Leben retten – um welchen Preis?

Die finanzielle Lage der Krankenhäuser in Deutschland ist schlecht. Jedes zweite hat laut einer Studie im vergangenen Jahr Verluste gemacht. So auch das Klinikum Dortmund. Die Vermutung liegt nahe, dass die wirtschaftliche Lage für Engpässe bei der Behandlung sorgt. Das Klinikum dementiert. Auch die Ruhr-Uni Bochum sieht wegen wirtschaftlicher Probleme der Krankenhäuser keine Gefahr für die Ausbildung ihrer Medizin-Studenten. Trotzdem sorgt ein besonderer Fall nun in Dortmund für Aufruhr.

Ortwin Schäfer ist Mitglied der Geschäftsführung im Klinikum Dortmund. Foto: KlinikumDo

Ortwin Schäfer ist Mitglied der Geschäftsführung im Klinikum Dortmund. Foto: KlinikumDo

Aus aktuellem Anlass: Ein Herzinfarkt-Patient wurde vom Rettungsdienst zwischen Dortmund und Lünen hin- und hergefahren – statt auf direktem Weg in die Notaufnahme. Bis der 64-Jährige behandelt wurde, dauerte es zwei Stunden. Der Grund: In den Dortmunder Krankenhäusern war kein Platz frei. In Zukunft könnten sogar noch weitere Betten wegfallen. Im Sommer dieses Jahres veröffentlichte die Landesregierung den sogenannten NRW-Krankenhausplan. Bis 2015 sollen demnach zwar mehr Plätze für ältere Menschen geschaffen, gleichzeitig könnten aber tausende Plätze in anderen Bereichen gekürzt werden.

Kleine Krankenhäuser machen größte Verluste

13 Krankenhäuser gibt es in Dortmund. Die beiden größten: das Klinikum und das St.-Johannes-Hospital. „Wir bieten so ziemlich alle Leistungen an, die ein Patient brauchen kann“, sagt Ortwin Schäfer, Arbeitsdirektor und Mitglied der Geschäftsführung im Klinikum. Es seien eher kleine Krankenhäuser, denen Einsparungen drohen. „Die gibt es auch in Dortmund“, sagt Schäfer. Das Krankenhaus-Barometer des Deutschen Krankenhausinstituts zeigt, dass Einrichtungen mit weniger als 300 Betten 2012 die größten Verluste machten. Doch auch das Klinikum gab im vergangenen Jahr deutlich mehr aus, als es einnahm: ein Defizit von 6,4 Millionen Euro.

„Das System krankt an dieser Stelle“, sagt Schäfer. Bei der Krankenhausfinanzierung liege der Fehler im System: Das Klinikum erhält für jeden behandelten Patienten eine Fallpauschale, einen bestimmten Betrag. „Dabei ist zum Beispiel vorgesehen, dass ein Blinddarm-Patient drei Tage in Behandlung bleibt. Bleibt er länger, zahlen wir drauf“, erklärt Schäfer, „das ist eine Ungerechtigkeit.“ Für dieses Jahr ist er aber zuversichtlich, mit einem ausgeglichenen Haushalt abzuschließen.

Notaufnahmen ausgelastet

Mit dem jüngsten Versorgungs-Engpass habe dies aber ohnehin nichts zu tun. „Grundsätzlich haben wir nicht zu wenig Betten“, sagt Ortwin Schäfer, „an 360 Tagen im Jahr haben wir keine Probleme.“ Dass die Notaufnahme des Klinikums wie zuletzt einmal ausgelastet ist, sei keine Besonderheit – der Fall des Herzinfarkt-Patienten aber trotzdem ein Einzelfall, so Schäfer: „Klar, so geht’s nicht. Gerade bei Herzpatienten.“ Im Fall des 64-Jährigen hatten sich die Notaufnahmen des Klinikums und des St.-Johannes-Hospitals gleichzeitig beim Rettungsdienst abgemeldet, weil sie niemanden mehr aufnehmen konnten.

Professor Thorsten Schäfer, Studiendekan der medizinischen Fakultät an der Ruhr-Uni Bochum, sieht keine Probleme bei der Ausbildung seiner Studenten. Foto: RUB

Professor Thorsten Schäfer, Studiendekan der medizinischen Fakultät an der Ruhr-Uni Bochum, sieht keine Probleme bei der Ausbildung seiner Studenten. Foto: RUB

Das Klinikum Dortmund ist außerdem Lehrkrankenhaus der Uni Münster. Können Medizin-Studenten überhaupt ausreichend betreut werden, wenn es in der Notaufnahme mal wieder voll wird? Die Ruhr-Uni Bochum hat sich für diesen Fall abgesichert. Sie schließt Verträge mit den Krankenhäusern ab, in denen ihre Studenten ausgebildet werden – um sicherzustellen, dass sich dort jemand um die angehenden Ärzte kümmert. „In großen Kliniken kann es schon mal passieren, dass Studierende ihren Assistenzarzt gerade nicht vorfinden, weil er in den OP abgestellt wurde. Aber gerade im praktischen Jahr geben sich die Krankenhäuser immer große Mühe“, erzählt Professor Thorsten Schäfer, Studiendekan der medizinischen Fakultät in Bochum.

Seit die Ruhr-Uni auf solche Verträge setzt, ist ihre Ausbildung von der wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser unabhängig. „Die prekäre Versorgungssituation, die es geben könnte, wirkt sich nicht auf Forschung und Lehre aus. Ich sehe, dass trotz allen finanziellen Drucks in den Krankenhäusern auf die Lehre geachtet wird“, sagt Schäfer. „Die Studierenden sind schließlich die Mitarbeiter von morgen.“

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