Henssler: Kochen in der Sauna

Wenn der Sommer sich von seiner besten Seite zeigt, sucht man Abkühlung und Erfrischung. Anders Steffen Henssler: Der Fernsehkoch stellte sich beim Zeltfestival Ruhr, dem „größten Sauna-Gang aller Zeiten“, mit seiner Kochshow „Meerjungfrauen kocht man nicht – Liebe geht durch den Magen“ an den heißen Herd.

Steffen Henssler erzählt beim Zeltfestival Ruhr, was bei Fernseh-Kochshows hinter den Töpfen passiert. Fotos: Jonas Fehling

Steffen Henssler erzählt beim Zeltfestival Ruhr, was bei Fernseh-Kochshows hinter den Töpfen passiert. Fotos: Jonas Fehling

Es ist der heißeste Tag des Jahres. Das Thermometer zeigt 35 Grad Celsius. Auch beim Zeltfestival Ruhr in Bochum. Der Himmel über der Zeltstadt ist wolkenlos – die Sonne brennt unerbittlich auf das Gelände, heizt die Zelte auf. Die Luft steht, es ist stickig. Im Innern ist es jetzt noch heißer als draußen.

Dann kommt der Mann in der weißen Schürze.

Im großen Zelt tritt Fernsehkoch Steffen Henssler auf die Bühne. Wo sonst ein Bühnenbild steht oder der Kabelsalat von Musikinstrumenten herumliegt, befindet sich eine Küche. Mit einer langen Arbeitsplatte, Schränken, Spüle, Kühlschrank, Ofen und Herd. Der wird doch nicht?

Doch – Henssler stellt sich beim seiner Meinung nach „größten Sauna-Gang aller Zeiten“ tatsächlich in die Küche, schaltet Ofen und Herd ein. Und als seien diese beiden Geräte und die Sonne als Wärmequellen nicht schon genug, gibt es ja noch die Bühnenbeleuchtung, die das Zelt in einen Glutofen verwandelt. Als Henssler dann auch noch der Lärm der Bühnenbelüftung auf die Nerven geht, er sie abschalten lässt und irgendwann eine Pfanne brennt, ist der endgültig Hitze-Höhepunkt erreicht.

Zuschauer kochen mit

Trotzdem: Müde oder träge sind weder der Gastgeber noch die Gäste. Der Hamburger Starkoch präsentiert sein  Programm „Meerjungfrauen kocht man nicht“ mit Witz und Charme. Das Publikum bindet er einfach mit ein: „Jetzt mal Hand hoch von den Frauen, bei denen der Mann nicht so gerne kocht!“ Wenig später stehen Nicole und Thomas auf der Bühne.

„Was kann er denn?“, fragt Henssler. „Wasser“, sagt Nicole. Später erzählt Thomas, er habe sich sogar schon mal an Toast Hawaii und Spiegelei gewagt. Ganz so einfach kommt er bei Henssler nicht davon. Gang Nummer Eins: „Zweierlei von der Kuh“. Das sind Tatar vom Rumpsteak auf geröstetem Toast mit gebratenem Sauerrahm und Rumpsteak im Kartoffelmantel mit Chilisauce. Nicole wird es schmecken.

Noch zwei Mal holt Henssler seine Gäste in die Küche und lockert so das ohnehin  abwechslungsreiche Programm auf. Erst kommt Annika zur Chili-Mutprobe auf die Bühne, dann ein zweiter Thomas zum Sushi nachkochen. Beides klappt gut.

Topfgeldjäger und Gourmet-Fuzzis

Eine Kochshow ausgrechnet am heißesten Tag des Jahres. Am Ende brannte sogar die Pfanne.

Eine Kochshow ausgerechnet am heißesten Tag des Jahres. Am Ende brannte sogar die Pfanne.

Auch ohne Hilfe von den Gästen steht Henssler kaum allein auf der Bühne. Seine rechte Hand Pierre „Winnetou“ Brice nimmt Henssler einige Pflichtaufgaben bei der Zubereitung in der Küche ab, damit der Chef in Ruhe die besten Geschichten („Eigentlich sollte die Show ja „Auch Engel sind nur Geflügel“ heißen – aber wir treten ja nicht nur im Norden auf. Das kann man nicht überall bringen“), Anekdoten aus den Sendungen „Topfgeldjäger“ und „Lanz kocht“ (Großartige „Lästereien“ über Lafer, Lichter & Co), seinem beruflichen („Gourmet-Fuzzis“) und privatem Kochleben („Wenn Sie ein Date haben, fragen Sie  IMMER nach Allergien“) und andere Blödeleien („Jetzt nehmen wir dieses 280 Millionen Jahre alte Kalahari-Salz von Johann Lafer. 280 Millionen Jahre – und kaum hat es der Lafer in der Hand, läuft es am 14.5 ab“) erzählen kann.

Zweideutigkeit von Kiemen und Nudelholz

Manchmal trägt auch das Publikum selbst zur Unterhaltung bei: Henssler knetet einen Pizza-Teig und erklärt, man könne sich das ganz so vorstellen, als würde man eine Frau massieren – um Frauen und wie man sie kulinarisch verwöhnt, geht es immer wieder, denn die Meerjungfrauen im Titel des Programms stehen stellvertretend für alle Frauen. Nach einer gründlichen Olivenöl-Massage für den Teig – wie bei einer Ölmassage für die Frau – ist es soweit: „Jetzt kommt das Nudelholz zum Einsatz!“

Lautstarkes Lachen tönt Henssler entgegen. Er schaut leicht irritiert und überlegt einen Moment. Dann fällt das Küchenmesser: „Das ist jetzt das erste Mal bei dieser Show, dass an dieser Stelle gelacht wurde. Das ist bestimmt die Hitze“, kommentiert Henssler die „Fehldeutung“. Doch damit nicht genug. Die Gäste lechzen jetzt förmlich nach der nächsten Gelegenheit, absichtlich etwas falsch zu verstehen.

Beim Frische-Test für den Sushi-Lachs ist es soweit: „Da gehen Sie einfach mit dem Finger in die Kiemen“, sagt Henssler ohne Hintergedanken. Ein Raunen geht durch das Zelt. Dieses Mal hat Henssler nicht damit gerechnet, in diesem Satz könne eine Zweideutigkeit liegen. Begriffen hat er es allerdings sofort und setzt noch Einen drauf: „Dann an dem Finger riechen“ – Lachen – „Das muss duften wie eine leichte Meeresbrise“.

Kühlschrank-Kamera gegen die Hitze

Die Hitze steigt allerdings auch dem Koch zu Kopf („Leck mich am Arsch, ist das heiß“) und wird zum  Stilelement seiner Show: Im Fünf-Minuten-Rythmus greift Henssler zum Handtuch, wischt den Schweiß ab und stöhnt in den Stoff. „Ziemlich bescheuert“, so findet Henssler übrigens den Anblick seines Publikums. Denn die Gäste nutzen Eintrittskarten, Programmhefte oder was sonst greifbar ist, um sich Luft in die Gesichter zu wedeln. Ein Anblick, der Henssler prompt zum Filmen verleitet. Sechs Stunden später steht der Film bei Facebook.

Henssler hat neben den Hitze-Nachteilen durch Herd und Scheinwerfer, aber auch zwei klare Vorteile: Erstens den Kühlschrank – bei Kochshows immer Standort einer Kamera. Das nutzt Henssler und moderiert einfach mal eine Minute in die Kühlschank-Kamera. Zweitens die von einigen Zuschauern zurecht vermutete Dusche  – Henssler kommt umgezogen und frisch zurück – in der Programmpause.

„Bock auf Kochen – Bock auf Genuss“

Ach ja, gekocht wirde auch noch. Und zwar kreative Kreationen: Dorade, zum Garen nur übergossen mit heißem Olivenöl. Tempura vom Spargel auf Himbeerketchup. Huhn im Bratschlauch. Loup de mer im Pizza-Teig-Mantel. Gebratene Erdbeeren mit Minzpesto und Zuckerwatte.

Die Unterhaltung steht aber stets im Vordergrund. Wäre jemand gekommen, um kochen tatsächlich zu lernen, hätte er allenfalls ein wenig Halbwissen, Anregungen und ein paar Faustregeln aus der Profiküche mitgenommen. Zum Beispiel, was eine Prise Salz ist. Für Henssler in diesem Fall eine ganze Hand voll. Das Publikum lacht, Henssler entgegnet: „Hallo?! Wer hat hier die weiße Jacke an?“

Umfangreiches Kochwissen zu vermittlen ist aber sowieso nicht Hensslers Absicht. Sein Ziel war ein anders: „Der Eine oder Andere denkt wahrscheinlich: Was will der eigentlich von mir? Warum sitze ich eigentlich hier? Speziell bei 40 Grad in einem Zelt. Ich will, dass Sie nach dieser Show nach Hause gehen – drei Liter kaltes Wasser trinken – und dann in ihre Küche gehen und sagen: Ich habe Bock auf kochen, ich hab Bock auf Genuss!“

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