Anwesenheitspflicht vor Reform

Welcher Student kennt es nicht. Schon zwei Mal hat er bei der Uni-Veranstaltung unentschuldigt gefehlt. Ein weiteres Mal und er ist durchgefallen – schließlich gilt eine Anwesenheitspflicht. Da diese aber nicht bei allen Veranstaltungen dem Lernziel dient, erscheint diese Methode fragwürdig. An der TU Dortmund könnte sich an dieser Situation in naher Zukunft etwas ändern.

Anstoßpunkt ist ein Schreiben des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Am 9. September ging ein Brief an die Universitäten und Fachhochschulen, der pflichtlektuere vorliegt. Betreff: „Anwesenheitspflichten“.

Die Anwesenheitspflicht an Universitäten sorgt für volle Hörsäle. Foto: scx.hu/datarec

Die Anwesenheitspflicht an Universitäten sorgt für volle Hörsäle. Foto: scx.hu/datarec

Darin wird geäußert, dass in letzter Zeit „Prüfungsordnungen bekannt geworden sind, die allgemein und unabhängig von den Besonderheiten der einzelnen Lehrveranstaltung, insbesondere unabhängig von ihrem jeweiligen Lernziel, den Besuch einer Mindestanzahl von Veranstaltungsterminen zur Voraussetzung für die Teilnahme oder das Bestehen einer Prüfung machen.“ Solche allgemeinen Anordnungen seien durchweg rechtlich angreifbar. Sie verstießen gegen die Studierfreiheit des Hochschulgesetzes, so das Ministerium weiter.

Änderung der Anwesenheitspflicht möglich

Übersetzt bedeutet dies: Es erscheint fraglich, Anwesenheiten bei Vorlesungen, Seminaren oder anderen Veranstaltungen zu verlangen, wenn die Gegenwart des Studenten nicht unmittelbar zum Lernziel beziehungsweise Bestehen der (Modul-)Prüfung beiträgt. Für den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der TU Dortmund ein Grund, nun für eine Änderung der Anwesenheitspflichten einzutreten. Unter der Leitung von Johannes Blömeke, Referent für Lehre, wurde deshalb ein Rahmenplan entwickelt.

Johannes Blömeke vom AStA setzt sich für eine Reform der Anwesenheitspflicht ein. Foto: Jonas Gnändiger

Johannes Blömeke vom AStA setzt sich für eine Reform der Anwesenheitspflicht ein. Foto: Jonas Gnändiger

„Die bisherige Regelung der Anwesenheitspflicht ist für uns unbefriedigend. Wir lehnen es ab, die Studenten mit einer generellen Anwesenheitspflicht bei Universitätsveranstaltungen zu belegen. Deshalb wollen wir sie jetzt auch verändern“, sagt Blömeke. Der Fünf-Punkte-Plan des AStA sieht unter anderem vor, dass es Anwesenheitspflichten künftig nur noch dann geben darf, wenn diese durch die Lernziele zwingend notwendig sind. Eine entscheidende Rolle sollen dabei die Fakultätsräte spielen. Denn soll eine Veranstaltung anwesenheitspflichtig sein, liegt die Entscheidung beim Rat, ob er dem Antrag zustimmt und diesen anschließend in die Prüfungsordnung aufnimmt. In den Fakultätsräten sitzen Lehrende, wissenschaftliche Mitarbeiter, Studierendenvertreter und auch technische Angestellte der jeweiligen Fakultäten.

Anwesenheitspflicht im ganzen Semester

Sollte der Plan umgesetzt werden, könnte auch ein weiterer Streitpunkt wegfallen.
Bisher ist es einem Studenten bei anwesenheitspflichtigen Veranstaltungen erlaubt, zwei Mal unentschuldigt zu fehlen. Auch hier strebt der AStA eine neue Lösung an. „Wenn sich eine Fakultät auf eine Anwesenheitspflicht für eine Veranstaltung einigt, dann muss diese auch für das ganze Semester zählen“, so Blömeke. Unentschuldigtem Fehlen würde an dieser Stelle also ein Riegel vorgeschoben werden.

Unterstützung bei der Umsetzung des Plans bekommt der AStA auch von Metin Tolan, Physikprofessor und auch Prorektor Studium an der TU Dortmund. „Dies ist meine persönliche Meinung, aber ich sehe das ganz genauso wie der AStA. Da wird gegen geltendes Recht verstoßen. Es kann keine Anwesenheit gefordert werden, wenn es nicht in der Prüfungsordnung steht. Hier werden Rechte der Studenten mit Füßen getreten“, so Tolan. Der erste Schritt zur Umsetzung ist laut Blömeke bereits getan. Neben Tolan hätte auch TU-Rektorin Ursula Gather den Entwurf des 5-Punkte-Plans erhalten.

Ausarbeitung im Justiziariat

Professor Metin Tolan unterstützt den Plan des AStA. Foto: Jürgen Huhn

Professor Metin Tolan unterstützt den Plan des AStA. Foto: Jürgen Huhn

Aktuell liegt der Plan nun beim Justiziariat der TU Dortmund. Dort soll eine Version entwickelt werden, die dann erneut zur Prüfung vorgelegt wird. „Ich bin sehr positiv gestimmt, dass wir das hinbekommen. Einige Dozenten stemmen einfach ihre Prüfungsordnung aus, deswegen wollen wir jetzt klare Regeln schaffen“, sagt Tolan.
Über diese Ausarbeitung des Justiziariats müssten im letzte Schritt abschließend Studierendenvertreter und Lehrende diskutieren. Eine Hürde, die Johannes Blömeke als „kritisch“ bezeichnet. Doch trotz des recht komplizierten Ablaufs ist auch er guter Dinge: „Ich bin zuversichtlich, dass wir auf der Grundlage unseres Entwurfes eine Lösung finden werden.“

Natürlich stellt sich Frage, ob nach einer Veränderung bei der Anwesenheitspflicht viele Studenten nicht mehr zur Veranstaltung erscheinen. Es könnte passieren, dass Dozenten im Hörsaal nur noch 20 Studenten vor sich haben, anstatt vorher 200. Oder dass in Seminaren an manchen Tagen 30 Studenten auftauchen und an anderen nur fünf. Blömeke setzt in diesem Punkt auf die Vernunft der Studenten („Jeder Student ist für sich selbst verantwortlich.“), während Metin Tolan auch die Dozenten in die Pflicht nimmt. „Wenn die Studenten weg bleiben, müssen vielleicht auch mal die Dozenten darüber nachdenken, was falsch läuft. Außerdem ist jeder seines Glückes Schmied. Jeder muss selber wissen, ob für die Klausur lernen muss oder nicht“, so Tolan.

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