Kampf der Flugangst!

Nassgeschwitzte Hände, Herzrasen, Panik. 60 Prozent der Deutschen haben Angst vorm Fliegen. Obwohl das Flugzeug das sicherste Verkehrsmittel der Welt ist, wird für viele der Flug in den Urlaub zum Höllentrip. Andere fliegen überhaupt nicht, weil die Angst einfach zu groß ist.

Die Bochumer Diplom-Psychologin Linda Föhrer (53) kennt die panikerfüllten Augen vieler Passagiere aus eigener Erfahrung. Denn sie arbeitet auch als Stewardess. Damit der Flug im Himmel nicht zur Hölle wird, bietet Föhrer an deutschen Flughäfen Seminare gegen Flugangst an.

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Stewardess und Diplom-Psychologin Linda Föhrer hilft in ihren Seminaren Betroffenen, die Flugangst in den Griff zu bekommen. Foto: privat

pflichtlektüre: Über die Hälfte der Deutschen hat Flugangst, obwohl das Flugzeug das sicherste Verkehrsmittel der Welt ist. Wie erklären Sie sich das?

Linda Föhrer: Ich frage mich das auch manchmal. Ich selbst fliege als Stewardess ja auch beruflich, deshalb ist das Flugzeug mein zweites Zuhause. Für mich ist Fliegen also sehr entspannt. Für viele meiner Besucher ist aber genau das Gegenteil der Fall. Eine Vermutung ist, dass die Medien einen großen Einfluss haben, weil besonders im Fernsehen viele Katastrophenszenarien gezeigt werden. Diese Bilder setzen sich dann in den Köpfen fest. Und dann kann man sagen, dass besonders die Menschen unter Flugangst leiden, die sich sehr viele Gedanken machen und dadurch von Natur aus etwas ängstlicher sind. Da spielen sich dann vorher regelrechte Horrorszenarien in den Köpfen ab.

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Als Stewardess haben Sie den ganzen Flug über direkten Kontakt zu den Passagieren. Was haben Sie schon alles erlebt?

Die Passagiere gehen ganz unterschiedlich mit der Flugangst um. Einigen sieht man es direkt an. Die zittern, haben Kreislaufprobleme. Die Panik steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Andere wirken ganz ruhig und versuchen, das Ganze mit sich selbst auszumachen. Manche bewegen sich auch während des ganzen Flugs fast gar nicht, weil sie Angst haben, das Flugzeug negativ zu beeinflussen. Ich selbst hatte einmal den Fall, dass wir nicht losfliegen konnten, weil ein Passagier so große Angst hatte, dass er unbedingt wieder aussteigen wollte. Dann haben wir den Koffer ausgeladen und der Gast hat sich entschieden, zu Hause zu bleiben.

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Sie bieten an vielen deutschen Flughäfen Tagesseminare gegen Flugangst an. Wie helfen Sie ihren ängstlichen Teilnehmern in solchen Seminaren?

Mir ist es zunächst wichtig, in meinen Seminaren die Leute über die Fliegerei insgesamt aufzuklären. Denn was letztendlich Angst macht, ist die Tatsache, dass es einfach viel zu viele unbekannte Faktoren gibt. Deshalb ist auch meistens ein Kapitän dabei, der alle möglichen technischen Fragen, die die Teilnehmer haben, beantwortet. Das finde ich enorm wichtig. Denn ein Flugzeug kann nicht wie ein Stein vom Himmel fallen. Selbst das allergrößte Passagierflugzeug hat Gleitflugeigenschaften. Also wenn da mal alle vier Triebwerke ausfallen sollten, würde das immer noch langsam herunter gleiten und es ist auch noch voll steuerbar. So etwas ist zum Beispiel vielen Leuten nicht bewusst. Zum anderen mache ich viele Entspannungsübungen mit meinen Teilnehmern, die ihnen helfen sollen, den nächsten Flug entspannter anzugehen.

Was sind das für Übungen?

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Über den Wolken: Passagiere mit Flugangst können diesen Ausblick nicht genießen. Foto: pixelio.de / digimike, Teaserbild: pixelio.de / hogr

Einmal mache ich die progressive Muskelrelaxation. Das heißt: Muskeln anspannen und entspannen. Die Entspannung dauert länger und das entspannt dann die Muskulatur. Das Ganze ist unterstützt durch eine ruhige Atmung, die ich mit meinen Teilnehmern einübe. Dann mache ich seit einem Jahr noch etwas Neueres, das nennt sich Meridianklopfen. Dabei werden verschiedene Meridianpunkte mit zwei Fingern gedrückt. So ein Punkt befindet sich zum Beispiel zwischen den Augenbrauen, zwischen Nase und Oberlippe oder zwischen Unterlippe und Kinn. Wenn man diese Punkte drückt, ist das sehr entspannend. Und dann kann man diese Linie noch weiter runtergehen und die Hand auf das Brustbein legen. Das entspannt zusätzlich den Brustkorb und man kann ruhiger atmen. Ansonsten ist noch eine entspannte Haltung wichtig. Also Schultern zurück und möglichst nicht verkrampfen.

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Manche Leute nehmen vor einem Flug Medikamente, um sich zu beruhigen. Was halten Sie davon?

Ich bin kein Freund von Medikamenten. Was ich meinen Teilnehmern empfehle, sind Bachblüten. Diese Tropfen träufelt man auf die Mundschleimhaut. Das beruhigt, aber man ist noch immer klar im Kopf. Wenn man doch zu Beruhigungsmitteln greift, sollte man diese auf jeden Fall vorher ausprobieren, weil sie bei jedem individuell wirken. Es sollte dann aber auch wirklich nur als Notfallpack gedacht sein.

Was kann ich machen, wenn ich kein ganz harter Fall bin, sondern nur ein bisschen Flugangst habe?

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Bei ein bisschen Flugangst lautet die Devise: Ablenkung. Ein spannendes Buch, Zeitschriften oder Entspannungsmusik können dabei helfen. Foto: Anne Wunsch

Dann ist es natürlich erstmal wichtig, sich abzulenken. Wie man das macht, sollte man sich vorher schon überlegen. Also zum Beispiel ein spannendes Buch anfangen, das man dann unbedingt zu Ende lesen will. Gut sind auch Hörbücher oder Entspannungsmusik. Und es ist absolut wichtig, dass man den Tag vorher entspannt verbringt. Das ist dann wie bei einer Prüfung.

Kann man die Flugangst komplett besiegen?

Ganz loswerden kann man sie eigentlich nicht. Der überschäumende Teil wird aber weniger. Wichtig ist natürlich, dass man nach dem Seminar zwei bis drei Mal im Jahr fliegt, um das Gelernte auch anzuwenden. Sonst ist die Gefahr groß, dass die Angst wieder Überhand gewinnt. Und das wäre schade, denn erstens gibt es kein sichereres und zweitens kein schnelleres Verkehrsmittel als das Flugzeug.

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3 Comments

  • Klaus Belser sagt:

    Hallo Linda,

    ich bin soeben auf deine Seite gestossen und habe mir alles durchgelesen. Dein Bericht ist für mich sehr interessant da ich mich auf meinem Blog http://hilfe-bei-flugangst.com mit der selben Thematik beschäftige. Ich würde mich freuen, wenn du meinen Blog einmal besuchen würdest.

    Gruß

    KLaus

  • Sabina Wallbach sagt:

    Dass das Flugzeug bei gewissen Deffekten trotzdem noch steuerbar ist, habe ich nicht gwusst..
    Ich habe extrem Angst, ich glaube, wenn ich in einem Flugzeug gefangen bin, falle ich vor Angst in Ohnmacht oder ……wortwörtlich die Hosen voll..Horror!!!!
    Ich habe als Kind im Flugzeug mal miterlebt wie eine Frau ständi bei jedem kleinen Geräusch aufgeschrien hat und ihre Sitznachbarin ständig gepackt hat. Als es wieder Turbulenzen gab war sie fest davon überzeugt, dass wir alle sterben und es jetzt aus ist. Das hat mich in diesen Momenten ziemlich geschockt…

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