Ein Bohrloch nach Neuseeland

Ralf Witthaus ist Künstler. Sein Werkzeug sind nicht etwa Pinsel, Tusche und Co, sondern die Motorsense. Seine Leinwand sind die Rasenflächen dieser Welt. Seit einiger Zeit ist der Rasenkünstler nun auch international bekannt. Sein neuestes Projekt hat er erst kürzlich abgeschlossen.

Mit dem Projekt „Das Bohrloch nach Neuseeland“ versuchte der in Köln lebende Künstler zwei Orte miteinander zu verbinden, die unterschiedlicher nicht sein könnten: einen traditionsreichen Hof im hiesigen Löhne, einer kleinen Stadt im ostwestfälischen Kreis Herford, und die „Auckland Botanic Gardens“ inmitten Neuseelands größter Metropole.

Die Bohrloch-Idee

Aus einer Kindheitserinnerung entwickelte sich die Idee zum Kunst-Projekt „Bohrloch“. Damals hatte Witthaus seinen Vater gefragt, wo man denn herauskommen würde, wenn man unter seinen Füßen zu graben, beziehungsweise zu bohren anfinge. Die Antwort: Neuseeland. Auch wenn das nicht ganz richtig ist – enden würde man schließlich irgendwo im Südpazifischen Ozean – entwickelte sich Jahre später aus diesem Gespräch die Grundidee zum Projekt „Das Bohrloch nach Neuseeland“.

Zwei Rasenzeichnungen, die jeweils die Landschaft der anderen Region widerspiegeln, sollten symbolisch für den kürzesten Weg zum anderen Ende der Welt stehen. Mithilfe einer Motorsense wurden dabei Gegenstände, die sich auf der einen Seite befinden, grafisch in eine Zeichnung auf der anderen Seite der Erdkugel in den Rasen gefräst.

Luftaufnahme des Hofes in Löhne. Foto: Harald Neumann

Luftaufnahme des Hofes in Löhne. Foto: Harald Neumann

Die Rasenzeichnung in Auckland, Neuseeland. Foto: Harald Neumann

Die Rasenzeichnung in Auckland, Neuseeland. Foto: Harald Neumann













Mitte September dieses Jahres begannen die Arbeiten auf dem Hof in Löhne. Ralf Witthaus und sein Team haben den Rasen rund um die Hofgebäude abgemäht und die Dinge, die sich an den entsprechenden Stellen in Neuseeland befinden, als Rasenzeichnung stehen gelassen. Insgesamt haben die Mäharbeiten in Löhne circa 200 Mannstunden in Anspruch genommen. Bedeutend weniger als in Neuseeland. Dort waren es mit circa 800 Mannstunden im Oktober viermal so viele Stunden. Der Unterschied: während in Neuseeland die Parkfläche eher eine weite Wiesenlandschaft umfasste, teilt sich der Hof in Löhne auf mehrere Gebäude auf. Für das Rasenkunstwerk in Neuseeland mussten also viel mehr Gegenstände, zum Beispiel Häuser und Sträucher, gezeichnet werden.

Nun auch am anderen Ende der Welt bekannt: Ralf Witthaus. Foto: Michael Palm, Teaserbild: Steffen Schmitz

Nun auch am anderen Ende der Welt bekannt: Ralf Witthaus. Foto: Michael Palm, Teaserbild: Steffen Schmitz

„Kunst ist nicht allein die Zeichnung“

„Von der Heimat in die Ferne“, das sei der Grundgedanke des Projekts, erzählt Witthaus. Ein Gedanke oder vielmehr eine Sehnsucht, die viele Menschen verstehen können. Mit dem Bohrloch versuchte er, eine künstlerische Brücke zu schlagen von der einen auf die andere Seite der Welt.

„Kunst ist echt gut, wenn sie von der Energie getragen ist, etwas zu machen, etwas herauszufinden, etwas Neues dabei zu erleben“, sagt Witthaus. Die Kunst bei einem derartigen Projekt sei aber nicht alleine die Zeichnung. Sie sei zwar das sichtbare Ergebnis, doch alles, was im Entstehungsprozess stattfindet, gehöre genauso zur Kunst wie die fertige Zeichnung. Begleitet wurde das Team um Ralf Witthaus daher von dem Fotografen Harald Neumann. Er fing mit der Kamera alles ein, was durch die Zeichnung nicht zu erahnen gewesen wäre.

Ralf Witthaus zeichnet mit der Motorsense. Foto: Harald Neumann

Ralf Witthaus zeichnet mit der Motorsense. Foto: Harald Neumann

Die Suche nach der perfekten Rasenfläche

7.000 Quadratmeter, so groß wurde jede einzelne Rasenzeichnung in Löhne und in Auckland. Zum Vergleich: ein Fußballfeld ist nach FIFA-Norm 7.140 Quadratmeter groß. Die passende „Leinwand“ musste da sorgfältig ausgesucht werden. Die Parkanlage in den „Auckland Botanic Gardens“ fand Witthaus über einen seiner Sponsoren. Das neuseeländische Areal gefiel ihm sofort. Schwieriger war es, eine geeignete Rasenfläche in Nordrhein Westfalen zu finden. „Der Garten bei meinem Vater war zu klein“, sagt Witthaus.

Der in Löhne aufgewachsene Künstler suchte die passende Rasenfläche dann per Zeitungsannonce. Etwa zehn Leute meldeten sich bei ihm und boten ihre Grundstücke an. Die Wahl fiel letztendlich auf den Hof von Friedrich Bröher in Löhne. Der Privathof hat eine 500-jährige Geschichte und bildete mit seiner Tradition ein gutes Gegenstück zum öffentlichen Park in Auckland.

Ist Rasenkunst wirklich vergänglich?

Die Arbeiten des Rasenkünstlers bleiben insgesamt nur wenige Tage bestehen. Nach circa zwei Wochen ist dann buchstäblich Gras über die Zeichnung gewachsen. „Diese Projekte sind vergänglich, ja“, bestätigt Witthaus. „Aber wenn man mal dabei gewesen ist, weiß man, dass sie Orte für immer verändern.“

Ralf Witthaus verbindet seine Heimat mit der Fernde. Foto: Harald Neumann

Ralf Witthaus verbindet seine Heimat mit der Ferne. Foto: Harald Neumann

Er treffe immer wieder auf Menschen, die die Orte seiner Zeichnungen erneut besuchen, obwohl die Zeichnung längst verwachsen ist. Dass die Erinnerung lebendig bleibt, verleihe den Orten immer noch eine Bedeutung, eine Kraft, eben eine Veränderung. „Es ist eine Kunst, die passiert im Hier und Jetzt – so wie unser Leben.“

Seite 2: Videos, die zum Projekt Bohrloch entstanden sind

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