Sind rote Karten spielentscheidend?

Achtmal haben die Schiedsrichter bei dieser WM bislang einen Spieler vorzeitig zum Duschen geschickt. In Unterzahl ist dabei keiner Mannschaft ein Tor gelungen, dafür mussten sie insgesamt zehn Treffer hinnehmen. Spielentscheidend sind Platzverweise laut dem Dortmunder Physik-Professor und Fußballfan Metin Tolan aber nicht. Seine Rechnung zeigt: Die verbleibenden Spieler müssen nur „etwas“ schneller laufen.

Ein Platzverweis schwächt die Mannschaft. Aber nicht so dramatisch, wie man denkt. Foto: Torsten Bogdenand / pixelio.de

Ein Platzverweis schwächt die Mannschaft. Aber längst nicht so dramatisch, wie man denkt. Foto: Torsten Bogdenand / pixelio.de

Fliegt einer von zehn Feldspielern vom Platz, wird die Mannschaft um genau zehn Prozent geschwächt – sollte man meinen. Schließlich wird die Anzahl der Feldspieler um zehn Prozent reduziert. Doch so einfach ist es nicht, wie der Dortmunder Physiker Metin Tolan erklärt. Um herauszufinden, wie sehr eine Mannschaft durch einen fehlenden Spieler beeinflusst wird, hat der Physiker gerechnet:

Demnach hat jeder Spieler einen bestimmten Aktionsbereich. Dieser ergibt sich, wenn man die Fläche eines Fußballfeldes gleichmäßig unter den Feldspielern aufteilt. Der Aktionsbereich ist also abhängig von der Anzahl der Spieler und der Größe des Fußballfeldes, die durch die FIFA nicht einheitlich geregelt ist.

Nehmen wir zum Beispiel an, die Fläche des Spielfelds beträgt 7000 Quadratmeter. Auf 20 Feldspieler aufgeteilt erhält man einen Aktionsbereich von 350 Quadratmetern pro Spieler. Der Bereich hätte dann eine Länge von knapp 19 Metern. Nimmt man nun die durchschnittliche Geschwindigkeit, mit der sich ein Fußballspieler über das Feld bewegt (bei einem Mittelfeldspieler etwa 16 km/h), lässt sich ganz einfach berechnen, wie lange der Spieler braucht, um von der Mitte an den Rand seines Aktionsbereiches zu kommen:  in unserem Fall etwas mehr als fünf Sekunden.

Kassiert ein Mannschaftsmitglied eine rote Karte, verringert sich die Zahl der Spieler. Die Aktionsbereiche der Spieler werden somit größer. Um an den Rand seines Aktionsbereiches zu kommen, braucht ein Spieler also mehr Zeit.

Geschwindigkeit um fünf Prozent erhöhen

Jeder Spieler hat einen bestimmten Aktionsbereich auf dem Spielfeld. Fliegt einer vom Platz, werden diese Bereiche größer. Grafik: Jonathan Focke

Jeder Spieler hat einen bestimmten Aktionsbereich auf dem Spielfeld. Fliegt einer vom Platz, werden diese Bereiche größer. Grafik: Jonathan Focke

Um zu untersuchen, wie sehr die Mannschaft nun durch einen Platzverweis geschwächt wird, kann man ausrechnen, wie viel schneller die Spieler laufen müssen, um in der gleichen Zeit wie zuvor ihren Aktionsbereich zu durchlaufen. Das Ergebnis: fliegt einer von zehn Feldspielern vom Platz, müssen die anderen Spieler nur fünf Prozent schneller rennen, um das Spielfeld genauso wie vorher abzudecken. Das sind in unserer Rechnung ungefähr 16,8 km/h – mehr nicht.

Die Rechnung hat natürlich einen kleine Haken: Niemals sind alle Spieler auf dem Spielfeld gleichmäßig verteilt oder gleich schnell. „Die Betrachtungen sollen nur ein grobes Gefühl für die Zusammenhänge vermitteln“, erklärt Tolan. „Trotzdem zeigen diese Überlegungen, dass eine Fußballmannschaft im Durchschnitt durch den Ausfall eines Spielers nicht so stark geschwächt wird, wie man zunächst vermuten könnte.“

Allerdings: Bei der zweiten roten Karte wird es unangenehm. Dann müssen die verblieben Spieler schon deutlich mehr leisten als zuvor.

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