außerdem noch völlig außer Acht gelassen wurde, sind die ehrenamtlichen Organisatoren, denn die treffen die erhöhten Auflagen besonders. Kein Wunder, dass sich so mancher überlegt, lieber alles hinzuschmeißen, als sich all die zusätzliche Arbeit zuzumuten.

Haushaltssperre? Sparzwang? guter Grund?

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Trauerstätte vor der Rampe zum alten Bahnhof in Duisburg: Kann so eine Katastrophe nicht schnell auch im Fußballstadion passieren? Foto, sowie Teaserbild: flickr.com/marcusbauer

Besonders ärgerlich ist aber, dass sicherlich auch ein ökonomischer Grund eine Rolle bei den Absagen spielt. In Zeiten von Sparzwang und Haushaltssperre, die traditionell die Kulturszene am härtesten trifft, kommen Absagen sicher sehr gelegen. So mausert sich die Loveparade-Katastrophe in der letzten Zeit zum Totschlag-Argument gegen Großveranstaltungen.

Dabei misst man mit zweierlei Maß: Fußballspiele, bei denen sich aggressive Trunkenbolde zu Tausenden auf enge Tribünen zwängen, sind wesentlich unsicherer als ein Konzert auf einer weitläufigen Wiese.

Augenmaß ist gefordert

Alles in allem gilt es gerade bei ehrenamtlich organisierten Festivals Augenmaß walten zu lassen. Die Sicherheit der Teilnehmer sollte natürlich in keinem Fall vernachlässigt werden, aber starre Verordnungen und ständige Hinweise auf die Fehler von Duisburg sind nichts als Willkür und Panikmache auf Kosten der kulturellen Vielfalt.

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