Albanien gehört zu den „sicheren Herkunftsländern“, trotzdem möchte Jace nicht mehr zurück. Dort: keine Chance auf einen Job, kein Geld. Hier möchte er ein neues Leben, ein Leben mit Zukunftsperspektive, beginnen. Dafür ist die Sprache besonders wichtig.
Seit neun Monaten ist Jace in Deutschland. Drei Tage hat die Reise von seiner Heimatstadt Berat in Albanien gedauert. Über Italien und Österreich reiste er nach Bayern. Von dort aus ging es weiter nach Frankfurt und dann schließlich nach Dortmund. Nun lebt er in einer Flüchtlingsunterkunft. Ob und wie lange er in Deutschland bleiben darf, weiß er nicht.
Mehr als ein Wirtschaftsproblem
Jace versteht, was gemeint ist, wenn der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ fällt. Allerdings ist seine Flucht aus Albanien viel mehr als ein Wirtschaftsproblem: Es ist der Weg aus der Perspektivlosigkeit. „Ich bin zur Schule gegangen, habe einen Abschluss und habe drei Jahre lang Englisch studiert. Trotzdem reicht das in Albanien nur zum Kellnern in einer Bar“, sagt Jace. Die Angst, auf der Straße zu landen und vor dem Nichts zu stehen, ist groß. So will Jace nicht leben.
Er ist noch jung, 25 Jahre, er möchte die Möglichkeit haben, etwas aus seinem Leben zu machen. Wenn es sein muss auch in einem fremden Land. „In Deutschland mag ich besonders die Kultur und die Menschen. Die Leute sind freundlich und offen. Hier habe ich wieder Hoffnung.“ Sie hat Jace in Albanien schon sehr früh verloren.
Für seinen neuen Lebensabschnitt in Deutschland hat er sich viel vorgenommen: Er will das Land, vor allem die deutsche Lebensweise, kennen und verstehen lernen. Er will Freunde finden, sich anpassen und integrieren. Er will seinen Traum von einem Leben mit Zukunftsperspektive umsetzen. „Meine Familie fragt oft, wann ich wieder nach Hause zurückkomme, aber ich will hier ein zweites Zuhause finden.“ Diese Motivation begleitet Jace durch seinen ganzen Alltag – ähnlich wie eine der größten Hürden im neuen Land: die Sprache.
Ich will hier ein zweites Zuhause finden.
Spielerisch Deutsch lernen
Mehrmals in der Woche nimmt Jace am Deutschunterricht in der Flüchtlingsunterkunft am Dortmunder Ostpark teil. Dort kommen Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern zusammen. Buchstabenpuzzle, Deutschtexte lesen und schreiben – hier wird gemeinsam mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern die neue Sprache gelernt.
Eins haben die „Deutschschüler“ gemeinsam: Sie sind alle noch nicht als Asylbewerber anerkannt – vielleicht wird das auch so bleiben. Wären die Umstände anders, säßen sie nicht in diesem Unterricht, sondern in einem so genannten „Integrationskurs“. Diese werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) organisiert und vermitteln neben der Sprache auch deutsche Geschichte, Kultur und Rechtsordnung.
Zugelassen zu diesen Kursen ist seit einer Gesetzesänderung im Oktober 2015 auch, wer eine Aufenthaltsgestattung hat. Vor dem Flüchtlingsansturm war eine Aufenthaltserlaubnis notwendig. Allerdings dürfen Asylbewerber, die aus einem sicheren Herkunftsland kommen, auch weiterhin nicht daran teilnehmen.
Genau darin liegt bei Jace das Problem. Er hat zwar eine Aufenthaltsgestattung, allerdings ist seine Bleibeperspektive nicht gut, da Albanien zu den sicheren Herkunftsländern gehört.
Spaß haben, Trinken, Diskutieren – ein Abend im Sprachcafé
Da Jace lediglich am Deutschunterricht und nicht am Integrationskurs teilnehmen kann, möchte er noch weitere Chancen nutzen, um sein Deutsch zu festigen. Eine Möglichkeit, um die Sprache zu üben und Kontakte zu knüpfen, bietet das Sprachcafé im Dortmunder Musik- und Kulturzentrum. Alle zwei Wochen treffen sich dort Menschen aus unterschiedlichen Ländern mit verschiedenen Muttersprachen. Ihr gemeinsames Ziel: ihr Deutsch verbessern und das nicht nur im strengen Unterricht. Hier sitzen sie zusammen, spielen Karten, trinken und diskutieren. Es sind nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Deutsche, die herkommen. Es geht darum, andere Kulturen kennenzulernen, Freunde zu finden und gemeinsam Spaß zu haben.
Jace ist realistisch und weiß, dass es auch in Deutschland schwer sein wird, seine Träume umzusetzen und einen festen Arbeitsplatz zu finden. Ob er es ganz schaffen wird und die Chance auf ein Leben mit Zukunftsperspektive verwirklichen kann, hängt davon ab, ob er bleiben darf oder nicht.
Teaserfoto: Christina Joswig
Von Isabell Karras, Kathi Liesenfeld & Christina Joswig