„Totale Offensive” gegen Alkoholismus und Gewalt

Ein Projekt von Melanie Bröcker, Lucas Gunkel, Jasmin Maxwell und Judit Révész

Beten zum Fußballgott…

…hilft meistens wenig. Die „Totale Offensive“ setzt dem Fußballfieber christliche Werte entgegen.

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Ein neues Leben ohne Alkohol – Dirks Geschichte

Wie Dirk Haslinde, der Gründer der Totalen Offensive, vom Alkohol loskam.

Hier klicken zum Hören: Dirks Geschichte

Was hinter geballten Fäusten steckt

Oliver Römer

Oliver Römer hatte als Teenager Probleme mit Gewalt

Ins Stadion ging Oliver Römer jede Woche. Eigentlich zum Fußballgucken. Er hatte eine Dauerkarte, war großer BVB-Fan. Dass er nach einem Spiel in eine Schlägerei geriet und selbst kräftig mitmischte, hatte mit dem Fußball nichts zu tun. Er war frustriert, dass sich seine Eltern getrennt hatten, er wollte auffallen, provozieren – und schließlich prügelten auch seine Freunde mit.

Der Tag endete für den damals 16-Jährigen auf dem Polizeirevier. Im Nachhinein ein Glücksfall. „Die Festnahme war für mich ein Weckruf“, sagt Römer heute. Er trennte sich von seinen alten Freunden und begann sich in der katholischen Jugendarbeit zu engagieren, wo er zum Glauben fand. Heute ist Oliver Römer Mitglied im christlichen BVB-Fanclub Totalen Offensive (TO) und setzt sich dort aktiv gegen Gewalt im Stadion ein.

Schlägereien unter Fußballfans – ein altes Problem. Auch in Dortmund kam es in der Vergangenheit häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen – gerade bei Spielen gegen den Erzrivalen FC Schalke 04. Durch ein großes Aufgebot an Ordnern und Polizisten sowie Appelle an die Fans versuchen der BVB und die Dortmunder Polizei, das Problem in den Griff zu bekommen. Fans, die häufig auffallen, erhalten Stadionverbot. Auch die Ursachen der Gewalt sollen bekämpft werden. Denn es ist nicht nur die teilweise jahrelang gepflegte Rivalität zwischen Fußballclubs, die zu Schlägereien führt – darüber sind sich alle Beteiligten im Klaren. Doch was bringt Fußballfans dazu, sich bei Spielen zu prügeln?

„Das Feindbild der Fans von anderen Clubs wird gerne genutzt, die Gewalt rührt aber von sozialen Problemen her, von der Perspektivlosigkeit“, meint Oliver Römer. Auch Petra Stüker, Fanbeauftragte beim BVB, weiß: „Probleme machen viele jugendliche Fans, so 16 bis 20 Jahre, die nicht so viel mit sich anzufangen wissen, die vielleicht soziale Probleme haben, zum Beispiel arbeitslos sind oder sogar auf der Straße leben. Wenn dann Alkohol im Spiel ist, kann das schnell überkochen.“ Dazu komme noch der Gruppenzwang. Denn viele junge Leute würden nur ins Stadion gehen, weil sie in der Fanszene Freunde gefunden hätten.

Gewalttätige Fans erhalten Stadionverbote

Gewalttätige Fans erhalten Stadionverbote

Die Totale Offensive überträgt BVB-Spiele öffentlich und geht auch selbst ins Stadion. So versuchen sie, Fußballfans mit sozialen Problemen zu erreichen, um ihnen helfen zu können. Alkohol gibt es bei den Übertragungen der TO gar nicht. „Über den Fußball kommt man leichter an die Jugendlichen heran, da ist die Hemmschwelle niedriger. Wir wollen versuchen, ihnen Werte zu vermitteln.“ Vor allem die Werte des christlichen Glaubens.

Auch der BVB möchte die sozialen Probleme lösen, die zu Gewalt bei Fußballspielen führen. Seit 20 Jahren gibt es in Dortmund – wie in jeder Stadt mit Bundesligaverein – das so genannte Fanprojekt. Das ist eine Einrichtung mit Sozialarbeitern, die sich um auffällig gewordene Fans kümmern und ihnen auch bei Behördengängen helfen.

Doch die Gründe für Gewalt im Stadion seien differenzierter, als es auf den ersten Blick scheine, betont man bei der Polizeipressestelle: „Nicht jeder, der gezielt die Auseinandersetzung sucht, ist sozial schwach. Es gibt genauso den Rechtsanwalt, der unter der Woche unauffällig seine Arbeit macht und sich am Wochenende bei Spielen prügelt.“ Alkohol spielt dabei zwar manchmal eine Rolle – manchmal aber auch nicht. Denn wenn Fangruppen Prügeleien bei Spielen gezielt planen, bleiben sie meistens mit Absicht nüchtern, so die Erfahrung der Polizisten. Die Schlägereien seien dann kurz und heftig und würden oft weniger als eine Minuten andauern. „Für diese Fans ist Schlagen einfach Sport.“

Die Totale Offensive verteilte Schoko-Nikoläuse an die Ordner.

Die Totale Offensive verteilte Schoko-Nikoläuse an die Ordner.

Der BVB versucht, das Aufeinandertreffen von gegnerischen Fans von vornherein zu verhindern, indem sie in unterschiedlichen Stadionblöcken untergebracht werden. Damit folgt er einer Richtlinie zur Fan-Sektoren-Trennung des Deutschen-Fußball-Bundes. Die Totale Offensive setzt zudem auf Verständigung zwischen gegnerischen Fans. Die Mitglieder trafen sich zum Beispiel schon mit der Faninitiative „Mit Gott auf Schalke“. Doch nicht nur zwischen gegnerischen Fans möchten die Clubmitglieder vermitteln, sondern auch zwischen Fans und Ordnern. Zu Ostern und Nikolaus verteilen sie deshalb an die Ordnungskräfte im Stadion und an die Polizisten im Einsatz Schokolade, um ihre Wertschätzung für ihre Arbeit auszudrücken.

Viele Fans hätten nach vielen Gesprächen mittlerweile selbst erkannt, dass Gewalt bei Spielen zu nichts führt, sagt Petra Stüker. In der vergangenen Saison habe es daher weniger Auseinandersetzungen gegeben als in der vorherigen. Der Schlüssel zum Erfolg, meint auch Oliver Römer, ist der Dialog mit den Fans, die gewalttätig wurden statt dauerhafter Stadionverbote. Dann kommen diese Fans vielleicht in Zukunft – wie er selbst  wirklich nur noch zum Fußballgucken ins Stadion.

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