Studenten entwickeln Hilfsmittel für Demente

Fünf Studenten aus dem Fach Industriedesign haben an der Folkwang Universität in Essen im Sommersemester in einem Projekt für Alzheimerpatienten geforscht. Dabei haben sie fünf ganz unterschiedliche Produkte entwickelt, mit denen sich die Studenten auch nach dem Abschluss des Seminars noch intensiv beschäftigen.

Antonia Eggelings Geschirrserie Canucia verzichtet auf Besteck, dafür gibts einen Keramikstrohhalm. Foto: Yvonne Grote-Kus.

Antonia Eggelings Geschirrserie Canucia verzichtet auf Besteck, dafür gibts einen Keramikstrohhalm. Foto: Yvonne Grote-Kus.

Antonia Eggeling ist eine der Studenten, die an dem Forschungsprojekt mitgearbeitet haben. Sie hat eine Geschirrserie entwickelt, die Alzheimerpatienten das Essen erleichtern soll. „Canucia heißt mein Produkt. Es ist ein Essen ohne Besteck, aber mit allen Sinnen. Wir haben hier ein zweiteiliges Geschirr, mit einem unteren Teil, wo wir Fingerfood oder eine Suppe drin haben, und einem oberen Teil, der wie ein Deckel auf dem Hauptessen ist, wo wir Soßen und Dips drin haben. Die Suppe wird mir einem Strohhalm getrunken,“ erklärt Antonia Eggeling ihr Produkt. „Ich habe mich viel mit dem Thema Essen beschäftigt und habe geguckt, was es da für Patienten mit Demenz für Probleme gibt. Oft treten Schluckstörungen auf und sie haben Probleme mit dem Besteck, deshalb gibt’s bei mir einfach kein Besteck.“

Soziale Isolation  – für Patienten und Angehörige ein großes Problem

Von der Idee bis zu der fertigen Geschirrserie war es harte Arbeit für Antonia Eggeling. Zuerst musste sie sich mit ihren Kommilitonen in die Thematik einlesen. Über Demenz wussten die Studenten vorher nicht viel. In der Recherche ist Antonia dann auf das Thema soziale Isolation gestoßen: „Soziale Isolation ist ein riesengroßes Problem bei der Demenz, nicht nur für die Patienten. Denn die Angehörigen haben bei der Pflege einen Fulltimejob und verlieren dadurch jeden gesellschaftlichen Anschluss. Und sie trauen sich nicht mit ihren dementen Angehörigen in die Öffentlichkeit.“ Angesichts dieses Problems kam Antonia Eggeling die Idee, ihre Geschirrserie zu einem ganzen Restaurantkonzept zu erweitern. Darauf hat sie dann ihre gesamte Forschung ausgelegt. In der Küche

Canucia - eine Geschirrserie, die sich zu einem ganzen Restaurantkonzept entwickeln soll. Foto: Folkwankg Universität der Künste.

Canucia - eine Geschirrserie, die sich zu einem ganzen Restaurantkonzept entwickeln soll. Foto: Folkwankg Universität der Künste.

eines Pflegeheims in Essen hat sie in der Küche geholfen, um zu sehen, welche Art von Essen für demente Menschen geeignet ist und welche Probleme es geben kann. Danach hat sie das Modell für ihre zweiteiligen Schüsseln inklusive Keramikstrohhalm entwickelt. Vom ersten Styropormodell bis zum fertigen Keramikgeschirr hat Antonia alles selber gemacht. Jetzt wo der Prototyp fertig ist, soll das Konzept auch in die Tat umgesetzt werden: „Ich möchte mein Produkt auf alle Fälle in Altenheimen zeigen,“ sagt Antonia. „Das wäre dann der kleine Schritt. Und ein großer Schritt wäre ein richtiges Restaurant. Ich möchte die Angehörigen und die Patienten aus ihrer sozialen Isolation rausholen, ihnen eine kleine Alltagsflucht damit bieten. Alle sollen das gleiche essen können und zwar von dem gleichen Geschirr – ohne dass es Unterschiede gibt und ohne, dass jemand schief angeguckt wird.“

Antonias Vision ist, dass es normal wird für Menschen mit und ohne Demenz zusammen in einem Restaurant zu essen. Wo alle ohne Besteck essen und wo selbst die Kellner wissen, wie sie mit dementen Gästen umgehen müssen. Sie möchte die Idee nicht ganz in der Versenkung verschwinden lassen, auch wenn es nicht sofort mit dem Restaurant klappt. Deshalb hat Antonia schon einen Kontakt zu einem Pflegeheim in Essen aufgebaut, wo sie Canucia als eine Alternative für das normale Geschirr mir normalem Besteck vorstellen möchte.

Musik regt auch demente Menschen zur Bewegung an

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Eunkyoung Lee hat eine Tanzjacke entwickelt, die demente Menschen zur Bewegung animieren soll. Foto: Yvonne Grote-Kus

Ganz soweit ist Eunkyoung Lee mit ihrem Produkt noch nicht. Sie hat die Tanzjacke „Monami“ entwickelt. Es ist eine Jacke aus dünnem Stoff, die über die normale Kleidung gezogen werden kann. In die Jacke ist ein Mp3 Player integriert, der Rythmusinstrumente wiedergibt. Dazu sind Zonen in den Stoff eingelassen, die als Kontakte dienen. Wenn man die Jacke trägt und zum Beispiel eine Trommel erklingt, soll der Träger animiert werden sich mit der Hand im Takt des Instruments leicht auf den Bauch zu schlagen. Auch das soll Alzheimerpatienten helfen. „Musiktherapie ist eine gute Möglichkeit um Menschen mit Alzheimer zu aktivieren,“ erklärt Eunkyoung Lee die Erkenntnisse ihrer Forschung. „Auf Knopfdruck starten die Rhythmusinstrumente auf dem Mp3 Player und durch die Vibrationen werden Menschen stimuliert und fangen automatisch an sich zu bewegen oder zu tanzen. Dadurch können auch Alzheimerpatienten mit anderen Menschen zusammen musizieren.“

Ihre Erkenntnisse hat die Studentin aus ihrer Recherche in Büchern und das Analysieren von Videos aus Sitz-Tanzgruppen in Pflegeheimen gewonnen. An Patienten testen konnte sie ihre Jacke bisher nicht. Aber sie hofft, dass die Tanzjacke eines Tages wirklich produziert werden kann. Deshalb arbeitet Eunkyoung Lee auch jetzt nach Abschluss des Projekt noch weiter an ihrem Prototyp. Denn bisher ist der Mp3 Player noch nicht programmiert. Das soll sich aber bald ändern, damit die Jacke auch wirklich funktioniert.

Die Folkwankg Universität der Künste hat bereits in der Vergangenheit mit Firmen zusammengearbeitet, die Projekte von den Studenten gekauft oder zusammen mit ihnen weiter erforscht haben. Genau das erhoffen sich auch Antonia Eggeling und Eunkyoung Lee, damit das Leben mit Demenz sowohl für Betroffene als auch Angehörige leichter und angenehmer werden kann.