Lesung auf den Spuren des Holocaust

Ein Beitrag von Henrike Fischer

Seit über einem halben Jahrhundert ist der Holocaust vorbei – und doch lebt er auch heute noch in den Kindern der Überlebenden weiter. Die Traumatisierung ihrer Eltern verarbeitet die New Yorkerin Elizabeth Rosner in ihren Büchern. Eines davon stellte sie am Donnerstagabend im Rudolf Chaudoire Pavillon (Süd-Campus) bei einer Lesung mit anschließender Diskussion vor.

Der Saal ist bis zum letzten Platz gefüllt, die letzten Studenten erhalten nur noch Stehplätze. Mit so viel Interesse hat die Schriftstellerin Elizabeth Rosner nicht gerechnet und ist sichtlich gerührt. Vor allem, weil so viele junge Menschen gekommen sind. Sie wollen an diesem Abend etwas aus ihrem Leben erfahren. Dabei hat Rosner eigentlich das Gefühl, dass immer mehr Jugendliche mit den schrecklichen Taten der Nationalsozialisten abschließen wollen.

Die Erinnerungen leben weiter

Dass die Erinnerungen verblassen, möchte Rosner verhindern – sie will den Menschen vom Holocaust berichten, aus Sicht der Nachkommen. Die 52-Jährige las an der TU aus ihrem 2003 erschienenen Roman „The Speed of Light“. Ein Buch, das sich mit den Spätfolgen des Holocaust beschäftigt. Denn was viele nicht ahnen: Der Holocaust wirkt sich auch auf die nachfolgenden Generationen Überlebender aus.

Auch Carl Heinz Rosner, Holocaust-Überlebender und Vater der Autorin, stellte sich den Fragen des Publikums.

Auch Carl Heinz Rosner, Holocaust-Überlebender und Vater der Autorin, stellte sich den Fragen des Publikums. Fotos: Henrike Fischer

Sola, eine der drei Hauptfiguren aus dem Roman, hat ihre Eltern im Konzentrationslager verloren. Elizabeth Rosner hingegen hatte Glück: Sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter überlebten die Zeit des Nationalsozialismus. Zeitzeugen gibt es heute – 67 Jahre nach Kriegsende – nur noch wenige. Als Tochter zweier Holocaustüberlebender ist es Elizabeth Rosner daher ein Anliegen, die Geschichte ihrer Eltern zu erzählen. Eine Geschichte, die auch ihr Leben geprägt hat.

Bei der Lesung in Dortmund war auch ihr Vater Carl Heinz Rosner vor Ort. Nach der Befreiung aus dem KZ Buchenwald gab er sein Land und seine Sprache auf – zog mit seiner Familie in die USA. Mit Deutschland wollte er nichts mehr zu tun haben. Und doch nahm er eines mit in sein neues Leben: seine Traurigkeit. Und die hat sich nicht selten auch auf seine Kinder übertragen. So finden sich die Spuren des Holocaust im Familienleben ehemaliger KZ-Häftlinge und nicht zuletzt in den Kindern der Überlebenden wieder.

Schmerzvolles Schweigen

In vielen Ländern wird inzwischen kaum noch über den Holocaust gesprochen. Ein Zustand, den Elizabeth Rosner und ihr Vater als besonders schmerzvoll ansehen. „Es ist so wichtig, sich über den Holocaust zu unterhalten, auch wenn es nicht einfach ist. Je länger man wartet darüber zu sprechen, desto schwieriger wird es, damit anzufangen“, appellierte Rosner in der anschließenden Diskussion.

Nach der Veranstaltung war Zeit für persönliche Gespräche und Signierungen.

Nach der Veranstaltung war Zeit für persönliche Gespräche und Signierungen.

Für ihren Vater steht fest: Es ist ein Ereignis, das man nicht vergessen kann. Auch er stellte sich den neugierigen Fragen der Zuhörenden. Auf die Arbeit seiner Tochter ist der ursprüngliche Hamburger enorm stolz. „Nur so können Jugendliche verstehen, wie so etwas überhaupt möglich war“, erzählte Carl Heinz Rosner. „Es ist so schwer zu glauben, was damals passiert ist – dieses systematische Töten in so einer kurzen Zeit.“ Und doch sei es wichtig, darüber zu sprechen, damit sich nationalsozialistisches Gedankengut nicht mehr verbreiten kann. Denn nicht das Vergessen ist der größte Wunsch der Überlebenden, sondern dass sich diese schreckliche Geschichte nie wiederholt.

Zu der Lesung kamen vor allem Studenten der Sprach- und Kulturwissenschaften, aber auch interessierte Studenten anderer Fakultäten hörten sich den Vortrag an. Der größte Teil der Lesung wurde in Englisch abgehalten. Lediglich die Passagen, die Frau Rosner aus ihrem Buch vorlas, wurden sowohl im Englischen, als auch aus der deutschen Ausgabe ihres Romans vorgetragen.

„The Speed of Light“ wurde in neun Sprachen übersetzt. Es hat eine Reihe amerikanischer und internationaler Preise erhalten. Zehn Jahre ihres Lebens schrieb Rosner an dem Roman. Ein langer Zeitraum, der nur erahnen lässt, wie sehr sie selbst mit den Erinnerungen ihrer Eltern an den Holocaust beschäftigen ist.

Die Meinung der Studenten:

Rosner_Studentenmeinung„Mir hat die Lesung sehr gut gefallen. Ich studiere Englisch und Geschichte und ich finde es falsch, dass viele denken, dass wir nichts mehr mit dem Holocaust zu tun haben. Man muss sich an so ein Ereignis erinnern und es ist wichtig, seine Schüler später darauf aufmerksam zu machen.“

Corinna Reinecke, 26, studiert Englisch und Geschichte auf Lehramt.


Rosner_Studentenmeinung2„Wir waren vor allem überrascht, dass auch die zweite Generation noch so mit dem Holocaust beschäftigt ist. Wir haben im Vorfeld auch schon ein wenig in dem Buch gelesen. Es war allerdings spannend, Frau Rosner sprechen zu hören, da sie ihre ganz eigene Betonung in die Sätze legt und es noch einmal etwas ganz anderes ist. Wir fanden es aber schwierig, die deutsche Übersetzung zu genießen.“

Johanna Förster, 20, Maria Segat, 21, und Friederike Wünschhofer, 19, studieren alle drei Literatur- und Kulturwissenschaften.

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