Interview: Raus aus der Schuldenfalle!

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Taschen leer? Maß- und gedankloser Konsum stürzt viele Studenten in die Schulden. Fotos: Henrik Wittenborn, Diakonie Dortmund

Dank Dispokredit und Ratenzahlung kommen manche Menschen schnell in Versuchung, auf Pump zu kaufen. Wer es übertreibt, landet in der Schuldenfalle. Betroffene Studenten können in der Dortmunder Diakonie Hilfe suchen. Im Interview erklärt Schuldenberaterin Stefanie Baier, was dann zu tun ist.

Ich bin Student, 21 Jahre alt, arbeite auf Honorarbasis und habe damit ein schwankendes Einkommen. Was kann ich unternehmen, um nicht in die Schuldenfalle zu geraten?

Sie sollten sich vor dem Studium Gedanken machen, wie Sie es finanzieren können. Man muss sich fragen, wie teuer das Leben wohl wird. Zur Risikogruppe zählen wir tatsächlich junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren.

Wer hilft bei der Kalkulation?

Uni und Asta bieten schon vor Studienbeginn Beratungen an. Dort werden ungefähr 640 bis 650 Euro Kosten pro Monat veranschlagt, wobei der Finanzbedarf wahrscheinlich noch höher ist. 750 Euro sollten wirklich zum Leben zur Verfügung stehen. Dabei sollte man sich einen Puffer für den Notfall anlegen, falls zum Beispiel der Kühlschrank kaputt geht.

Also bringen Studenten mitunter absolut banale Dinge in Schwierigkeiten?

Genau. Oft haben sie nicht ihre Familie als Rückhalt, die im Notfall finanziell aushelfen kann. Viele jobben nebenbei und verdienen sich dadurch das nötige Geld. Schon das ist eine große Aufgabe, die es zu bewältigen gilt. Denn eigentlich steht ja das Studium im Vordergrund.

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Schuldenberaterin Stefanie Baier

Durch die Bologna-Reform ist es wichtiger geworden, das Studium in der Regelstudienzeit zu Ende zu bringen. Hat sich das auf die finanziellen Probleme der Studenten ausgewirkt?

Das ist deutlich zu spüren. Früher hatten es Studenten entspannter und es gab Phasen, in denen sie Dinge vor sich herschieben konnten. Das geht heute nicht mehr. Gerade in der Prüfungsphase sind viele völlig ausgebrannt. Kommen dann noch Schulden hinzu, werden viele Studenten depressiv und können nicht mit der Situation umgehen. Sie leiden infolge dessen unter Schlafstörungen und wissen schlicht nicht mehr, wie sie zur Ruhe kommen sollen.

Welche Alltagsfallen haben die Studenten in die Schulden geführt, die zu Ihnen in die Beratung kommen?

Zum einen denken sie häufig nicht an eine Haftpflichtversicherung. Dann braucht es nur eine wilde Party bei der jemand ohne Absicht in einen Lautsprecher stürzt. Solche Fälle sind oft nicht abgesichert. Da entstehen schnell mehrere tausend Euro Schaden.

Was für Fälle sind Ihnen in letzter Zeit besonders häufig begegnet?

Bei vielen ausländischen Studenten ist auffällig, dass sie den gleichen Fehler machen: Auch sie müssen sich natürlich krankenversichern. Untereinander geben sie sich den Tipp, bei ihrer Versicherung nur einen Auslandsschutz abzuschließen. Dieser wirkt dann zwar sehr günstig, gilt aber nur im Ausland und nicht in Deutschland. Natürlich sind niedrige Beiträge immer verführerisch, sobald man aber zum Zahnarzt muss, greift diese Versicherung eben nicht. Solche Härtefälle sind mir allein in den letzten Wochen zwei oder drei Mal begegnet.

Was sind die ersten Schritte der Beratung?

Es muss immer geprüft werden, wie viel Einkommen die Studenten haben. Das liegt meistens unter der Pfändungsschutzgrenze (Anmerkung der Redaktion: Diese legt den Betrag fest, der jedem Schuldner zum Leben zur Verfügung stehen muss und nicht gepfändet werden darf. Aktuell liegt die Grenze bei 1079 Euro monatlich). Meine Aufgabe in der Beratung ist es dann, aufzuklären, den Studenten den Druck zu nehmen und sie beim Kontakt mit den Gläubigern zu unterstützen. Wir bitten dann zum Beispiel darum, die Schulden vorerst zu stunden. [Anmerkung der Redaktion: Wenn Gläubiger einer Stundung der Schulden zustimmen, werden diese vorerst aufgeschoben, müssen aber später trotzdem beglichen werden.]

Wie reagieren Gläubiger darauf?

Die meisten reagieren sehr ungehalten und gehen gar nicht darauf ein, sondern erlassen bereits Mahnbescheide. Außerdem kommt es mitunter vor, dass der Gerichtsvollzieher beim Schuldner vorbeikommt, um zu schauen, ob nicht wertvolle Gegenstände pfändbar sind. Die Studenten leben aber häufig so nah am Existenzminimum, dass dort nichts zu holen ist.

Jeder Student hat doch einen Laptop – und der ist häufig wertvoll.

Der Laptop ist nicht pfändbar, weil Studenten ihn in der Uni benötigen. Diese Sorge haben viele. Das Studium und die dafür benötigten technischen Hilfsmittel sind gewährleistet und bleiben erhalten.

Ist es für Studenten in Zeiten von Dispokrediten und Ratenkauf zu leicht geworden, sich zu verschulden?

Ja, nehmen wir das Beispiel Handyschulden: Mit 18 Jahren ist man voll geschäftsfähig und kann alles unterschreiben – niemand fragt dann nach dem Einkommen. An einem Tag können mehrere Handyverträge abgeschlossen werden. Die Schufa-Abfrage ist Standard geworden. Weil es aber keine Vernetzung der Handyanbieter untereinander gibt, ist es immer noch möglich, mehrere Verträge hintereinander zu unterschreiben. Die Frage, ob die Verträge zu stemmen sind, stellt sich bei vielen jungen Erwachsenen nicht.

Welche Rolle spielt die Erziehung für den Umgang mit Geld?

Es ist ein Unterschied, ob man in einem Haushalt groß geworden ist, in dem offen über Geld gesprochen wurde und die Eltern auch hin und wieder sagen: „Das können wir uns im Moment nicht leisten.“ Wenn die Eltern aber immer alles verdeckt oder auf Pump bezahlt haben, entsteht ein falsches Bild: Kinder glauben dann, dass man sich alles leisten kann. Es kommt darauf an, was die Eltern ihren Kindern mit auf den Weg geben. Da kann es schon helfen, wenn man sich vor dem Studium zusammensetzt und grundlegend überlegt, welche Ausgaben warten – nicht mit erhobenen Zeigefinger, sondern mit einer helfenden Hand.

Sind Schulden ein Tabuthema – unabhängig von ihrer Höhe?

Viele Studenten können damit nicht zu ihren Eltern gehen und suchen Rat bei der Oma oder einer Tante. Die können zwar selten finanziell helfen, bieten aber zumindest die Möglichkeit über das Problem zu reden. Wir sind bei unserer Beratung zur Verschwiegenheit verpflichtet, die Daten bleiben bei uns.

Wann wird aus einem finanziellen Engpass ein echtes Problem? Üppige und weniger komfortable Zeiten kommen wohl den meisten Studenten bekannt vor.

Schulden hat man schon, sobald das Konto überzogen ist und man das billigend hinnimmt. Die Bank kann einen solchen Dispokredit jederzeit kündigen und dazu auffordern, die Schulden zu begleichen. Schwierig wird es zum Beispiel, wenn man eine Monatsmiete nicht zahlen kann. An der Uni gibt es Hilfsfonds, bei denen man in solchen Fällen vorsprechen kann. Nach einem Erstgespräch wird meistens ein Haushaltsplan erstellt und überlegt, ob dem Studenten dort geholfen werden kann. Entscheidendes Kriterium ist dabei immer, ob der Student einmalig und durch einen Notfall in Probleme geraten ist oder ob neue Schulden zu befürchten sind.

Was können Studenten also unternehmen, um solche Hilfen überhaupt nicht zu benötigen?

Man sollte vor allem realistisch bleiben und vorab wissen, wie viel Geld zum Leben zur Verfügung steht und was im Job verdient werden kann. Man sollte sich auch mal den schlimmsten Fall ausmalen und darüber nachdenken, was passiert, wenn ich diesen Job verliere. Solche Fälle sollten mit der Familie durchgesprochen werden. Darüber hinaus lohnt es sich, ein Sparbuch für Notfälle anzulegen. Wichtig ist immer, ein Haushaltsbuch zu führen, um zu sehen, wofür das Geld überhaupt ausgegeben wird, so wie die Oma früher jede Quittung aufbewahrt hat.

 

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